Editorial

Bezahlen für dieses Internet kommt nicht in die Tüte

Schweizer Verlagshäuser wollen für ihre Inhalte Geld verlangen. Nur, man kann gewisse Entwicklungen nicht einfach so ungeschehen machen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/24

     

Es hat lange gedauert, bis die Internet-Firmen auf die Idee gekommen sind, dass man wohl Geld verdienen müsste, um langfristig überleben zu können. Die Online-Werbung war es bislang nicht, welche die Kassen klingeln liess. Und erst jetzt, da ein New-Economy-Unternehmen nach dem anderen den Löffel abgibt, versucht man das Portemonnaie der Internet-User anzuzapfen. Auch Schweizer Verlagshäuser wollen für ihre Inhalte Geld verlangen. Nur, man kann gewisse Entwicklungen nicht einfach so ungeschehen machen.



Längst hat es sich etwa eingebürgert, Musik über das Netz auszutauschen. Dass für Napster bald ein Obolus fällig wird, mag zwar für Bertelsmann wichtig sein, um wenigsten ein bisschen Knete für die selbst verlegte Musik zu erhalten. Das Gros der Internet-Community schert sich aber einen Deut darum. Das Kopieren von Musik hat eine lange Tradition, die mit den Tonbändern ihren Anfang genommen hatte und mit Napster so komfortabel wie noch nie geworden ist. Da sich nun aber die Mehrzahl der Napster-User samt MP3-Dateien verabschiedet hat, kann man sich auch mit einer gewöhnlichen Suchmaschine behelfen, um Audio-Files aufzuspüren. Und wenn es sogar die leistungsfähige Engine von Google ist, wird es beinahe wieder komfortabel. Vom aufstrebenden File-Sharing-Dienst Gnutella ganz zu schweigen.




Nicht viel anders sieht es bei weiteren Erzeugnissen aus, die im Internet feilgeboten werden. Wieso sollte man plötzlich für News oder irgendwelche strömenden Daten (Streaming Media) bezahlen müssen, fragt sich der geneigte Surfer. Gut, das älteste Gewerbe der Welt ist seinem Namen und Ruf auch im Internet von allem Anfang an gerecht geworden. Im Rotlichtbezirk des Internet wird für die virtuellen Liebesdienste seit jeher bezahlt: "Sex sells!" So mancher saubere Geschäftsmann hätte von den Cyber-Zuhältern im World Wide Web einiges lernen können. Jetzt nachträglich für den Inhalt, der gratis war, einfach Geld zu verlangen, geht nicht - ohne dass ein klarer Mehrwert geboten wird, kommt Bezahlen nicht in die Tüte. Aber wie soll dieser Added-Value aussehen? Das weiss heute noch niemand so genau. Zugegeben, die Suche nach einer griffigen Strategie ist nicht einfach. Erschwerend kommt hinzu, dass digitale Informationen in der Regel sehr einfach zu kopieren und weiter zu verteilen sind: Exklusivität zu bieten, ist im Internet kein einfaches Unterfangen.



Allerdings wäre der jetzige Zeitpunkt nicht schlecht, kostenpflichtige Angebote einzuführen. Die Breitbandzugänge stehen kurz davor, zur Auffahrtsrampe für die Masse zu werden. Vorbei die Zeit der ruckelnden Streaming-Media-Inhalte. Wenn neben der technischen Qualität auch die inhaltliche stimmt, wären die User vielleicht sogar bereit etwas zu zahlen.



Trotzdem, welche Inhalte könnten das sein? Am ehesten wären fachspezifische Informationen denkbar, die qualitativ einzigartig sind, wie die bereits kostenpflichtigen Inhalte des Wallstreet Journal. Aber damit erreicht man nicht die breite Masse. Gespannt warten wir also, welche Lösungswege aus dem finanziellen Schlamassel die Schweizer New-Economy-Manager finden werden. (Seite 15)




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