Licht und Schatten beim Touch Dual

Die TouchFlow-Oberfläche des HTC Touch Dual enttäuscht. Abgesehen davon hat das Smartphone aber einige Highlights zu bieten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/08

     

Touch Dual nennt sich HTCs neuester Smartphone-Spross – bereits das dritte Touch-Handy des taiwanesischen Herstellers. Der Zusatz «Dual» steht dabei für die Dualität in der Bedienung des Geräts – oder einfach ausgedrückt für die Tatsache, dass das Slider-Handy einen Touchscreen und eine herkömmliche Handytastatur besitzt. Und diese Tastatur, so viel sei eingangs gleich gesagt, gehört mit zum Besten, was die InfoWeek-Testredaktion je erreicht hat. Ideale Tastengrösse, perfekter Druckpunkt, tolle Tastenanordnung mit der extragrossen Back-Taste – so macht das Nachrichtenschreiben sogar einem SMS-Muffel ohne extra mutiertem SMS-Daumen Spass.


Auch sonst ist das Gerät weitgehend gut verarbeitet. Es ist für Smartphone-Verhältnisse kompakt und dünn, nichts klappert, das Display ist angenehm hell mit gutem Kontrast und auch die integrierte 2-Megapixel-Kamera schiesst durchaus brauchbare Fotos. Wenn man etwas kritisieren will, dann vielleicht die Tatsache, dass das Gerät weitgehend aus Plastik besteht und entsprechend nicht gerade sehr edel wirkt.



Im Innern des Geräts verrichtet ein 400-MHz-Prozessor seine Arbeit (der vom Windows-6-OS kräftig gefordert wird, dazu später mehr), begleitet von 128 MB RAM und 256 MB ROM. Beim Testgerät war zudem eine 1-GB-MicroSD-Karte im Lieferumfang enthalten. Ausserdem unterstützt das Gerät 3G (inklusive HSDPA), während man auf WLAN verzichten muss (was in der Schweiz angesichts des schnellen und gut ausgebauten HSDPA-Netzes nicht so tragisch ist). Der Akku soll laut Hersteller für bis zu 250 Stunden Stand-by- und 5 Stunden Gesprächszeit halten – was im Vergleich zu anderen Herstellerangaben schon nicht sehr lange ist. Dies macht sich auch in der Praxis bemerkbar, auch bei nicht allzu intensiver Nutzung will das Gerät alle drei Tage an den Strom.


Windows Mobile 6

Zum OS das Negative gleich zuerst: Windows Mobile 6 Professional
ist – zumindest auf dem HTC-Gerät und trotz des integrierten 400-MHz-Chip – geschwindigkeitstechnisch noch immer keine Offenbarung. Insbesondere beim Scrollen in Dokumenten oder im Prog-rammordner mit seinen knapp 30 Icons ruckelts und zuckelts gewaltig. Und ebenfalls immer noch keine Offenbarung ist die Oberfläche des OS, die relativ überladen wirkt und bei der als Erstes die Integration des Windows-Live-Dienstes auffällt, die schon mal relativ viel Platz wegnimmt. Die Integration bietet aber auch Vorteile, unter anderem dadurch, dass Push-Services nun auch im Hotmail-Account unterstützt werden. Neue Mails werden also ohne Aufforderung abgerufen und auf dem Handy angezeigt.


Die Verbesserungen in Windows Mobile 6 Professional gegenüber Windows Mobile 5 sind ohnehin eher im Detail zu suchen – Grundsätzliches hat sich nicht verändert. Trotzdem: Man weiss neue Funk­tionen wie etwa die Möglichkeit,
E-Mails durchsuchen zu können, oder auch neue Darstellungsfunk­tionen in der Terminverwaltung (z.B. farbige Blöcke für belegte Termine) zu schätzen. Im Zusammenspiel mit Exchange lassen sich zudem neu nun auch Abwesenheits-Antworten einrichten, ausserdem werden HTML-Mails unterstützt. Ebenfalls neu ist die Möglichkeit, dass Office-Dokumente mit dem integrierten Office Mobile nicht nur angesehen, sondern (zumindest Word- und Excel-, nicht aber PowerPoint-Files) auch bearbeitet werden können. So kann beispielsweise ein Word-Dokument formatiert werden, oder eine Rechtschreibeprüfung kann durchgeführt werden, während in Excel Zellen formatiert oder Diagramme erstellt werden können.



