Editorial

Lieber Jens Alder

Seit Jahren fahren Sie, Herr Alder, atemberaubende Gewinne ein, doch wohin geht das ganze Geld?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/19

     

Herzliche Gratulation! Wieder 650 Stellen weg! Nicht schlecht: Innerhalb von 5 Jahren haben Sie bei Swisscom 6000 Arbeitsplätze weggeputzt. Wenn Sie noch ein paar Jährchen so weitermachen - was Sie ja vorhaben sollen -, müssen Sie schon bald selbst Kabel verlegen gehen. Und gleich mal pro forma herzliche Gratulation zum neuen Rekordgewinn, den Sie zu Jahresende einfahren werden - alles andere würde uns überraschen.



Die Stellen müssten gestrichen werden, sagen Sie, um die Zukunft des Konzerns zu sichern. In der Schweiz könne man nicht weiterwachsen, sagen Sie, deshalb müsse man Kosten senken. Schon einmal daran gedacht, dass es auch noch einen Markt ausserhalb der Schweiz gibt? Seit Jahren fahren Sie atemberaubende Gewinne ein, doch wohin geht das ganze Geld? Als sie 2001 Manager des Jahres wurden, habe ich am Rande gehört: "Ja genau, das ist er, der Herr Alder, ein Manager, ein Verwalter - sonst nichts." Und jetzt soll auch noch Debitel verkauft werden, das einzige Swisscom-Standbein im Ausland. Kommt dieser Verkauf zustande, ist Swisscom wieder ein rein schweizerisches Unternehmen - was vielleicht die SVP freut, aber in Zeiten der Globalisierung reichlich angestaubt wirkt.




Anstatt Geld zu investieren, Arbeitsplätze zu schaffen und ein Schweizer Unternehmen aufzubauen, das sich betreffend Grösse und Stellenwert im internationalen Vergleich hinter einer Deutschen Telekom, einer Vodafone oder einer Telefonica nicht zu verstecken braucht, haben Sie nun einmal mehr vor, über 1 Milliarde Franken den Aktionären zurückzugeben. Und die "SonntagsZeitung" fragt zu Recht: "Sie senken dauernd Kosten und zahlen das angehäufte Geld den Aktionären zurück. Das soll kreativ sein?" Und ein paar Zeilen weiter unten lese ich, dass Sie halt bodenständig seien und dass Sie bleiben lassen, was Sie nicht verstehen. Deshalb würden Sie nicht akquirieren - und wohl deshalb auch die Swisscom letztlich nicht wachsen lassen. Ich hoffe, Sie nehmen sich die Zeit, Ihre Bodenständigkeit und Ihr öffentlich bekundetes Unvermögen, Wachstumschancen in der Telecombranche zu verstehen, jedem einzelnen der 6000 Arbeitnehmer, dessen Stelle Sie gestrichen haben, etwas genauer zu erläutern.

(mw)


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