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E-Mail wurde vom Segen zum Fluch

E-Mails bestimmen den Geschäftsalltag. Mit Collaboration Tools könnten Firmen wieder Herr über die Informationen werden. Dennoch setzen erst wenige darauf.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/19

     

Als das E-Mail seinen Siegeszug im Geschäfts- und Privatleben startete, rechneten die wenigsten damit, dass der anfängliche Segen schon nach kurzer Zeit zum Fluch werden würde. Mit ein paar wenigen Klicks konnten Informationen nun an beliebige Personen geschickt werden. Alle wurden über alles informiert, leiteten Dokumente weiter und antworteten auf jede Anfrage.


Heute bestimmen E-Mails den Geschäftsalltag. Bis zu 300 Nachrichten pro Tag sind keine Seltenheit mehr. Die Euphorie ist der Ernüchterung gewichen, die Firmen klagen über mangelnde Effizienz und fehlenden Überblick. Zudem kämpfen sie mit Informationsbrüchen durch die Entkoppelung von Dokumenten aus ihrem Umfeld, und auch die mangelnde Ver­sionierung führt häufig zu Problemen.



Um die dringendsten Probleme zu beheben, betreiben viele Unternehmen Symptombekämpfung. Sie installieren kostspielige Spamfilter, erhöhen die Kapazität der Posteingänge, ordnen und indexieren die E-Mails automatisch und legen Verhaltensregeln fest. Dabei sollten sie das Problem der Informationsflut an der Wurzel anpacken, nämlich beim Entstehen von E-Mails.


Mittlerweile kostet die E-Mail-Verwaltung so viel Zeit und Ressourcen, dass immer mehr Unternehmen nach Alternativen Ausschau halten. Verschiedene Anbieter von Collaboration Software versprechen Lösungen, die E-Mail als Kommunikationsmittel ablösen und eine kontextbezogene Plattform für eine wahre Zusammenarbeit bieten.


Was ist Collaboration?

Ein Mitarbeiter erstellt ein Dokument und schickt es per E-Mail an seine Kollegen. Einer der Empfänger entdeckt aber einen Fehler, korrigiert ihn und schickt die aktualisierte Version wieder an alle. Der ursprüngliche Verfasser hat den Fehler allerdings auch schon bemerkt und entsprechend angepasst. Zusammen mit einer weiteren Information versendet auch er die Änderungen erneut an alle Empfänger.


Jetzt haben alle Betroffenen bereits drei E-Mails mit jeweils dem veränderten Dokument als Attachment erhalten. Anhand der Uhrzeit ist nicht mehr zu erkennen, welches die aktuell gültige Version ist. Jeder der Empfänger wird durch die überflüssigen E-Mails gestört und muss dafür Zeit investieren. Hat jemand das Attachment lokal gespeichert, muss er dieses mit der vermeintlich neusten Version ersetzen. Geschieht dies nicht, wird später an falschen Dokumenten weitergearbeitet. So kommt es zu Qualitätsverlusten. Wird nach den Dokumenten gesucht, wird nicht nur eines gefunden, sondern gleich mehrere. Diese Doppelspurigkeit könnte mit einer Collaboration-Lösung vermieden werden.



Dieses Beispiel zeigt, dass E-Mails oft mit Zusammenarbeit gleichgesetzt respektive verwechselt werden. Denn in der Realität verwaltet jeder seine eigenen Nachrichten und Dokumente und schickt diese bei Bedarf jemandem anders, der wiederum seine E-Mails und Dateien selbst pflegt. Die übertragenen Informationen sind nur Statusmeldungen. Zusammenarbeit hingegen bedeutet, dass mehrere Personen an denselben, an einem Ort liegenden Dokumenten arbeiten. Die Informationen sind also nur einmal vorhanden und werden von mehreren Personen geteilt.




Echte Zusammenarbeit


Arbeiten mit Collaboration Tools

Wer konsequent mit einer Collaboration Software arbeitet, kennt viele der vorher genannten Probleme nicht mehr. Statt dessen werden alternative oder neue Konzepte verwendet, die nachfolgend beschrieben werden:
Durch das Messaging werden interne E-Mails eliminiert, alle Informationen werden kontextbezogen abgelegt und zur Verfügung gestellt. Ein Dokument ist also bereits Teil eines Projektes oder Themas und muss nicht mehr von jedem Empfänger verwaltet werden. Alle Informationen, die in das System integriert werden, sind volltextindexiert und über Metadaten abrufbar.


