Alles dreht sich ums Gehalt
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/42
Über Geld spricht man nicht, schon gar nicht über den eigenen Lohn und erst recht nicht in der Schweiz. Trotzdem hat sich vermutlich jeder schon einmal die Frage gestellt, ob sein Gehalt seiner Position angemessen ist, wie viel der Arbeitskollege oder der Freund verdient, der bei einer anderen Softwarebude programmiert. Zwei Möglichkeiten stehen einem Neugierigen offen: Den Kollegen direkt fragen oder die Faust im Sack machen und hoffen, dass man sich nicht unter seinem Wert verkauft.
Die Online-Stellenmarkt-Plattform Jobpilot bietet dem interessierten Gehaltsforscher jetzt aber eine dritte Möglichkeit: Den Gehaltstest, der online darüber Auskunft geben soll, wie viel man für eine bestimmte Position in einer beliebigen Branche verdienen sollte oder verlangen kann. Jobpilot spricht dabei von einer Orientierungs-, Vorbereitungs- und Abklärungshilfe für alle, die sich für eine neue Stelle interessieren oder vor Qualifikationsgesprächen stehen und Argumente sammeln.
Unter www.jobpilot.ch findet man den Eintritt in die Welt der Saläre. Auf einem Fragebogen - das Ausfüllen beansprucht etwa fünf Minuten - müssen Angaben über die eigene Firma, Position und Funktion, derzeitiges Gehalt mit allen Zusatzleistungen sowie den Ausbildungsstand gemacht werden. Ist der Bogen einmal fertig ausgefüllt, bekommt man eine Meldung und einen Link vorgesetzt. Die Meldung besagt, dass die Auswertung in Kürze bereit steht und über den Link abgerufen werden kann. Alles schön und gut, sollte man sich denken - wären da nicht einige Punkte, die zumindest kritisch beleuchtet werden müssen.
Erster Kritikpunkt ist das Kapitel Anonymität und Datensicherheit. Obschon Jobpilot am Ende ihrer Befragung versichert, dass keine Adressdaten, Namen oder ähnliches zusammen mit den Gehaltsangaben gespeichert werden, kann die Jobplattform keine Garantie dazu geben. Weiter wird versprochen, dass eine Zuordnung der Daten zur E-Mail-Adresse, zu deren Eingabe man zu Beginn des Fragebogens aufgefordert wird, technisch unmöglich sei.
Technisch unmöglich ist hier der falsche Ausdruck. Frank Hakenjos, Marketingleiter bei Jobpilot, versicherte gegenüber InfoWeek, dass E-Mail-Adresse und Fragebogen strikt getrennt werden. Das sei eine der Datenschutzauflagen an den Betreiber gewesen. Trotzdem ist es technisch durchaus möglich, eine Bezug zwischen E-Mail-Adresse und Gehalt zu schaffen - in diesem Punkt muss Jobpilot einfach vertraut werden. Hakenjos bestätigte denn auch, dass jemand, der betreffend Datenschutz chronisch misstrauisch ist, den Gehalts-Check besser nicht ausfüllt. Aus Gründen des Datenschutzes wird die Auswertung nicht via E-Mail versendet, sondern muss über den angegebenen, persönlichen Link abgerufen werden. Einzig die Meldung, dass die Auswertung auf dem Link bereitstehe, erhält man per E-Mail.
Weiterer Kritikpunkt ist die Verlässlichkeit der Daten. Gehen wir von folgendem Szenario aus: Ein Java-Entwickler möchte sich informieren, wie er mit seinem derzeitigen Gehalt in der Landschaft steht. Vor ihm haben erst zehn Angestellte aus der gleichen Berufsgruppe den Fragebogen ausgefüllt, wovon zwei aus Jux überrissene Gehaltsangaben gemacht haben oder tatsächlich unter- oder überdurchschnittlich verdienen. Dadurch kann das Bild unverhältnismässig verzerrt werden. Hakenjos dazu: "Wir sprechen mit Jobpilot in erster Linie Fach- und Führungskräfte an. Dass jemand falsche Angaben aus Jux macht, ist nicht realistisch. Sollte es trotzdem ein oder zwei solcher schwarzer Schafe geben, würde das mit der Masse nicht wesentlich ins Gewicht fallen."
Die Angaben werden jedoch von Jobpilot nicht geprüft, ob sie realistisch sind. Hakenjos: "Es wäre möglich, dass sich jemand Donald Duck nennt und als Gehalt 250'000 Franken im Monat eingibt." So ein Betrag würde aber das Bild auch trotz Masse verfälschen.
Wer nach dem Eintippen seiner Angaben mit einer sofortigen Auswertung rechnet, wird enttäuscht werden. Man wird von Jobpilot vertröstet, dass man die Auswertung erst in zirka sechs Wochen erhalten wird. Der Grund für die lange Wartezeit ist aber durchaus plausibel. Zuerst müssen genügend Werte gesammelt werden, um einigermassen verlässliche Angaben machen zu können. Jobpilot spricht von mindestens 8000 Teilnehmern - bei Redaktionsschluss zeigte der Zähler rund 3800 an, der Dienst ist seit Ende Oktober aufgeschaltet.
Um trotzdem bereits einen ersten Eindruck zu gewinnen, kann man seinen Check auch auf der deutschen Seite absolvieren. Dort haben bereits knapp 100'000 Teilnehmer ihr Gehalt eingegeben. Nach der eigenen Eingabe folgt ein siebenseitiger Bericht, der das eigene Gehalt dem vergleichbarer Arbeitnehmer gegenüberstellt. Zusätzlich bekommt man Werte wie den Anteil der Arbeitnehmer, die einen Firmenwagen zur Verfügung gestellt bekommen oder Werte zur Dauer der Unternehmenszugehörigkeit. Man plant bei Jobpilot aber nicht, für die Schweizer Auswertung ausländische Kennzahlen wie die aus Deutschland hinzuzuziehen, ab Mitte Dezember sollen aber auch Angaben aus der französischen Schweiz hinzukommen.
Der Schweizer Jobpilot-Ableger wird somit nicht in der Lage sein, zu der laufenden Lohnrunde einen Beitrag zu leisten - wie das von Jobpilot versprochen wurde. Zu lange muss auf die Auswertung gewartet werden. Generell scheint es ohnehin eher unrealistisch, sich bei Lohnverhandlungen auf den Jobpilot-Service zu berufen. "Nach Angaben von Jobpilot müsste ich 500 Franken mehr im Monat verdienen", wird als Argument kaum ernstgenommen werden. Für einen Stellensuchenden kann es aber durchaus hilfreich sein, um sich in einer neuen Branche zu orientieren. Und schliesslich werden die meisten, die den Gehaltstest ausfüllen, wohl einfach die eigene Neugier befriedigen wollen - speziell angesichts dessen, dass der Dienst gratis ist.
Ausserdem ist Geld nicht der einzige Aspekt, der beim Job zählt. Ein angenehmes Arbeitumfeld, eine grosszügige Ferienregelung - die übrigens von Jobpilot nicht berücksichtigt wird - oder ein gutes Team können unter Umständen wichtiger sein als ein dickes Gehalt. Diese Punkte können aber bei einem Stellenantritt nur schwer vorausgesehen und erst recht nicht von einem Online-Service wie dem von Jobpilot erfasst werden.