Militärkarriere: Fürs Kader null Vorteile

Für Schweizer IT-Firmen ist es unwichtig, ob jemand Dienst leistet – das Militär selbst sieht noch immer Vorteile.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/09

     

Kompanie! In Kolonnenlinie antreten! Das heisst es alle ein bis zwei Jahre drei Wochen lang für den grössten Teil der männlichen Schweizer Bevölkerung. Meist löst die Einberufung zur Landesverteidigung weder beim Arbeitnehmer noch beim Arbeitgeber grosse Begeisterung aus - schon gar nicht in unserer stressgeplagten IT-Welt. Wägt man die Vor- und Nachteile gegeneinander ab, sieht es schlecht aus für unsere Bürgerpflicht. Autoritärer Führungsstil ist in der jungen IT-Welt - wie in vielen anderen Branchen auch - alles andere als gefragt. Und die sozialen Fähigkeiten, die man sich angeblich im Militärdienst aneignen kann oder muss, findet man bestimmt in besserer Form in anderen Bereichen des Lebens. Hinzu kommt - als wahrscheinlich wesentlichster Punkt - die zeitliche Abwesenheit vom Arbeitsplatz, die mit höherem militärischen Grad laufend zunimmt. Gerade in einem Kleinbetrieb können so erhebliche Engpässe entstehen.


Kein Job wegen Militärdienst

"Wir hatten erst kürzlich einen Fall, bei dem ein Bewerber einen Job nicht bekommen hat, weil er kurz nach Arbeitsbeginn Militärdienst leisten sollte." Das sagt Sandra Meier, Filialleiterin Banking and Finance und auch zuständig für IT-Fachkräfte beim Stellenvermittler Adecco. Beim geschilderten Fall handelte es sich um einen temporären, projektbezogenen Einsatz. Gerade bei solchen zeitlich beschränkten Engagements ist der Militärdienst ein klarer Nachteil. In der Zeit, in der man die Leute einstellt, will man auch, dass sie da sind. "Auch für Einsteiger in die Informatikbranche kann sich die Dienstpflicht eher nachteilig auswirken", gibt Meier weiter Auskunft. Bei der Festanstellung einer Fachperson war das Thema Militär bisher jedoch noch kein Grund für eine Nichtanstellung. "Man ist froh, wenn man überhaupt jemanden findet", so Sandra Meier.
Dass sich die Dienstpflicht als Vorteil herausgestellt hätte, sei in der reinen Internet- und IT-Branche hingegen auch noch nie vorgekommen - auch bei Kaderpositionen. Einzig vielleicht für IT-Abteilungen in traditionell eher konservativen Banken kann sich der Militärdienst vorteilig erweisen. "Sonst ist man aber eher froh, wenn jemand nicht ins Militär muss," gibt Meier weiter Auskunft.



Ganz schlimm kann es einen Lehrabgänger treffen, der nach abgeschlossener Lehrzeit eine neue Anstellung sucht, jedoch vorher die Rekrutenschule absolvieren muss. Gegenüber einem gleichwertigen Stellensuchenden ohne Militärdienstpflicht hat der Rekrut oft keine Chance, da er zuerst vier Monate weg ist und im ungünstigsten Fall sogar weitermacht, was bedeutet, dass er in absehbarer Zeit für weitere vier Monate abwesend sein wird.




"Priorität eins hat bei uns die Person selbst und die charakterlichen Eigenschaften. Ob jemand Militärdienst leisten muss oder nicht, hatte bisher bei keinem Einstellungsentscheid Gewichtung", gibt Katharina Vukojevic, HR-Admin-Director bei Acer Auskunft. "Natürlich ist es für uns aber ein Nachteil, wenn jemand militärisch abwesend ist. Man ist froh, wenn die Mitarbeiter so wenig Absenzen wie möglich haben. Es lässt sich jedoch feststellen, dass jemand, der im Militär eine höhere Position bekleidet, ein gewisses organisatorisches Zusatzwissen mit sich bringt", so Vukojevic weiter. "Wir sind aber froh, wenn jemand nicht einrücken muss."



Auch bei Dell wird der Punkt Militär bei einer möglichen Einstellung überhaupt nicht beachtet.




Und die Vorteile?

Hat die Angehörigkeit zur Armee dann überhaupt noch Vorteile - ausser, dass man zum "richtigen" Mann wird? Laut Brigadier Hanspeter Alioth, Kommandant der Übermittlungsbrigade 41, ja. Zum einen gebe es in der Armee eine sehr gute RS-Ausbildung als Informatikpionier. Zum andern könnten auch Quereinsteiger, nach Bestehen einer sehr selektiven Eignungsprüfung, in die Informatik-Kp der Übermittlungsbrigade 41 umgeteilt werden. "Man muss auch sehen, dass es sich bei der Übermittlungsbrigade 41 um eine hochspezialisierte Truppe handelt, bei der nicht der gleiche militärische Ton herrscht, wie beispielsweise bei den kompatanten Truppen. Auf die geforderte Disziplin und Auftragserfüllung hat dies wiederum keinen Einfluss." Die in der Armee vermittelte Führungsausbildung könne zudem durchaus hilfreich sein für die Tätigkeit in der Privatwirtschaft, argumentiert Brigadier Alioth. "Ausserdem kann während der Dienstzeit zusätzliches Wissen erworben werden." In seiner Brigade kann der Dienst bei Bedarf und entsprechender Auftragslage auch tageweise und massgeschneidert absolviert werden. Es nütze ja nichts, wenn der IT-Fachmann nur für 5 Tage Arbeit hat, aber die ganzen zwei Wochen WK absolvieren muss. Gerade in der stressgeplagten und zeitkritischen IT-Branche ein grosser Vorteil. IT-Projekte und -Schulungen gebe es in der Armee das ganze Jahr über. Ausserdem gebe es die Möglichkeit, seinen Dienst zu verschieben, wenn ein Wehrmann durch ein laufendes, wichtiges Projekt aus seiner zivilen Tätigkeit verhindert ist.
Was macht aber jemand, der in der IT-Branche tätig ist und militärisch seine zivilen IT-Kenntnisse nicht in der Armee einbringen kann? "Im Moment erhalten wir viele Anfragen für eine Umteilung in die auf IT spezialisierte Übermittlungsbrigade 41. Die Chancen, dass ein solcher Antrag nach erfolgreichem Bestehen der Informatikprüfung bewilligt wird, stehen recht gut", führt der Brigadier weiter aus.




Oberstleutnant Willy Kägi, im zivilen Leben Geschäftsführer bei Bauknecht, beschreibt die vorteiligen Auswirkungen des Militärdienstes auf das Geschäftsleben folgendermassen: "Das Führen einer Zwangsgemeinschaft erfordert ein hohes Mass an Überzeugungskraft und Motivationsvermögen. Mit diesen Erfahrungen lässt sich auch vieles im Zivilen bewegen, denn es handelt sich immer um den Umgang mit Menschen. Die Vorteile liegen primär in der Entwicklung der Sozialkompetenz. Es können aber auch Beziehungen geknüpft werden, die im Berufsleben tatsächlich zu Profit führen." Kägi gibt aber zu, dass die hohe, zeitliche Belastung ein Problem darstellen kann. "Die Kumulation von beruflicher und militärischer Belastung setzt Toleranz und Kompromissbereitschaft, auch im privaten Umfeld, voraus."



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