Dank verschiedenen Filtern können alle neuen oder veränderten Informationen automatisch sichtbar gemacht werden. Es ist einfach einsehbar, wer wann was gemacht hat. Eine zusätzliche Benachrichtigung via E-Mail ist nicht mehr nötig, da jeder den Status eines Dokuments oder Projektes automatisch im System und im jeweiligen Kontext sieht.



Durch die zumeist integrierten Dokumenten-Management-Systeme (DMS) wird jeweils nur die aktuellste Version eines Dokuments angezeigt, alle anderen Versionen sind jedoch immer einsehbar. Ein Check-out/Check-in-Mechanismus sorgt dafür, dass Änderungen von verschiedenen Personen an demselben Dokument vorgenommen werden. Dubletten, also gleiche Dokumente an verschiedenen Orten, werden verhindert. Immer da, wo Informatio­nen aus dem Kontext gerissen werden, entstehen Informationsbrüche. Das Pflegen einer gemeinsamen Ablage, in der alle Informationen verwaltet werden können, reduziert diese Informationsbrüche drastisch. Ausserdem können durch den Einsatz einer Collaboration-Lösung Arbeitsabläufe definiert und überwacht werden. Die Durchführung und das Controlling von Prozessen werden nachvollzieh- und reproduzierbar.


Eines der wichtigsten Güter eines Unternehmens ist das Wissen der Mitarbeiter. Verlässt ein Mitarbeiter das Unternehmen oder seine Position, geht Wissen verloren. Dieses sollte aber möglichst vollständig bewahrt werden. Gerade hier liegt eine der grössten Stärken einer Collaboration Software.


Auch die Zeitersparnis, die der Einsatz von Collaboration Tools bringt, ist markant. Durch eine vereinfachte Kommunikation gewinnen Mitarbeiter oder Unternehmen Zeit und Ressourcen und behalten den Überblick. Das Auffinden relevanter Informationen senkt zudem die Reaktions- und Durchlaufzeit von Projekten und Prozessen, was zusätzlich die Qualität erhöht.


Eine Studie von Dr. Pascal Sieber von Sieber & Partners aus dem Jahr 2004 zeigt, dass Schweizer Unternehmen jährlich rund 9000 Franken pro Mitarbeiter verschwenden. Zudem verbringen die Mitarbeiter 48 Minuten pro Tag mit dem Suchen und Verschicken von elektronischen Dokumenten. Mit Collaboration Tools könnte eine Firma mit 100 Mitarbeitern laut Sieber jährlich eine Million Franken sparen.


Schleppende Einführung

Offensichtlich reichen weder die monetären noch die effizienzsteigernden Argumente, um vom E-Mail und der Dateiablage loszukommen, sonst wären Collaboration Tools schon viel häufiger im Einsatz. Die Gründe für die zögernde Verbreitung sind vielfältig.


Collaboration schafft Transparenz. Man ist immer informiert, wer an was arbeitet und wie viel von jedem produziert wird. Redundanzen verschwinden und die Durchlaufzeit wird minimiert. Allerdings deckt die Transparenz aber auch auf, wer was leistet, und das gefällt manchen Betroffenen nicht.



Zudem muss die Arbeitsweise umgestellt werden. Es gilt, vom Einzelkämpfer zum Teamplayer zu werden. Viele Mitarbeiter aber horten ihr Wissen und teilen es nur ungern mit anderen, und das, obwohl Teams nachweislich mehr erreichen. Zu Beginn reagieren viele skeptisch auf eine neue Arbeitsweise. Doch schon bald lernt man sie zu schätzen, da
man selbst über jeden Schritt informiert ist. Status Meetings gehören dann der Vergangenheit an.


Ein weiterer Grund für die schleppende Verbreitung ist, dass viele bekanntere Programme noch sehr umständlich und fehleranfällig sind. Das Aufsetzen einer Projektumgebung dauert lange und das nötige Know-how ist nicht vorhanden. Abhilfe verschaffen hier kleinere Produkte, die schnell und flexibel eingesetzt werden können und zusätzlich häufig weniger kosten.


Herausforderung Collaboration

Echte Collaboration ist eine Herausforderung. Zusammenarbeit ist zu einem sich ständig verändernden Prozess zwischen verschiedenen Interaktionspartnern geworden. Mit einer Software alleine ist es aber nicht getan, da diese nur unterstützend wirken kann. Im Zentrum bleibt der Mensch. Ihn gilt es, mit benutzerfreundlichen Werkzeugen zu unterstützen, damit die kommenden Herausforderungen bewältigt werden können.


Der Autor

Bruno Bieri ist CTO bei der Adarvo AG (www.adarvo.net).




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