Im Testgerät – einem Gerät aus dem Hause Swisscom – ebenfalls enthalten waren zudem diverse Swisscom-Zusatzprogramme, welche unter dem Menüpunkt Mobile Assistant zu finden sind. Dabei sind nützliche Tools wie ein SBB-Fahrplan, Antiviren-Schutz, das Übersetzungsprogramm SlovoEd oder der sogenannte Email-Configurator zu finden, der das Einrichten und Abrufen eines Mail-Accounts der gängigsten Schweizer Mail-Provider (bluemail.ch, freesurf.ch, gmx.ch, hispeed.ch, green.ch und viele mehr) innerhalb weniger Sekunden ermög-
licht.


Selbstverständlich sind die PIM-Funktionen im Zusammenspiel mit Outlook und Exchange in der Firma in Windows Mobile 6 enthalten. Dabei ist zu beachten, dass einige der Funktionen Exchange 2007 voraussetzen, beispielsweise um im Kalender zu sehen, wer an einer Besprechung teilnimmt, oder um Besprechungseinladungen zu verschicken.


Fingerfertig

Jedes neue Telefon, dessen Display auf Fingerberührungen reagiert, muss sich inzwischen unweigerlich den Vergleich mit dem iPhone gefallen lassen. Und jeder, der schon mal ein iPhone in den Händen hielt, dürfte enttäuscht sein vom TouchFlow-Konzept von HTC. Wobei man dem taiwanesischen Hersteller zu Gute halten muss, dass er zumindest versucht, die iPhone-Herausforderung anzunehmen und ein eigenständiges Finger-Bedienkonzept auf die Beine zu stellen. Dieses könnte durchaus auch für Begeisterung sorgen, hätte Apple die Latte mit seiner Telefon-Oberfläche nicht so hoch gelegt. Dass TouchFlow hinterherhinkt, zeigt sich allein schon dadurch, dass die Bedienungsanleitung zur Hand genommen werden muss, um überhaupt herauszufinden, wie das Steuerkonzept funktionieren soll.



TouchFlow baut auf dem sogenannten TouchCube auf, einem Würfel, der aufgerufen wird, indem man mit dem Finger vom unteren Displayrand nach oben fährt. Die «Startseite» des TouchCube besteht aus sechs Menüfeldern für die wichtigsten Funktionen (E-Mail, SMS/MMS, Aufgaben etc.). Wischt man mit dem Finger nach rechts oder links über das Display, dreht der Würfel quasi zur nächsten Oberfläche mit den Multimedia-Features beziehungsweise mit den Kontakten. Das alles ist noch lobenswert einfach und elegant und sieht darüber hinaus auch noch cool aus. Jedoch ist dann auch schon fertig mit der Herrlichkeit.

Wählt man nämlich im TouchCube eine Funktion an – z.B. SMS – kommt man wieder auf die herkömmliche Windows-6-Oberfläche. Und die ist mit dem Finger mehr schlecht als recht bedienbar. Es ist dann auch nicht so, dass man mit einem Fingerwisch wieder zurück auf den TouchCube käme. Dieser muss jeweils wieder neu aufgerufen werden. Einzig bei der Bilder-Funktion profitiert man noch etwas vom Touch-Konzept, und zwar dass man mittels Links- und Rechts-Bewegungen durch die Bilder scrollen oder durch eine Drehbewegung das Bild rotieren kann. Eine bestimmte Fingerbewegung ermöglicht gar das Zoomen ­– auch wenn bis Testende nicht ganz klar wurde, welche Bewegung das jetzt genau ist (wobei auch das Handbuch hier nicht weiterhilft). So passiert es beim versuchten Drehen von Bildern gerne einmal, dass das Bild stattdessen gezoomt oder zum nächsten Bild weitergeblättert wird.


Softkeyboard

Daneben gibt es zudem noch die Touch-Tastatur, bei der wahlweise eine Soft-QWERTZ-Tastatur oder herkömmliche Handy-Tastatur mit mehrfach belegten Tasten auf dem Display erscheint. Sicher ist diese Touch-Tastatur brauchbar, aber auch gewöhnungsbedürftig. Und auch hier hat Apple vorgemacht, wie man eine Tastatur entwerfen kann, welche sich auch mit dem Finger äusserst komfortabel bedienen lässt.



Speziell (ob nützlich oder nicht, sei dahingestellt) ist vielleicht noch Folgendes: Wird der Slider aufgeklappt, erscheint für vielleicht 5 Sekunden ein spezielles Menü, über das man Zugriff hat auf diejenigen Funktionen, die am ehesten die Handy-Tastatur benötigen (SMS, MMS, neuer Termin, neue Aufgabe etc.). Und erwähnenswert (und leider auch negativ) zum Schluss: Innerhalb einer Testwoche ist das Gerät drei Mal komplett abgestürzt – sprich der Akku musste rausgenommen werden, um es wieder neu zu booten.

(mw)


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