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Wikis im Firmeneinsatz

Wikis ermöglichen eine neue Art der Zusammenarbeit. Dabei funktionieren die Wikis in Firmen nach ähnlichen Prinzipien wie die öffentlichen. Die Gewichtung fällt aber anders aus.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/21

     

Ein Wiki ist ein simples Web-Content-Management-System, das jedem Leser erlaubt, Inhalte zu ändern und somit jederzeit auch zum Autor einer Seite zu werden. Konsumenten der Information werden damit zu Produzenten. Auf englisch werden diese gestaltenden Nutzer als «Prosumers» bezeichnet: Producer (Produzent) und Consumer (Konsument). Dieser Umstand fordert vom Wiki einfache Kontributionsmöglichkeit und Lösungsansätze für die Benutzerverwaltung sowie für die Verhinderung von Vandalismus.


Eng verbunden mit dem Inhalt verfügen Wikis über eine Editierfunktion. Änderungen sollen personalisiert erfolgen, deshalb kann man sich gleich am System anmelden oder auch ein Login beantragen. Im Normalfall genügt dem System als Login eine gültige
E-Mail-Adresse, welche über einen Bestätigungslink geprüft wird. Benutzername und Passwort werden bei einer Änderung im Wiki gespeichert, wobei zunehmend auch der dezentrale OpenID-Standard zusätzlich angeboten wird.
Die Einfachheit der Anmeldung öffnet gleichzeitig auch Vandalen den Weg, die Inhalte mutwillig zerstören. Ein weiteres Problem sind umstrittene Themen, bei denen keine gemeinsam akzeptierte Version gefunden wird. Wikis verfügen über zahlreiche Mechanismen, um hierbei Abhilfe zu schaffen. Im Extremfall wird eine Version mit den wichtigsten Ansichten erstellt und deren Änderungsmöglichkeit durch Sperrung eingeschränkt.



Um Editierkriege zu verhindern, stehen zwei inhaltliche Mechanismen im Zentrum: Transparenz und Versionierung. Jede Änderung wird versioniert und alle Versionen bleiben sichtbar. Empirische Studien zeigen, dass zerstörerische Aktionen auf Wikipedia meist innerhalb von Minuten über soziale Mechanismen korrigiert werden. Die Transparenz geht bis zur IP-Adresse, und über die Auswertungen der Historie werden die Übeltäter aufgedeckt. Missbräuchlich genutzte Logins und Netzwerksegmente werden zudem gesperrt.


Die einfache Kontribution wird darüber optimiert, dass ein einzelner Beitrag mit sehr wenig Aufwand erstellt werden kann. Zur einfachen Formatierung sind simple Funktionen verfügbar, und die weiterführende Gestaltung kann man einem nachfolgenden Autor überlassen. Dazu werden verschiedene Dialekte einer Auszeichnungssprache angeboten, Wiki MarkUp oder teilweise auch WYSIWIG-Editoren.


Erweiterungen für Enterprise-Wikis

In Unternehmen genutzte Wikis funktionieren grundsätzlich nach den oben genannten Prinzipien, typischerweise aber mit unterschiedlicher Gewichtung der wichtigen Aspekte. So ist Vandalismus intern kaum ein Problem, die Transparenz und die Versionierung sind aber weiterhin gewünscht. Zusätzlich gibt es typische Firmenfunktionen wie Benutzerverzeichnis, Berechtigungen und hierarchisierte Informationsdarstellung, die integriert werden müssen. Zudem stellen IT-Abteilungen häufig Anforderungen an die technische Infrastruktur.


In Firmen werden Nutzer und deren Berechtigungen in einem zentralen System verwaltet, welches über LDAP oder Active Directory angebunden wird. Eine eigene Benutzerverwaltung in der Wiki-Software ist kaum erwünscht. Dagegen wird die Integration in die eigene Infrastruktur gefordert, mit dem Ziel, ein Single-Sign-on zu erreichen.



Auch die Möglichkeit, alle Inhalte des Wikis zu sehen und verändern zu dürfen, kann in Firmen an organisatorische, kulturelle oder rechtliche Grenzen stossen. Für den Unternehmenseinsatz spezialisierte Wikis bieten daher Gefässe an, mit denen organisatorische Strukturen wie beispielsweise Abteilungen getrennt werden können. Man hat also eine Art kleine Wikis im grossen Wiki, getrennt über Berechtigungseinstellungen.


Bemerkenswert als Unternehmensbedürfnis ist die hierarchische Informationsdarstellung. Der klassische Wiki-Ansatz legt alle Seiten in derselben Hierarchie-Ebene ab. Der Titel der Seite dient als Identifikator und der Zugang zu den Inhalten wird über das Anbringen von Links auf anderen Wiki-Seiten oder über eine Volltextsuche geschaffen. Diese Ansätze funk­tionieren im Firmenumfeld häufig nicht. Sei es, weil keine leistungsfähige Suchinfrastruktur angeboten wird, oder weil die Autoren der Inhalteverlinkung zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Wohlgemerkt müsste eine Seite von verschiedenen Seiten aus verlinkt werden, was wiederum Berechtigungen im Gesamtsystem bedingt. Abhilfe bietet das Anbieten eines Navigationsbaums als Nachbau einer klassischen Informationshierarchie.


