Auszeit per Sabbatical
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/38
Erfolgsdruck, 60-Stunden-Wochen, Berufsmüdigkeit, Burnout-Syndrom - Sabbatical, die beschränkte Auszeit aus dem Berufsleben, kann einem Angestellten ungeahnte neue Energie geben. Die Definition von Sabbatical wird von Firma zu Firma unterschiedlich ausgelegt. Für gewisse Unternehmen läuft bereits ein unbezahlter Urlaub unter Sabbatical, für andere erst die bezahlte Erholungsphase mit Weiterbildung. Die gängigste Definition ist jedoch der "Ausstieg auf Zeit".
Ein Ausstieg auf Zeit - oder eben Sabbatical - wird jedoch in den Führungsetagen von Schweizer IT-Unternehmen offenbar nicht praktiziert. Jedenfalls war bei einer Anfrage bei zahlreichen grossen IT-Firmen hierzulande kein Führungsmann zu finden, der schon einmal eine ähnliche Pause einlegte.
Trotzdem ist der zeitlich begrenzte Ausstieg für Schweizer Unternehmen ein Thema, wenn auch nur im Angestelltenbereich.
Für eine Firma lohnt es sich nämlich durchaus, den Mitarbeitern einen zeitlich begrenzten Arbeitsunterbuch zu gönnen. Speziell Kaderkräfte könnten nach einem Break ungeahnte Energie und neuen Schwung in ein Unternehmen mitbringen. Eine kleinere Firma sollte sich jedoch den Nutzen eines Sabbaticals durch einen Mitarbeiter gründlich überlegen - geht doch einiges an Ressourcen verloren. Ein grosses Unternehmen sollte sich hingegen die Ablehnung eines Antrages genau überlegen - speziell im Hinblick auf die Arbeitsmarktsituation. Zu schnell findet man sonst die Kündigung des Mitarbeiters auf dem Tisch des Human-Resources-Verantwortlichen.
Eine Anfrage bei der HR-Abteilung von Hewlett-Packard Schweiz hat ergeben, dass der PC-Riese äusserst grosszügig bei der Gewährung von Auszeiten ist. Grundsätzlich hätten alle Angestellten - Voll- sowie auch Teilzeitleute - Anrecht auf eine unbezahlte Pause. Die Länge des Sabbaticals hängt davon ab, wie lange jemand schon bei HP tätig ist. Bereits nach einem Jahr Dienstzeit ist eine Pause von einem halben Jahr möglich, nach 2 bis 3 Jahren kann die Auszeit bis zu einem Jahr dauern. HP-Angestellte müssen sich nach ihrer Rückkehr auch nicht für einen gewissen Zeitraum verpflichten, andererseits garantiert HP aber auch keine Position nach der Rückkehr, diese wird je nach Bedarf und laufender Strukturierung festgelegt. Dementsprechend kann sich auch der Lohn verändern, im positiven wie im negativen Sinne.
Ganz ähnlich sieht die Situation bei IBM Schweiz aus. Alle Angestellten haben die Möglichkeit, einmal während der Anstellungsdauer bei IBM eine Auszeit zur "persönlichen Fortentwicklung oder Weiterbildung zu nehmen", so Egmond Hohmann, HR-Services-Manager bei IBM. Die maximale Dauer liegt bei einem Jahr, danach bestehe die Gefahr, dass ein Mitarbeiter den Anschluss verliere, speziell in Bereichen wie dem extrem schnell ändernden E-Business-Sektor, so Hohmann weiter. "Grundsätzlich entscheidet man bei IBM aber von Fall zu Fall - ein einheitliches Regelwerk besteht nicht. Dabei wird beispielsweise eine reine Weltreise anders gewichtet als ein Sprachaufenthalt." Eine Garantie auf eine Position stellt auch IBM nicht in Aussicht, mit einer fachlichen Weiterbildung liegt aber durchaus auch ein Karrieresprung drin. Alles in allem bezeichnet Hohmann die berufliche Auszeit als: "Win-Win-Situation. IBM würde keine so liberale Politik betreiben, wenn sich nicht auch für das Unternehmen Vorteile ergeben würden."
Anders sieht die Situation bei Novell aus. Auf eine Anfrage bei Adrian Humbel, Director Market Development EMEA, ging hervor, dass man bei Novell keine Langzeiturlaubs-Programme kennt. Novell sei dazu zu stark quartalsorientiert, die Branche zu schnelllebig. Die einzige Möglichkeit, die Humbel sich vorstellen kann und die auch schon eingetreten sei, ist folgende: "Ein Angestellter kann kündigen und wird nach der Rückkehr wieder mit offenen Armen empfangen". Dieser Schritt geschieht auf eigenes Risiko, sollte im ausgetrockneten IT-Arbeitsmarkt aber kein Problem darstellen, so Humbel weiter.
Auch bei verschiedenen anderen grossen IT-Unternehmen ist Sabbatical ein Thema, jedoch wollte man keine Auskunft zu personellen Dingen geben oder aber es besteht kein klares Modell für die Regelung. Bei vielen Start-up-Unternehemen und jungen Firmen wie Diax wurde die fehlende Regelung damit begründet, das man bisher noch keine Zeit gehabt hätte, sich mit Dingen wie Sabbaticals auseinander zu setzen. Amerikanische IT-Unternehmen oder Branchen wie das Bankenwesen sind in diesem Bereich der ansonsten innovativen Schweizer IT-Branche offenbar weit voraus.