Langer Weg zur einheitlichen Plattform

Klaus Holse Andersen, Microsofts KMU-Verantwortlicher in Europa, über die Zukunft von Navision und das Projekt «Green».

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/06

     

Der Däne Klaus Holse Andersen trägt bei Microsoft die Verantwortung für das europäische KMU-Segment und die Dynamics-Geschäftslösungen. Am Microsoft Campus in Vedbaek nahe Kopenhagen – dem grössten Microsoft-Entwicklungscenter ausserhalb der USA – sprach Andersen mit ­InfoWeek über die Zukunft von Microsofts Business-Software. Er erklärt, weshalb das ambitionierte Projekt «Green» in seiner ursprünglichen Form nicht funktionierte und wie die «Green»-Vision trotzdem umgesetzt werden soll. Ausserdem verrät er InfoWeek seine Meinung zum Thema RFID und spricht darüber, warum das ASP-Modell gerade im Business-Software-Bereich Sinn macht.






InfoWeek: Wo liegen laut Microsofts Auffassung die Business-Software-Bedürfnisse von mittelständischen europäischen Unternehmen?


Klaus Holse Andersen: Betrachtet man ein mittelständisches Unternehmen, stellt man fest, dass heute die Anforderungen ähnlich sind wie bei einem Gross­unternehmen. Sie brauchen dieselbe ERP-Software, dieselbe Productivity-Software, dieselbe Portal-Software. Und sie brauchen Connectivity zu ihren Partnern, zu den Kunden, zum Government. Der Unterschied ist der: Beim Mittelständler fehlen die 200 Leute im IT-Department – sie müssen vielleicht mit 5 oder 10 IT-Spezialisten auskommen. Das macht es schwierig, all die Anforderungen im IT-Department abzudecken. Deshalb sind Out-of-the-Box-Lösungen gefragt, End-to-End-Lösungen, die voll integriert sind.



In welche Richtung soll sich Microsofts Business-Software entwickeln? Was kommt in den nächsten 12, 18 Monaten aus Redmond?

Etwas, woran wir im Moment arbeiten, ist ein Server-Produkt namens Central. Ähnlich dem Small Business Server für kleine Firmen soll diese Lösung mittelständischen Unternehmen einen Webserver, Sharepoint Server, Exchange Server et cetera bieten. Zusätzlich ermöglicht Central aber auch das Management der gesamten Infrastruktur. Und im Bereich Geschäftslösungen arbeiten wir mit Hochdruck daran, die Vision einer integrierten Dynamics-Geschäftslösungsplattform zu verwirklichen. Unter anderem wollen wir die ganzen User-Interfaces rollenbasiert machen.



Ist Mobilität auch ein Thema im Business-Software-Bereich?

Mobilität ist ein grosses Thema für Microsoft im Business-Solutions-Umfeld. Bislang war
E-Mail für Business-Applika-tionen die Killerapplikation im Mobile-Bereich. Was wir für
die Zukunft sehen, ist das Be­dürfnis, sämtliche Applikationen innerhalb einer Firma auch
mobil nutzen zu können. Alle Prozesse eines Verkäufers oder eines Lager-Mitarbeiters bei­spielsweise müssen mobil
verfügbar werden. Daran
arbeiten wir.



Lassen Sie uns über das
Projekt «Green» sprechen. Ursprünglich wollte Microsoft mit «Green» eine einheitliche Codebasis für sämtliche Business-Lösungen schaffen. Dieses Ziel wurde verworfen, oder liege ich hier falsch?


Der Weg zum Ziel hat sich geändert. Ursprünglich sah «Green» vor, dass wir die Produkte, die wir heute haben, so belassen, und daneben ein komplett neues Produkt entwickeln. Danach wollten wir einen Weg finden, die bestehenden Produkte auf diese neue Lösung zu migrieren. Dabei haben wir herausgefunden, dass es für die neue Lösung schwierig werden wird, mit den bestehenden Produkten – also Axapta, Navision und Great Plains – Schritt zu halten, weil diese sich ja auch weiterentwickeln. Zudem bekamen wir von unseren Kunden das deutliche Feedback, dass sie eine Migration von einem Produkt auf ein anderes nicht wollen. Für uns bedeutete das, dass wir anders investieren müssen. Die Investitionen müssen in alle Produkte fliessen, und dann migrieren wir diese über die Zeit hinweg auf eine einheitliche Plattform. Letztlich kommt man zum selben Ziel, nur dauert der Prozess viel länger und jedes Produkt wird sich weiter entwickeln, bis man auf dieser einheitlichen Plattform landet.



Aber macht es Sinn für Microsoft, drei Produkte parallel zu ent­wickeln?

Ja, denn wir entwickeln die Produkte zwar parallel, doch nähern sich diese einander immer weiter an. Die Clients und die rollenbasierten User-Interfaces beispielsweise werden für alle Produkte dieselben sein. Dasselbe wird mit der Business Intelligence und mit anderen Komponenten passieren.



Stichwort RFID: Wo steht Microsoft in diesem Bereich?

Wir waren die ersten, die RFID implementiert haben. Diese Anstrengungen werden nun von einem grossen Team genutzt, das eine RFID-Plattform für alle Microsoft-Produkte entwickelt. Die nächste Version von Axapta wird RFID-fähig sein, Navision ist RFID-fähig, andere Produkte entwickeln sich ebenfalls dahin.



Und bis wann wird RFID in den Firmen präsent sein?

RFID findet man bereits in vielen Firmen. Wir haben bereits eine Reihe Projekte verwirklicht, bei denen RFID ein Bestandteil ist – in den verschiedensten Aspekten. Aber wann RFID beispielsweise im Retail-Bereich präsent sein wird, ist heute schwierig zu sagen. Wenn der Retail einen Return of Investment erkennen kann, wenn die Chip-Preise tief genug sind, dann wird RFID kommen. Denn die Vorteile sind zweifelsohne riesig, beim eigentlichen Erfassen und auch bei den Back-end-Prozessen.



Sieht Microsoft im Business-Software-Bereich einen Markt für ASP-Modelle?

Ja, wir sehen ein Geschäft mit Software als Service, speziell bei Business-Software. Wir haben bereits eine Reihe von Partnern, die Software hosten und als ASP-Lösung anbieten. Für kleine Firmen ist ASP eine gute Möglichkeit, auf Business-Lösungen schnell zugreifen zu können.



Doch es gibt Probleme, beispielsweise betreffend Sicherheit und Verfügbarkeit?

Ja, diese Probleme sind sicher teilweise vorhanden. Doch
grundsätzlich denke ich, dass diese Lösungen auch erwachsen werden. Grosse Suchmaschinen oder grosse Internetsites hatten
zu Beginn dieselben Probleme, doch diese wurden durch Redundanz und andere Massnahmen gelöst. Das ist nur eine Frage
der Zeit.

(mw)


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