Call Center: Der direkte Draht zur Kundschaft
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/16
Vor 15 Jahren galt noch das Telefon als der Königsweg, um Kunden zu binden oder zu gewinnen. Heute sind Hotline und Reklamationsbearbeitung, Telesales, Bestell- oder After-Sales-Services unter dem Namen Call Center zusammengefasst und haben nur noch wenig mit dem traditionellen Telefondienst zu tun. Eine Studie von Datamonitor zeigt, dass der telefonische Kundendienst sowie der Telefonverkauf mittels Call Center eine enorme Bedeutung für die Beziehung zu den Kunden haben. 68 Prozent der Kunden würde nicht von sich aus ein weiteres Mal Kontakt mit der Firma aufnehmen und warten, bis sie angerufen werden. Gut geführte Telefongespräche und ein offenes Ohr für Kundenwünsche und Probleme sind unabdingbar. Die Anforderungen an die Call Center steigen, auch an Organisation und Mitarbeiter.
Call Center werden als Instrument für die kostengünstigste und dennoch optimale Kundenbetreuung strategisch immer wichtiger. Immer mehr Unternehmen setzen Call Center ein, um den Kundenservice, den Vertrieb und die Kostenstrukturen zu verbessern. Denn, einen Kunden neu zu gewinnen kostet das 10- bis 20fache dessen, was die Pflege eines bestehenden Kunden an Kosten verursacht. Die Firmen reagieren damit auf gestiegene Kundenansprüche, auf sich schnell wandelnde Märkte und auf die neuen technischen Möglichkeiten der multimedialen Vernetzung. Der Einsatz von Call Centern, verbunden mit einer Umgestaltung der Geschäftsprozesse, soll die Produktivität steigern und die Dienstleistungsqualität erhöhen.
Angelika Mittermüller, Consultant des Call-Center-Instituts in Cham, hat 1999 prophezeit, dass sich bis 2001 die Zahl der Call-Center-Angestellten verdoppeln würden. Auch heute noch ist sie der Meinung, dass die Branche stark gewachsen ist. "Leider gibt es keine genauen Erhebungen", sagt die Fachfrau, "wir können aber eine hohe Zunahme erkennen. Die Definition Call Center ist unklar. Was für den einen noch unter Kundendienst geht, ist für den andern bereits ein Call Center."
Grosse Call Center, die für mehrere Branchenzweige arbeiten, sowie die Technik und Komplexität der Aufgaben, verlangen nach Spezialisten. Der ideale Call-Center-Agent muss belastbar, flexibel, flink und kommunikationsfreudig sein. Für die webbasierte Kommunikation wäre wohl der Web-Agent ideal, der nicht nur fit ist im Navigieren auf Internet-Seiten, sondern Rechtschreibung und die schriftliche Beantwortung von E-Mail-Anfragen beherrscht, organisieren kann und am besten noch mehrsprachig ist. Für die Betreuung am Telefon ist der kommunikative, mehrsprachige Profi mit der freundlichen und angenehmen Telefonstimme gefragt.
Er ist sowohl In- als auch Outbound einsetzbar, um eine gleichbleibend hohe Produktivität in allen Medien sicherzustellen. Auch der Umgang mit diversen Datenbanksystemen stellt für ihn kein Problem dar.
In vielen Call Centern wird rund um die Uhr gearbeitet. Je nach Wochentag und Saison schwankt die Anruffrequenz. Es wird im Schichtdienst gearbeitet, was ein hohes Mass an Belastbarkeit voraussetzt.
Für Firmen, die Wert auf topausgebildetes Personal legen, bietet das Call-Center-Institut seit zwei Jahren einen Lehrgang für Call-Center-Agents an. Es wird kundenorientiertes Denken, der Umgang mit Stress und Flexibilität geschult, aber auch gezeigt, wie der Anrufer "emotional aufgefangen" werden kann, wie man Verantwortung übernimmt oder wie man mit Reklamationen umgeht.
Ab Ende 2001 soll dieser Lehrgang sogar mit einem schweizweit anerkannten Diplom abgeschlossen werde können.
Laut einer unlängst veröffentlichten Studie der Hamburger Unternehmensberatung Mummert & Partner kommt die Jobmaschine Call Center in Deutschland bald kräftig ins Stottern. Nach diesen Angaben sind auf Grund neuer Technologien etwa 50 Prozent der derzeitigen Call-Center-Arbeitsplätze gefährdet. Sprachcomputer, so stellen Forscher vor, übernehmen die Routinearbeiten der Agents. "In der Schweiz hinken wir zwei Jahre hintennach. Aber auch wir schätzen, dass in zwei Jahren der Call-Center-Markt stagnieren wird", sagt Angelika Mittermüller zur Voraussage von Mummert. "Auf jeden Fall werden es vor allem schlecht ausgebildete Call-Center-Agents zukünftig schwer haben, während hoch qualifizierte Kräfte auf der Sonnenseite stehen."