Philipp Kronig, Leiter KOBIK
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/02
Bis wann haben Sie das Internet entkriminalisiert?
Wie in der realen Welt wird es auch im Internet immer Leute mit krimineller Energie geben. Die Vorstellung eines vollständig entkriminalisierten Internet ist absurd und weltfremd.
Seit Anfang 2003 sind über 100 Meldungen bei Ihnen eingegangen. In wie vielen Fällen ist die KOBIK aktiv geworden?
Zunächst wird abgeklärt, ob es den gemeldeten Sachverhalt überhaupt gibt und relevante Daten werden für Beweiszwecke gesichert. Anschliessend erfolgt eine juristische Überprüfung: Ist ein Verstoss gegen schweizerisches Recht denkbar, gibt es einen Schweizer Bezug?
Welche Fälle - neben Kinderpornografie - wurden gemeldet?
Ein grosses Thema sind zur Zeit die unzähligen Spam-Mails. Die Liste der gemeldeten Sachverhalte ist sehr lang: Extremistische bzw. rassistische Inhalte, Betrugsversuche, klassische Computerdelikte (Hacking, Trojaner), Kreditkartenmissbrauch, Verleumdung, Urheberrechtsverletzung und vieles mehr.
Welche Sofortmassnahmen können Sie ergreifen, wenn eine Firma das unbefugte Eindringen in Computersysteme meldet?
Zunächst gilt es technisch abzuklären, ob es sich wirklich um einen Angriff handelt. Häufig werden bereits automatisierte Portscans als Hackerangriff interpretiert. Danach erfolgen Triagearbeiten wie Datensicherung und Rechtsabklärung. Das ganze Dossier wird dann der örtlich und sachlich zuständigen Verfolgungsbehörde übergeben.
Was muss eine Firma tun, die offensichtlich übers Web angegriffen und geschädigt wurde?
Alle relevanten Daten über den Angriff sichern und umgehend mit KOBIK in Kontakt treten.
Ist es nicht so, dass ein professioneller Hacker technisch und vom Wissensstand her gegenüber einer Internetpolizei immer einen Schritt voraus ist?
Es ist in der realen Welt nicht viel anders. Die Polizei verfügt nicht über die gleichen technischen und finanziellen Mittel. Allerdings braucht es im Internetumfeld nicht immer die teuersten Mittel, um effizient vorgehen zu können. Zudem lernt das Leben, das selbst die cleversten Täter zu den dümmsten Fehlern fähig sind. Solche Fehler nachträglich zu vertuschen, kann im Internet um einiges schwieriger sein als im realen Leben.
(mw)