Editorial

Herr X und die faulen Ausreden

Die Firma Via Net.Works hat im Frühling 2001 Vorreservierungen auf Domänen mit Umlauten für satte 390 Franken verkauft. Anfang 2004 sollen diese Domains nun eingeführt werden.Was ist mit den vorreservierten Domain-Namen passiert?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/15

     

Dass ein ganzes Management ausgewechselt wird, ist in der Post-New-Economy-Zeit nun wirklich nichts Neues. Dass das neue Management Fehler des alten ausbügeln muss, wohl oder übel auch nicht. Man kann das aber mit mehr oder auch mit weniger Stil machen. Hier ein Beispiel, wie es definitiv nicht gemacht werden sollte.



Zuerst kurz die Vorgeschichte: Die Firma Via Net.Works hat im Frühling 2001 Vorreservierungen auf Domänen mit Umlauten für satte 390 Franken verkauft. Anfang 2004 sollen diese Domains nun eingeführt werden. InfoWeek wollte von Via Net.Works lediglich wissen, was mit den vorreservierten Domain-Namen passiert ist.




Ein erstes Telefongespräch mit einem Verantwortlichen der Firma - nennen wir ihn Herr X - dauerte relativ kurz, denn Herr X wusste von nichts, versprach aber, die Sache abzuklären. Das zweite Telefonat kurz darauf war schon wesentlich länger und interessanter. Offenbar ist sich Herr X in der Zeitspanne zwischen den Anrufen bewusst geworden, dass das alte Management Mist gebaut hat und ein allfälliger Artikel wohl nicht zum Besten von Via Net.Works ausfallen könnte. Zuerst versuchte er, die Sache allzu offensichtlich herunterzuspielen. Darauf folgten Drohungen (Ihr Verlag kann zur Rechenschaft gezogen werden, wenn der Ruf unserer Firma Schaden nimmt...), Ausreden (Ich muss die Sache mit den USA abklären, zwei Tage reichen dafür aber nicht, denn... na ja... sie wissen schon... die Zeitverschiebung...), und Witze (Ich wollte schon immer ins Fernsehen, aber der Kassensturz muss es ja nicht sein...).



Nundenn, schliesslich reichten die zwei Tage doch, um die Sache abzuklären. Die Ausführungen von Herrn X wurde in dieser Zeit aber nicht besser. Seine Abklärungen hätten ergeben, dass das Ganze topseriös sei, die Domainnamen den Via-Net.Works-Kunden noch immer gehörten und die 390 Franken durchaus gerechtfertigt waren. Alles Unwahrheiten, wie InfoWeek-Recherchen ergaben. Dessen war sich wohl auch Herr X bewusst, weshalb er vorschlug, wir sollten den Artikel doch auf die nächste Nummer verschieben und den offenen Platz mit einem Via-Net.Works-Inserat verzieren, um die Sache gemeinsam "seriös" anzuschauen…



Sicher, es ist keine einfache Situation, wenn ein neues Management die Fehler des alten ausbügeln muss. Man kann das aber auch anders machen: Fehler eingestehen, den geprellten Kunden eine grosszügige Entschädigung anbieten (oder zumindest das Geld zurückgeben), und schon ist man mehr oder weniger aus dem Schneider.



Ach ja, wenn Sie 2001 bei Via Net.Works eine Umlaut-Domäne reserviert haben, melden Sie sich doch einmal bei der Firma und fragen Sie, was mit Geld und Domain passiert ist. Ihre Erfahrungen würden mich brennend interessieren (mwuethrich@compress.ch).

(mw)


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