Globales Denken fördern durch Arbeiten im Ausland

Die Möglichkeit eines Arbeitsaufenthaltes im Ausland sollte unbedingt genutzt werden, aber nur, wenn auch die Familie problemlos mitspielt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/13

     

Auch aus dem Berufalltag sind Träume nicht wegzudenken, und einer dieser Träume, der in vielen Angestellten schlummert, ist ein beruflicher Auslandaufenthalt. In Zeiten der Globalisierung und der weltweiten Konzerne ist dieser Traum jedoch schon längst nicht mehr unerfüllbar. Und gerade die IT-Branche ist für Auslandeinsätze prädestiniert, denn letztendlich kommt rund um den Globus grundsätzlich die gleiche Hard- und Software zum Einsatz.




Vor allem auf Managerseite kann ein längerer Auslandsaufenthalt gewaltige Vorteile bringen, wenn es darum geht, global zu managen und besser auf weltweite Partner eingehen zu können. Die Welt ist zu einem Dorf geworden, in dem man sich auskennen sollte. Viele grosse IT-Firmen bieten denn auch Austauschprogramme für ihre Mitarbeiter an.


Wichtiger Teil der IBM-Karriereleiter

Bei IBM gibt es drei Möglichkeiten, um Auslanderfahrung zu sammeln: Zum ersten das Karriere-Assignment als fester Teil der Karriereplanung, zum zweiten das Fach-Assignment, wo Fachleute international, je nach Bedürfnis, eingesetzt werden, und zum dritten das virtuelle Assignment, wo internationale Koordinationsaufgaben von einem festen Standort aus übernommen werden.



Vor allem das Karriere-Assignment bei IBM ist äusserst interessant und hat einen hohen Stellenwert bei Big Blue. "Internationale Erfahrung gehört zu einem wesentlichen Teil der Karriereplanung künftiger Executives", gibt Toni Zuber, Manager der Personalabteilung bei IBM Schweiz, Auskunft. In der Regel dauere so ein Auslandaufenthalt zwei bis drei Jahre. Bei der Wahl der Destination werde zum einen Rücksprache mit dem Angestellten genommen, zum anderen aber auch eruiert, wo die Aufgaben des betreffenden Kandidaten liegen.




Für Zuber gibt es eigentlich nur Vorteile eines solchen Ausland-Arbeitsaufenthaltes. "Unsere Nachwuchskaderleute lernen, wie international gemanagt wird." so Zuber. Jemand, der keine Erfahrung dieser Art macht, werde es schwieriger haben, ein global denkender Manager zu werden. Es gehe auch um die Globalisierung der Leute, der Angestellte als Mensch könne unglaublich viel profitieren. "Vielleicht ist das Menschliche sogar noch wichtiger", räumt Zuber ein.



Natürlich gebe es immer Fälle, in dem das Projekt nicht nach Wunsch verläuft und das Assignment abgebrochen wird. Häufig sei das der Fall, wenn es Probleme mit der Familie gibt. Abbrüche eines Aufenthaltes im Ausland seien aber äusserst selten. "Selbstverständlich läuft nicht immer alles rund. Es hängt immer davon ab, wie jeder einzelne damit umgeht." Durch solch einen Aufenthalt werde auch der Horizont für andere Kulturen und Menschen geöffnet. Häufig sieht man die Vorteile, die man dazugewonnen hat, erst wenn man zurückkommt, gibt der IBM-Personalverantwortliche Auskunft, der selbst zwei solcher Aufenthalte hinter sich hat.



Bei IBM sind solche Programme überaus populär. "Im Moment sind rund 50 bis 60 der rund 3000 Leute von IBM Schweiz im Ausland im Einsatz," so Zuber. Ausserdem streicht er hervor, dass Schweizer sehr beliebt und gefragt seien. Das habe auch mit der guten Nachwuchsplanung der Schweizer Big-Blue-Niederlassung zu tun.



"Jedoch", gibt Zuber zu bedenken, "kann man niemanden dazu zwingen. Auch nicht Mitarbeiter, für die IBM Kaderpläne hegt." Vor allem wenn die Familie nicht will, mache es keinen Sinn. Dann werde versucht, ein virtuelles Assignment zu organisieren.



Jemandem, der bei IBM arbeitet, wird der Schritt ins Ausland äusserst leicht gemacht. In Südengland gibt es ein Center, das sich nur um das Assignment von IBM kümmert. Ausserdem werden externe Firmen beauftragt, welche den Angestellten helfen, sich am neuen Ort zurechtzufinden und beispielsweise die Wohnungssuche übernehmen.




Gepflogenheiten annehmen

So viele Vorteile und interessante Erfahrungen ein Einsatz in fremden Gefilden auch bringen kann, Probleme werden trotzdem unweigerlich auftauchen, so beispielsweise auch in den USA, für viele Schweizer noch immer Traumdestination Nummer eins. Obwohl US-Amerikaner uns Europäern alles andere als fremd sind, gibt es diverse zwischenmenschliche Gepflogenheiten, die man beachten muss, um nicht in die Bredouille zu kommen. Beispielsweise unterscheidet sich der Kommunikationsstil der Amerikaner in wesentlichen Punkten vom europäischen. Die Bezeichnung Small-Talk wird wörtlich genommen, Themen wie der Tod, Politik, Alter oder Sex sind ein Tabu und sollten auf keinen Fall angesprochen werden. Auch ein schlichtes "Nein" hört der US-Geschäftspartner nicht gerne. Ein "Ja, aber" hat den gleichen Effekt, wirkt aber viel höflicher. Arge Probleme können entstehen, wenn beispielsweise am Arbeitsplatz anzügliche Witze gemacht werden. Political Correctness hat absolute Priorität. In exotischeren Ländern wie im asiatischen Raum spitzen sich die kulturellen Unterschiede und die damit entstehenden Probleme sogar noch weiter zu.



Nicht zu vergessen ist auch der Stellenwert der Sprache. Ein Abschluss einer Sprachschule hierzulande ist noch lange kein Garant für die Fähigkeit, eine fruchtbare Konversation in einer Fremdsprache zu führen.





Unterstützung der Familie

Der wohl wichtigste Punkt ist der Einbezug der Familie in die Ausland-Pläne. Meist ist für die Ehefrau der temporäre Aufenthalt im Ausland weit schwieriger als für den Mann, da er durch die Firma von Anfang an in ein soziales Netz integriert ist. Für die Frau hingegen erhält man in den seltensten Fällen eine Arbeitsbewilligung, womit sie sich andere Wege erschliessen muss, um soziale Kontakte zu knüpfen. Und auch für Kinder ist die Umstellung auf eine neue Schule und neue Freunde alles andere als leicht. Wenn die Familie sich von Anfang gegen das Ausland sträubt, kann jedes noch so verlockende Angebot zum Alptraum ausarten.



Nicht zu unterschätzen sind überdies Probleme, die bei der Rückkehr in die Schweiz auftauchen können. Man gewöhnt sich an die Vorteile eines anderen Landes, an durchgehende Ladenöffnungszeiten oder höhere Lebens- und Wohnqualität. Man verliert die sozialen Kontakte und bekommt Mühe mit den engen Lebensbedingungen.




Für die Integration hierzulande gibt es sogenannte Relocation Firmen, die Unterstützung anbieten, beispielsweise bei der Wohnungssuche.



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