Editorial

Der 100-Dollar-Laptop für die globale Solidarität


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/03

     

Nicholas Negroponte hat den ersten Schritt geschafft. Sein Laptop-Prototyp, der rund 100 Dollar kostet, beherrscht alle Grundfunktionen eines normalen Computers. Nun muss er das Modell in die Marktrealität überführen. Mit anderen Worten: Er muss dafür sorgen, dass Millionen solcher Laptops den Weg zu den Schulkindern in den Entwicklungsländern finden –ein steiler und steiniger Weg.





Negroponte ist eine allseits respektierte Grösse in der IT-Welt. Der Gründer des Media-Lab am MIT hat einige der wichtigsten Technologie-Trends vorausgesagt. Und er hat an vielen Projekten teilgenommen, die sich zum Ziel gesetzt haben, moderne Technologien in ländliche Regionen in Kambodscha, Kaschmir und Bangladesch zu bringen. Als er im Januar 2005 am WEF in Davos seine Vision eines 100-Dollar-Laptops zwecks Überwindung des digitalen Grabens vorstellte, bezeichneten viele dieses Vorhaben als «unmöglich» oder als «falsche Prioritätensetzung». Sind denn sauberes Wasser und medizinische Versorgung nicht viel wichtiger? Das mag sein, aber Negroponte ist nicht naiv und hat seinen Laptop nicht primär für sehr arme Länder wie Haiti konzipiert. Vielmehr denkt er dabei an aufstrebende Länder wie Brasilien, Ägypten und Thailand. Sein Argument: «Wenn wir dort die Schulbildung ändern können, können wir alles andere auch verbessern.» Im vergangenen Oktober erklärte Negroponte an der Innovationskonferenz PopTech in Miami, dass er, sein Team und Sponsoren nahe daran seien, einen funktionierenden Prototypen fertigzustellen. Im November am UNO-Gipfel zur Informationsgesellschaft in Tunesien (ansonsten ein kompletter Fehlschlag) präsentierte er diesen Prototypen.






Der 100-Dollar-Laptop sieht aus wie ein normales Notebook. Es ist Linux-basiert und verfügt über drahtlose Konnektivität. Das Originellste ist seine Stromversorgung: Bei fehlender Elektrizität kann er mit einer Kurbel betrieben werden. In wenigen Minuten kann der Laptop damit aufgeladen werden, so dass er sich eine Stunde lang nutzen lässt. Diese Technik wurde vor einigen Jahren für den Betrieb von Radios entwickelt.
Es ist allerdings noch nicht klar, wo und wie die Geräte hergestellt und vertrieben werden sollen –und wer Infrastruktur, Support und Schulung beisteuern wird. Auch kulturelle Faktoren dürften Schwierigkeiten bereiten. Aber: Es ist bemerkenswert, in welch kurzer Zeit der Prototyp entwickelt wurde. Natürlich ist der 100-Dollar-Laptop nicht «die» Antwort auf die Frage, wie der digitale Graben überwunden werden kann. Aber er ist eine, die zeigt, wie Technik modifiziert werden kann, damit sie den Gegebenheiten in Übergangsländern entspricht.





Selbstverständlich stellt sich noch die Frage «Wer soll das bezahlen?» Negroponte setzt mit der Non-Profit-Organisation One Laptop Per Child auf Gönner, Unternehmen, Regierungen und die Weltbank. Oder vielleicht spendiert jeweils ein Schulkind in der industrialisierten Welt einem Kind im Süden einen Rechner? Das wäre, mit den Worten von Kofi Annan, ein wirklicher «Ausdruck globaler Solidarität».




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