Editorial

Wettbewerb? Vergessen Sie's!


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/09

     

Ehrlich gesagt: Ich hab’s satt, jedes Jahr 600 Franken in Richtung Bluewin-Tower zu überweisen, nur um ein bisschen Internet zu haben. Klar, ich könnte wechseln. Und stattdessen das Geld in den Sunrise-Tower schicken, oder in den Solnet-, Tele2- oder Green-Tower (sofern diese denn auch in einem Tower hausen). Der Betrag bliebe derselbe, genauso die Dienstleistung. Optionen? Keine! Logisch, stammt ja alles von der Swisscom und ist somit identisch. Da soll mir einer erzählen, der Wettbewerb spielt! Bedarfsgerechte Angebote, Konkurrenz? Fehlanzeige auf der ganzen Linie. Klar, es gibt ja die Cablecom. Mit praktisch demselben Angebot zu praktisch demselben Preis wie die anderen. Der Unterschied: Die Daten fliessen übers Fernsehkabel – was mir als Kunde eigentlich ziemlich egal ist.



Gerade diese Passivität der Cablecom verstehe ich nicht. Die Firma scheint doch dringend neue Kunden zu suchen. Ansonsten hätte mich letzthin der nette, sportlich-dynamische Cablecom-Vertreter nicht mit einem Vertrag wedelnd durch den halben Media-Markt verfolgt. Deshalb hier also mein Vorschlag, liebe Cablecom-Produktmanager: Lanciert einen Internetzugang mit 1 Mbps Down- und 100 kbps Upstream für 22 Franken im Monat, und ich bin der Erste, der zu Euch wechselt.




Doch ich kann ja gut reden, denn passieren wird das nicht. Cablecom wie auch Swisscom überbieten
sich stattdessen lieber mit Bandbreitenerhöhungen, die fast schon ein wahnwitziges Ausmass annehmen. So gibt’s bei der Swisscom in Kürze VDSL für Private mit 15 Mbps Down- und 1 Mbps Uploadrate (siehe S. 7) – zwar zum Kampfpreis, doch jetzt Mal im Ernst: Wer braucht schon 15 Mbps? Allein schon deshalb, weil die Zahl der Server, die grosse Files mit dieser Bandbreite zur Verfügung stellen können, schnell einmal gezählt sind.



Der grosse Gap zwischen den Einsteiger-Angeboten à la Bluewin ADSL 300 – die per se schon fast eine Frechheit sind (die Zeiten von Volumenbeschränkungen und zeitbasierten Abrechungen sind einfach vorbei) – und den teuren, aber eigentlich viel zu breiten Breitbandangeboten, wird hingegen nach wie vor nicht geschlossen. Stattdessen jubeln die Medien und Konsumenten den «Sogutwie-Monopolisten» sogar noch zu, wenn diese wieder einmal die Leistung erhöhen, die Preise aber über Jahre unverändert lassen.



Wie würden die Konsumenten wohl reagieren, wenn man im Autohaus nur noch Porsche und Smart, aber keinen Golf, beim Metzger nur noch Chateaubriand und Cervelat, aber kein Spiessli und beim Buchhändler lediglich Shakespeare und Micky Maus, aber keinen Dan Brown mehr kriegen würde?

(mw)


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