Technische Aspekte

Wikis sind typische Vertreter von Community-erstellter Software und somit sind häufig Open-Source-Komponenten anzutreffen. Die wichtigsten Vertreter basieren auf dem Apache- Webserver, nutzen PHP oder PERL für die Logik sowie Textdateien oder eine MySQL-Datenbank zur Datenhaltung. Diese durchaus leistungsfähigen Systeme sind in der Standardversion meist rasch aufgesetzt. Drei wichtige Vertreter der OpenSource-Wikis sind MediaWiki (das technische System hinter Wikipedia, www.mediawiki.org), TikiWiki (http://tikiwiki.org/) und DokuWiki (www.dokuwiki.org/dokuwiki).



Werden die oben genannten Erweiterungen für den Firmeneinsatz benötigt oder gibt die IT-Strategie kommerzielle Datenbanken oder Java als Programmiersprache vor, so wird das Angebot an geeigneten Systemen sehr dünn. Zudem wünschen Firmen auch definierte Supportoptionen und bestimmte Architekturansätze zur Skalierung oder zur Sicherstellung der Verfügbarkeit. In den meisten Fällen landet eine Wiki-Evaluation für Firmen beim Produkt Confluence der Firma Atlassian (www.atlassian.com/software/confluence) oder bei Socialtext (www.socialtext.com).


Einsatzgebiete von Firmen-Wikis

Wikis ermöglichen eine dialogorientierte Form der Zusammenarbeit. Sie werden somit vor allem dort erfolgreich eingesetzt, wenn mehrere Personen an einem gemeinsamen Dokument arbeiten. Der Vorteil hierbei ist, dass die aktuellste Version des Dokumentes immer unter derselben URL zu erreichen ist. Damit fällt beispielsweise das unsinnige Zusammenführen von per E-Mail verschickten Versionen weg. Eine weitere Stärke eines Wikis ist zudem, dass die mitwirkenden Personen ihren Beitrag bis zu einem gewissen Grad aussuchen können und als Autoren sichtbar werden.

Vergleichbar mit Open-Source-Projekten wirken Personen dort mit, wo sie selbst den grössten Nutzen vermuten, oder wo es ihnen am meisten Spass macht. So gibt es in Wikipedia Nutzer, die vor allem visuelle Verbesserungen anbringen (sogenannte «Fairies»), oder solche, die keine Inhalte erstellen, aber die Verständlichkeit und Korrektheit der Sprache verbessern. Solche Rollenteilungen lassen sich auch im Firmeneinsatz erkennen und sind sehr hilfreich, um die Qualität von Inhalten inkrementell zu verbessern.


Der nächste Schritt

Der beste Weg der Einführung eines Wiki ist zweigleisig: Auf der einen Seite ist es ein normales Projekt mit Zielen, Konzeption, Umsetzung und Einführung. Sehr wichtig sind hierbei Erfolgsmessung und Betrieb, da viele Mitarbeiter betroffen sind und sich ein Wiki per Definition dauernd verändert. Auf der anderen Seite soll das Projekt inkrementell mit Fokus auf den Menschen erfolgen, unabhängig davon, ob das Wiki extern oder im Intranet genutzt wird.


Erfolgsfaktoren

Folgende Punkte entscheiden über die erfolgreiche Nutzung eines Enterprise Wikis.



1) Kein Mikro-Management, aber Spielregeln

Macht und Lebendigkeit eines Wikis ergeben sich aus Prozessen, die Bottom-up entstehen. Traditionelle, hierarchische Führungsprinzipien behindern dies häufig. Eine Lösung ist, klare Spielregeln respektive Prinzipien aufzustellen, mit denen Freiräume für Mitarbeiter und damit Raum für Eigenverantwortung geschaffen werden.



2) Transparenz aktiv fördern

Autoren sollen mit persönlichen Logins arbeiten und ihre Beiträge selbst einbringen. Nur so ist die Entstehungsgeschichte nutzbar und ein Dialog respektive eine kontinuierliche Verbesserung möglich. Dazu gehört auch, Erfolgsgeschichten aktiv zu verbreiten und Menschen öffentlich wertzuschätzen. Alles was nach Silo oder Organisationsgrenze aussieht, muss sofort entfernt werden.



3) Konfliktlösung nicht im selben Medium

Nicht vorhandene hierarchisch geprägte Prozesse und eine neue Transparenz schaffen auch eine neue Art des Wettbewerbes. Solche Bedenken sind auf keinen Fall mit denselben Wiki-Prinzipien in einem öffentlichen Medium lösbar. Persönliche Gespräche und genügend Zeit für den Kulturwandel sind wichtig und nicht ersetzbar.



4) Ergebnis immer über Hierarchie stellen

Jeder muss einen Eintrag des Chefs verbessern oder zumindest öffentlich kommentieren können. Fakt ist, dass die Kommentierung sowieso geschieht, beispielsweise vor der Kaffeemaschine. Der Nutzen für die Unternehmung stellt sich aber nur ein, wenn die Argumente in einem Dialog aufgenommen und verarbeitet werden.



5) Kulturwandel vorleben

Der Nutzen eines Wikis stellt sich über die Zeit und nach Inbetriebnahme ein. Anerkannte Personen innerhalb der Organisation sollten den neuen Umgang mit Information sichtbar vorleben und damit Referenzpunkte bezüglich Nutzen und Wichtigkeit des Wikis schaffen.



6) Es braucht die Anwender

Sozial geprägte Anwendungen leben von den teilnehmenden Menschen, deren Initiative und Eigenverantwortung. Die Zusammenarbeit muss darauf ausgelegt sein, diese Leute zu motivieren. Zugriffs- oder Editierbeschränkungen, unvollständige Information oder versteckte Pläne haben einen negativen Effekt darauf.


Der Autor

Jürg Stuker ist CEO und Partner von namics (http://blog.namics.com/collaboration).




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