Vom DMS zum Unternehmensgedächtnis

Je nachdem, wie sie eingesetzt werden, behindern Dokumentenmanagement-Systeme die Arbeit, oder sie unterstützen neuzeitliche Arbeits- und Geschäftsmodelle.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/19

     

Die aktuellen Dokumentenmanagement-
Sys­teme sind genau das, was der Ausdruck aussagt: Sie verwalten Dokumente – oft unstrukturiert – und belasten dabei die filigranen Nerven der Mitarbeitenden oft bis an die Grenzen. Das Suchen von Informationen bringt nämlich trotz vieler Features und Funk­tionen meist nicht die Resultate hervor, die sich Wissensarbeiter und in die Wirtschaft eingebundene Personen vorstellen und benötigen. Doch genau diese Menschen bergen offene und versteckte Talente in sich, bringen Unternehmen wei­ter und verhelfen Firmen zu mehr Effizienz und Gewinn. Was hat dies aber mit dem Thema Dokumentenmanagement zu tun?





Dokumentenmanagement 2.0


DMS in der Social-Networking-Ära

Die junge Generation verbringt heute einen grossen Teil ihrer Zeit in virtuellen Welten, ist aber teilweise schon in der Geschäftswelt aktiv. Sie will aktiv an Entwicklungen, Verbesserungen und am Wachstum teilhaben. Manager können nicht mehr einfach anordnen, sondern müssen ihre Mitarbeiter moderieren und antreiben. Beim Orchestrieren von Menschen, Inhalten und Prozessen können solche DMS zur entscheidenden Komponente werden, die den Menschen in seiner Arbeit unterstützen, ohne dass sie Prozesse und Strukturen fix vorgeben. So verstanden, bricht Dokumentenmanagement die klassischen Strukturen eines Dokuments auf – die Systeme werden mit sozialen Komponenten angereichert, die den Mitarbeitern die Arbeit um ein x-faches erleichtern.



Wer sich Gedanken über die Anschaffung oder den Ausbau eines DMS macht, sollte sich deshalb unbedingt mit dem Thema Social Networking und Corporate Memory auseinandersetzen – und damit, was dank eines DMS in dieser Richtung möglich ist. iPhone, BlackBerry, Tablet PCs und Mini-Notebooks sind Arbeitsinstrumente, die eingebunden werden müssen, damit geräteunabhängig auf das Wissen zugegriffen und Inhalte orts- und zeitunabhängig so angereichert werden können, dass die Mitarbeiter zum Nutzen ihres Arbeitgebers handeln können – wann, wo und wie auch immer sie gerade im Einsatz sind.


Experiment Wissensmanagement

Die Arbeitsstrukturen und Arbeitsmodelle wandeln sich. «Das Unvorstellbare» ist auch für Unternehmen im deutschsprachigen Raum näher als sie denken, die bisher unter anderem deshalb erfolgreich sind, weil sie in engen, hierarchischen Strukturen operieren: Es geht um ein Experimentieren mit neuen Formen von Arbeitszeit- und Führungsmodellen sowie den damit verbundenen Tools und Endgeräten.


Ein Aspekt ist die Vermischung der Grenzen von Arbeit und Freizeit. Für unser Verständnis von Lebensqualität – nämlich die Trennung der beiden – keine einfache Vorstellung. Jeder Tag hat 24 Stunden. In dieser Zeit liegt es an jedem Einzelnen, die geschäftlichen Ziele zu erreichen, ob von «Nine-to-Five» oder eben dann, wenn es am besten passt. Dies bedingt Systeme und Inhalte, die nicht nur am Arbeitsplatz in der benötigten Form zugänglich sind.



Die aufgebrochenen Grenzen ermöglichen künftig völlig neue Kommunikationsformen. Nehmen wir als Beispiel die Kaffeepause: Aktuell geht ein Mitarbeiter für eine Pause in den Kaffeeraum, trifft dort einen Kollegen, es kommt eine weitere Kollegin hinzu, und schon wird sinniert und man entwickelt Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten. Das so generierte Wissen bleibt aber im Kaffeeraum gefangen und findet nur selten den Weg ins Firmennetz, um weiterentwickelt zu werden.


