Weiterbildung: Eigeninitiative gefragt

Weiterbildung muss für den Informatiker ein Dauerthema sein. InfoWeek zeigt, was Sinn macht und welche Ausbildungen in diesem Jahr und in Zukunft gefragt sind.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/03

     

Zitat des amerikanischen Politikers Benjamin Franklin (1706 bis 1790): «Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.» Die Frage, die sich in der heutigen Zeit stellt, ist aber: «In was genau soll man investieren?» Dass Weiterbildung in der schnellebigen IT-Welt der Schlüssel zum Erfolg ist, steht ausser Frage. Doch Trends ändern schnell, und die eben abgeschlossene Ausbildung kann schon bald nutzlos oder veraltet erscheinen. InfoWeek wollte wissen, wo die Ausbildungstrends in diesem Jahr liegen, welche Ausbildungswege sinnvoll sind und ob Firmen ihre IT-Spezialisten wieder häufiger auf Lehrgänge schicken – jetzt, wo die Zeichen auf Besserung stehen.


Einen Tag gescheiter

Zuerst einmal stellt sich die Frage nach der Art der Weiterbildung oder des Kurses. Unzählige Firmen und Schulen bieten unzählige Ein- oder Mehrtagesschulungen in einem gewissen Bereich an. Doch bringen diese Kurse im Berufsleben auch etwas? Die Antwort lautet ganz klar: «Ja» – wenn auch mit Einschränkung. Stellvertretend dazu Stefan Palm, ICT-Leiter bei der IFA: «Fachausbildungen und themenspezifische Seminare sind aus der Blickrichtung des «am-Ball-bleibens» unverzichtbar. Geht es jedoch ums Weiterkommen, so ist der Nutzen eines berufsbegleitenden Lehrganges höher einzustufen.» Auch andere Experten stossen ins gleiche Horn: «Kurze, intensive Weiterbildung, welche auf einem bereits vorhandenen, soliden IT-Fundament aufbaut, ist nach wie vor sinnvoll. Dabei geht es jedoch um die Ergänzung oder Verfeinerung von einem bereits vorhandenen Wissen und nicht um den Erwerb völlig neuer Kompetenzen. Obwohl sehr verlockend, lassen sich diese in Kurzzeitkursen nicht sinnvoll vermitteln, da die notwendige praktische Umsetzung komplett fehlt», so Ivo Wittwer von der Schweizerischen Fachschule Teko. Und auch Emil Widmer, Ausbildungsberater beim Amt für Berufsbildung des Kantons Luzern ist überzeugt, dass «Weiterbildungsmassnahmen für gestandene IT-Spezialisten im Bereich von Produktkursen sinnvoll sind.» Elisabeth Straub von der neugegründeten Digicom Academy ist zudem der Meinung, dass «autodidaktische Weiterbildung und neue Lernformen wie Blended Learning zunehmend eine Rolle spielen werden.» Unter Blended Learing versteht man die didaktisch sinnvolle Verknüpfung des traditionellen Klassenzimmers mit E-Learning-Methoden.




Kurze, konzentrierte und spezifische Weiterbildungsmassnahmen bringen also Vorteile. Langfristig jedoch nützen solche «Schnellbleichen» wenig bis gar nichts. «Um beruflich weiterzukommen, sind mehrsemestrige Ausbildungslehrgänge nötig, beispielsweise NDS Software Engineering, BWL, Wirtschaftsinformatiklehrgänge oder Projektleiter – wobei anzufügen ist, dass es Generalisten in der Projektleitung dieses Jahr nach wie vor schwer haben und kaum eine neue Stelle finden werden», sagt Rolf Walser, Geschäftsführer Nexus Personal & Unternehmensberatung. Siegfried Boch, General Manager bei Boch + Partner, sowie Mathias Nilitschka, Geschäftsführer von IT Recruitment, sind sich einig darin, dass eine breite Grundausbildung – sprich ETH, Uni, FH oder eine eidgenössisch anerkannte Ausbildung – äusserst wichtig ist.


