Wenn der Personalbestand das Gleichgewicht verliert

Der Fluktuation, und besonders deren Eindämmung, kommt in der von Spezialisten geprägten IT-Branche eine besondere Bedeutung zu.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/18

     

Gerade in Zeiten der Hochkonjunktur ist dem Personalmanagement und der Eindämmung der Fluktuationsraten äusserste Beachtung zu schenken. Gerade in der IT-Branche, wo Spezialisten viel zu rar sind, sollten sich Personalverantwortliche vermehrt Gedanken darüber machen, mit welchen Massnahmen innerbetriebliche Unstimmigkeiten und Schwachstellen korrigiert werden können.



Als Hauptfaktoren für eine hohe Fluktuation sind in erster Linie Fehlplazierungen und Unterbesetzungen anzuführen. Weitere Gründe liegen bei fehlerhaftem Personalmanagement oder bei mangelnder Führungskompetenz. Überbetriebliche Ursachen wie Branche, Region, Infrastruktur oder betriebliche Gründe wie Unzufriedenheit mit dem Arbeitsinhalt, Arbeitszeit, Entlöhnung oder unbefriedigende Zusammenarbeit, aber auch Störungen in persönlichen Beziehungen, führen unweigerlich zu innerlichen Kündigungen, wobei es dann nur noch eine Frage der Zeit ist, bis es zum definitiven Austritt kommt.




"Für Informatiker war der Markt schon immer gut. Sich jedoch in der Flut von Angeboten zurecht zu finden, war immer schwierig. Deshalb sind auch Spezialisten für die Eruierung des richtigen Arbeitsplatzes nötig," sagt Daniele Bardaro, IT-Personalberater, Uniwork, Zürich.



Eine hohe Fluktuation hat meistens für den Arbeitgeber die schlimmeren Folgen als für den Arbeitnehmer, da sich die Produktivität, die Konzentration und die Gruppendynamik durch das Ausscheiden oder Eintreten von Mitarbeitern verändert und Wissen verloren geht.


Die Attraktivität des Arbeitgebers ist entscheidend

Um hohe Fluktuationsraten einzudämmen, muss man primär die Ursachen ermitteln. Eine Fluktuationsstatistik sollte sowohl qualitative Daten für die Personalbedarfsermittlung als auch Informationen über Betriebsklima und Führungssystem liefern.



Kündigungsgedanken kommen relativ häufig vor. Dies ist von hoher Bedeutung, da solche Aspekte relativ leicht erhoben werden können, etwa im Rahmen von Mitarbeitergesprächen. Besondere Beachtung sollte der Zufriedenheit, der Motivation und den Zukunftsperspektiven für die Mitarbeiter geschenkt werden. Auch innerbetriebliche Wechsel als Alternative zum Verlassen der Firma sollten in Betracht kommen.




Gerade in der IT-Branche, die sich in sehr engen Arbeitsmärkten bewegt, ist die Attraktivität als Arbeitgeber von entscheidender Bedeutung. Zum einen wird eine hohe Zufriedenheit bei den Mitarbeitern erzielt, zum anderen steigt mit erhöhter Attraktivität der Unternehmen die Möglichkeit, qualifizierte Bewerber für sich zu gewinnen.



Beat Schwab, Personalverantwortlicher bei Microsoft Schweiz: "Bei Microsoft liegt die Fluktuationsrate im Moment bei 10 Prozent. Wir schätzen den IT-Durchschnitt auf etwa 15 Prozent. Eine Null-Prozent-Fluktuation wäre negativ für ein Unternehmen, insbesondere in der IT-Branche mit ihrem schnellen Entwicklungstempo. Wenn die Fluktuation aber eine bestimmte Grösse übersteigt, verliert man immer auch gute Leute, auf die man nicht verzichten möchte."




Angepasste Laufbahnsysteme

Um den hohen Herausforderungen als Arbeitgeber gewachsen zu sein, empfiehlt es sich, über ein integriertes Personalentwicklungs-, Karriere- und Vergütungssystem nachzudenken. Denn gerade Mitarbeiter im IT-Bereich als Spezialisten werden oftmals von üblichen Karrierestufen ausgegrenzt, insbesondere, weil manche hochqualifizierte Arbeitskraft nicht für Personalführung geeignet ist, beziehungsweise dies nicht zu den Entwicklungswünschen gehört. Das bedeutet, dass Gehaltsanpassungen nicht oder nur in zu geringem Ausmass stattfinden, und dies trotz gestiegenem Wissen der Mitarbeiter. "Jede Firma will gute Informatiker, aber Informatiker wollen sich entwickeln, und jeder der eine Weiterbildung macht, will diese auch umsetzen," sagt Daniele Bardaro. "Auch wenn dem Mitarbeiter die Arbeit gefällt, entsteht vielfach Fluktuation, wenn keine Entwicklungsmöglichkeiten bestehen. Grössere Unternehmen haben bessere Möglichkeiten, Mitarbeiter intern umzuplazieren. Ausserdem findet immer mehr Auslagerung statt, weil die Firma keine Mitarbeiter findet."



Neben der Führungslaufbahn im Sinne einer traditionellen Laufbahnentwicklung durch Übernahme von Personalverantwortung sollten sich die Entscheidungsträger mit dem Gedanken auseinander setzen, eine Projektlaufbahn zu implementieren, die als Beurteilungskriterium zur Identifikation von Führungspersonal dient.




Für hochqualifizierte Spezialisten, die für Personalaufgaben und administrative Vorgänge wenig Neigung, beziehungsweise Eignung besitzen, bietet hingegen die Fachlaufbahn einen Anreiz, womit die Befriedigung in der Stärkung der fachlichen Kompetenz gefunden wird. Und je höher die fach- und persönlichkeitsbezogenen Fähigkeiten eines Mitarbeiters sind, desto stärker sollte sich dies in einer Erhöhung des Grundgehaltes niederschlagen. Ausserdem sollten Mitarbeiter im unteren Segment des Gehaltsspektrums, relativ gesehen, eine stärkere Erhöhung des Grundgehaltes erhalten. Durch diesen degressiven Verlauf wird zum einen gewährleistet, dass neu in eine Laufbahnstufe einsteigende Mitarbeiter stark motiviert werden und zum anderen wird ein zu schneller Wechsel eines Mitarbeiters in ein anderes Gehaltsspektrum verhindert. Beat Schwab: "Um die Fluktuation im Rahmen zu halten, trifft Microsoft verschiedene Mitarbeiterförderungsmassnahmen wie Trainings für Mitarbeiter, Entwicklungsprogramme, Managementtrainings, Befragungen und monetäre Geschenke."



Daniele Bardaro schätzt, dass es mittelfristig keine Veränderungen geben wird. Er begründet diese Prognose mit der Schnelllebigkeit und Komplexität der IT-Branche. Ausserdem seien zur Zeit noch zu wenig Unternehmen bereit, Fachpersonal auszubilden. Und Quereinsteiger seien unbeliebt, weil den Firmen die Zeit für die Einarbeitung fehle.



Microsoft beurteilt die Zukunft für sich etwas positiver. Man habe dank des guten Firmennamens, der klaren Vision und bekannten Produkte vielleicht einen etwas leichteren Stand als andere in der Branche. Generell sei und werde es auch in Zukunft für ein Unternehmen in der Wachstumsphase schwierig bleiben, überdurchschnittlich gute Leute zu finden, und dabei gleichzeitig die bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern und zu pflegen.



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