Findet so ein Gespräch virtuell statt, werden zum Beispiel je nach Zugriffsberechtigung und Bedarf gleich die Kundenstrukturen, die umsatzschwachen Monate sowie die Profile von weiteren zur Problemlösung geeigneten Mitarbeitern samt Präsenzanzeige auf dem Bildschirm eingeblendet und Massnahmen konkret definiert. Die Teilnehmer navigieren zwischen eng verzahnten Dokumenten hin und her, ohne es zu merken. Sie reichern diese mit Wissen an und arbeiten in einem steten Informationsfluss, der die Arbeit, die Unternehmensentwicklung und damit das Leben bereichert.

Die Präsenzzeit am Arbeitsplatz und einem definierten Endgerät verliert an Bedeutung. Dafür gewinnt das vorhandene und dokumentierte Wissen an Schwung, Aktualität und Wirkung. Das «Corporate Memory» bestimmt künftig, wie erfolgreich ein Unternehmen sein wird. Der Umfang und das anzapfbare Wissen dieses kollektiven Gehirns werden sich entscheidend auf Wettbewerbsvorteile und Marktchancen von Firmen auswirken.


Herausforderung für die IT

DMS sind grundsätzlich in der Lage, diese Veränderung zu unterstützen und ihre Rolle im neuen Gesamtkonzept wahrzunehmen. Die technologischen Herausforderungen für die IT-Verantwortli­chen sind daher überschaubar, denn sie haben in den meisten Fällen das Know-how, die Systeme mit weiteren Tools auszubauen. Die dazu notwendige Zusammenführung der verschiedenen Systeme zu einer unternehmens­weiten Enterprise Library ist in vielen Firmen bereits in Arbeit.


Gefordert ist jetzt vielmehr das Management. Es muss die Strategie hin zu Social Networking und Corporate Memory anstossen, die Verantwortung dafür übernehmen und richtungsweisende Entscheidungen treffen. Es macht keinen Sinn, auf die IT zu zeigen, wenn die Unternehmensleitung den Schritt nicht wagt, die Menschen nicht tiefer in die Prozesse einbindet und die Bedürfnisse ihres grössten Kapitals, nämlich der Mitarbeiter, nicht vernimmt und darauf reagiert. Virtualität ist kein Hype mehr. Sie ist Realität, und in Communities weltweit tätiger Unternehmen arbeiten teilweise bis zu 300’000 Personen.



Das Corporate Memory bringt auch ganz konkrete technische Vorteile mit sich: Das Hin und Her von E-Mails mit riesigen Attachments wird zum Beispiel massiv reduziert und die User arbeiten automatisch immer mit den aktuellsten Versionen. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Es ist immer sichtbar und jederzeit nachvollziehbar, wer etwas zu welchem Zeitpunkt geändert, ergänzt oder gelöscht hat – im Hinblick auf die Compliance mit den zunehmend strengen internationalen Richtlinien ein Muss.


Was kommt noch?

Ob neue Technologien unter den Begriffen Web 2.0, Web 3.0, Enterprise 2.0 und so weiter entwickelt werden oder nicht, ist weniger relevant als die Veränderung, die sich damit weltwirtschaftlich und auch sozial abzeichnet. Als Hersteller von Dokumentenmanagementsystemen können wir dies nach jahrzehntelanger Entwicklung mit Sicherheit voraussagen. Wir stehen vor einem neuen Durchbruch, der das Dokumentenmanagement und das soziale und arbeitstechnische Verhalten nachhaltig verändern wird.


Der Autor

Daniel Kraft ist Senior Vice President Corporate Strategy beim DMS- und Knowledge-Management-Spezialisten Open Text.




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