Allgemein oder spezialisiert

Ganz allgemein ist man der Überzeugung, dass ein breites IT-Grundwissen für den Informatiker der Zukunft essentiell ist. Mathias Nilitschka: «Breites IT-Grundwissen ist in Zukunft Voraussetzung für Erfolg. Spezialisierung aber ist ein Must!» Auch Stefan Palm von der IFA ist überzeugt, dass kein Weg um IT-Spezialisierung herumführt. «Die Berufsbezeichnung ‘Informatiker’ ist bereits jetzt in etwa so aussagekräftig wie ‘Handwerker’. Allerdings wird – im Gegensatz zum Handwerk – in der IT auch jederzeit ein breites Grundwissen nötig sein, da es zwischen allen Themenbereichen wichtige Schnittstellen gibt.» Teko-Schulleiter Ivo Wittwer stellt es etwas differenzierter dar: «KMU bevorzugen in der Regel etwas breitere Kenntnisse und Fähigkeiten, welche einen Einsatz der Mitarbeiter in unterschiedlichen IT-Bereichen ermöglicht. Grössere Betriebe sind aufgrund ihrer IT-Infrastruktur in der Lage, auch ausgewiesene Spezialisten sinnvoll einzusetzen und auszulasten.» Einen etwas pessimistischen Ausblick auf die IT-Spezialisten-Zukunft wagt Nexus-Geschäftsführer Rolf Walser. «Quereinsteiger, die in den letzten Jahren in die Informatik eingestiegen sind, werden den Zug wieder verlassen müssen. Junge, gut ausgebildete Informatiker mit tiefem Salär-Niveau werden die Gehälter nicht ansteigen lassen.» Und weiter: «Die Telecom-Berufe wie Netzwerk-Engineer etc. werden weiter schwinden – Telecom ist zur totalen Commodity geworden.»


Bezahlen oder bezahlen lassen

Also: Weiterbildung ist das A und O, und kurze, fachspezifische Kurse können den IT-Spezialisten mit breitem Grundwissen durchaus weiterbringen. Die nächste Frage, die sich stellt: «Wer soll das alles bezahlen?» Ivo Wittwer von der Teko: «Die Mehrheit unserer Kursteilnehmer finanziert die Ausbildung selbst. Firmen übernehmen zurzeit in den wenigsten Fällen Aus- und Weiterbildungskosten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.» Die Weiterbildung sei im Moment zur individuellen Aufgabe jedes IT-Mitarbeiters geworden, «leider», wie er anfügt. Diese Meinung herrscht vor. «Die guten Arbeitgeber bilden ihre Mitarbeiter ständig weiter», so Siegfried Boch. Rolf Walser führt aus: «Weiterbildung gehört zum Leben eines Informatikers wie das Rot zum Ferrari. Solide Arbeitgeber müssen ein Interesse an solchen Initiativen haben und ihre Mitarbeiter dahingehend unterstützen. Es ist ratsam, mit dem Arbeitgeber das Gespräch zu suchen und über eine Ausbildungsvereinbarung zu diskutieren; dazu gehört auch die Modalität «Teilrückzahlung der Kosten bei vorzeitigem Verlassen der Firma». Dies ist dann auch die Gretchenfrage: «Wenn ich sowieso wechseln will, soll ich nicht gleich alles selber berappen?» Walser ist jedenfalls überzeugt, dass die Initiative vom Mitarbeiter aus kommen muss. «Es wird niemand mehr einfach zur Weiterbildung geschickt.» Und genau hier ortet Emil Widmer vom Amt für Berufsbildung Luzern das Problem: «Leider nehmen noch zu wenig Angestellte die Eigenverantwortung für ihre Weiterbildung wahr.» Firmen wollen nicht, Mitarbeiter machen nicht, das kann zu Problemen führen, ist Nicolas Halter, geschäftsführender Partner bei Conex Cosulting überzeugt: «Aus unserer Sicht bleibt zur Zeit bei den Firmen für Weiterbildung kaum Zeit übrig, da die Mitarbeiter extrem unter Leistungsdruck stehen. Dies wird zu einem grösseren Nachholbedarf in der Branche führen.» Er ist der Meinung, dass Weiterbildung nicht Sache des Spezialisten alleine ist, «denn der Arbeitgeber und die ganze Branche profitieren davon.» Und nicht zu vergessen ist der Einwand von Stefan Palm: «Die Firmen riskieren einen Verlust an Loyalität der Mitarbeitenden, wenn sie über längere Zeit die weiterbildungswilligen Angestellten nicht fördern.» Und was der Arbeitnehmer nicht vergessen sollte, ist folgender, abschliessender Rat von Siegfried Boch: «Arbeitnehmer legen grossen Wert auf eine lückenlose Weiterbildung. Kandidaten mit entsprechendem Weiterbildungsnachweis haben bessere Chancen im IT-Arbeitsmarkt. Dabei wird die nebenberufliche Ausbildung höher gewertet als solche, die ein Arbeitgeber zur Verfügung stellt, weil sie entsprechendes Engagement und Initiative erfordern – Elemente, welche sich der Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern wünscht.»




Diese IT-Spezialisten sind 2004 gefragt

(mw)


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