Vertrauen ist gut - ist Kontrolle besser?
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/35
Davor ist vermutlich kein Human-Resources-Verantwortlicher im IT-Bereich gefeit: Ein Bewerber flunkert sowohl in seinen Unterlagen als auch bei den Bewerbungsgesprächen mit seinem Fachwissen. Nach der Anstellung folgt das böse Erwachen. Der neue Mitarbeiter ist weder kompetent noch qualifiziert - von vertrauenswürdig ganz zu schweigen. Wie kann man solchen schwarzen Schafen vorbeugen? Digicomp glaubt, mit der Skill-Test-Software Assert-it die Lösung gefunden zu haben.
Digicomp bietet Assert-it in zwei Varianten an: Die erste besteht aus einem anonymen Test mit vorgefertigten Fragebogen auf der Digicomp-Website. Unter http://kvtests.
digicomp.ch/kvtests/digi.cgi können sich allfällige Interessenten auch einmal ein Bild des Konzepts machen.
Die zweite Möglichkeit ist für Unternehmen schon wesentlich attraktiver. Dabei handelt es sich um eine personalisierte Variante, bei der dem Prüfling ein Benutzername und ein Passwort zugeteilt wird. Danach kann der Bewerber beliebig viele Tests ausfüllen, die alle unter seinem Benutzerprofil gespeichert werden.
Die Funktionsweise der Tests ist grundsätzlich relativ einfach. Die jeweiligen Bewerber füllen einen oder mehrere Fragebogen aus, die vorgefertigt oder auf die Branche individuell zugeschnitten sind. Sie sind im Multiple-Choice-Verfahren aufgebaut. Das Programm wertet diese dann aus und zeigt auf, was der künftige Mitarbeiter kann und was nicht.
Die gewonnen Daten können in Programme wie Excel oder Access importiert werden, um umfangreiche Vergleiche zwischen den Probanden anzustellen.
Alles Perfekt, könnte man meinen. Bei genauerem Hinsehen lassen sich jedoch einige Punkte feststellen, die zumindest beleuchtet werden müssen. So stellt sich beispielsweise die Frage, wo ein Bewerber die Tests absolvieren soll. Digicomp bietet prinzipiell zwei Varianten des Hostings an. Zum einen tritt der Hersteller als ASP auf, das heisst, Assert-it ist bei einem Provider gehostet. Für einen Kunden würde dies bedeuten, dass ein Bewerber die Tests nach Eingabe seines Log-ins auch zuhause ausfüllt - auch unter Zuhilfenahme entsprechender Fachliteratur, was unmöglich kontrolliert werden kann.
Als zweite Möglichkeit können Firmen das Programm auf ihrem Intranet hosten. Das würde bedeuten, dass der Prüfling den Test intern durchführen müsste. Die Art und Weise der Kontrolle bleibt hierbei dem Unternehmen überlassen.
Eine weiterer Punkt, der sich aufdrängt, ist das Thema Kurzzeitgedächtnis. Gehen wir davon aus, ein Stellensuchender bewirbt sich als LAN-Supporter. Am Tag vor dem Gespräch und dem Test macht er sich in diversen Publikationen über Netzwerke und Supporter-Know-how schlau. Er absolviert die Tests mit Bravour, ist aber im Prinzip bloss ein Laie oder ein Theoretiker.
Grundsätzlich muss man sich die Frage stellen, wie weit Bewerbern misstraut werden sollte oder anders ausgedrückt, wie weit den Fähigkeiten des Human-Resources-Teams vertraut werden sollte. Wie gut kann ein Bewerber eingeschätzt werden, wie weit kommt seine fachliche Kompetenz während des Gesprächs zum Vorschein und wie weit zählt das Fachwissen im Vergleich zu sozialen Eigenschaften? Und wie weit schreckt man einen potentiell qualifizierten - um wieder auf unser Beispiel zurück zu kommen - LAN-Supporter mit dieser Art Test und dem damit verbundenen Misstrauen ab?
Auf technischer Seite sieht es neben dem bereits erwähnten Hosting folgendermassen aus: Assert-it arbeitet mit der MySQL-Datenbank, ist Unix-basiert und im Moment auch nur für Unix-Server erhältlich. Bei einer Nachfrage, wie es zum Beispiel für eine Firma aussieht, die Windows als Server-OS benutzt und das Programm auf dem Intranet haben möchte, antwortete Markus Schlupp, Programmierer von Assert-it, dass das sicher möglich sei. Wie ein entsprechendes Modell aussehen, wie lange die Portierung dauern würde und wie es um die Mehrkosten steht, konnte er jedoch nicht angeben.
Generell macht das Pricing einen unausgereiften Eindruck. Für das Programm wird ein Pauschalbetrag von 5000 Franken erhoben. Für jeden ausgefüllten Fragekatalog sind vom Unternehmen weitere 8 Franken zu berappen. Soll dieser Katalog Firmen-spezifisch angepasst werden, verrechnet Digicomp die zusätzliche Arbeit nach Aufwand. Der Anfangsbetrag von 5000 Franken ist zeitlich ungebunden. Sollte Digicomp - aus welchem Grund auch immer - Assert-it in einem halben Jahr nicht mehr unterstützen, wäre der Betrag unweigerlich verloren, da der Kunde keine zeitliche Garantie erhält.
Die Wartung des Programms und der Fragebogen liegt im Falle einer Internet-Nutzung bei Digicomp. Wird das Programm auf dem Firmen-Intranet gehostet, werden firmeneigene Leute während rund eines Tages von Digicomp in der Wartung von Assert-it geschult.
Abschliessend kann man sagen, dass Assert-it sicherlich brauchbare Zusatzinformationen zum Entscheid einer Einstellung liefern kann. Das Kriterium Misstrauen sollte jedoch nicht ausser acht gelassen werden. Und ob die gewonnenen Infos den happigen Preis von 5000 Franken für ein verhältnismässig simples Programm rechtfertigen, ist ebenfalls fraglich.