Novell Groupwise 7: Der Verfolger

Fast zeitgleich mit Lotus Domino kommt Novell mit Groupwise 7 auf den Markt. Es reicht aber nicht zum erfolgreichen Herausforderer.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/19

     

Im Markt der Messaging- und Groupware-Lösungen gibt es seit Jahren mit Lotus Domino und dem Microsoft Exchange Server zwei dominierende Produkte, während Novell bisher nur die Rolle des Verfolgers einnehmen konnte. Novell zeigt sich zwar zufrieden mit der Marktentwicklung, aber die Lücke zu den beiden führenden Anbietern ist zumindest beim Blick auf die Marktanteile gross – je nach Analyst und betrachteten Unternehmen haben Lotus und Microsoft zusammen einen Marktanteil, der zwischen 73 und
89 Prozent des Gesamtmarktes liegt. Das soll sich mit Groupwise 7 und mit der gesamten Linux-Strategie von Novell ändern. Novell positioniert sich einerseits als Lieferant von Lösungen für heterogene Plattformen, andererseits aber auch als Spezialist im Linux-Umfeld. Ob diese Rechnung aufgehen wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass Groupwise 7 im Vergleich zur Vorversion mit etlichen wichtigen Neuerungen aufwarten kann.


Die Architektur

Groupwise 7 unterscheidet sich von seinen Mitbewerbern in der Architektur grundlegend. Während sowohl der Exchange Server als auch Lotus Domino recht monolithische Blöcke sind, die auf einem oder mehreren Servern ausgeführt werden, wartet Groupwise 7 auch weiterhin mit einer Architektur auf, die eher an klassische Mail-Systeme erinnert, auch wenn die enge Integration mit dem Novell eDirectory dem System eine Ausnahmestellung beschert.
Die Lösung arbeitet mit Mail-Datenbanken, die auf File-Servern gespeichert werden, wobei der Zugriff auf diese Datenbanken in der Regel nur über lokale Agenten erfolgt, so dass keine Freigabe des Zugriffs aus dem Netz auf die Verzeichnisse erfolgen muss. Auf den Servern laufen Agents, wobei die wichtigsten der POA (Post Office Agent) und der MTA (Mail Transfer Agent) sind. Ersterer verarbeitet Anforderungen von Usern, letzterer insbesondere die Kommunikation zwischen verschiedenen Servern. Zusätzlich gibt es weitere Agenten wie den Internet Agent, der Anforderungen aus dem Internet verarbeitet.






Die Konfigurationsinformationen von Groupwise werden zwingend im eDirectory gespeichert. Die ConsoleOne ist auch das wichtigste Administrationswerkzeug für Groupwise 7, was insofern etwas überrascht, als sich Novell eigentlich von dieser Anwendung verabschieden wollte und viele neue Dienste nicht mehr über die ConsoleOne konfiguriert werden können. Auch bei ZENworks 7 wurde zumindest bei der DesktopManagement-Komponente der Abschied von der ConsoleOne eingeläutet. Interessant ist aber, dass die Authentifizierung von Benutzern nicht unbedingt gegen das eDirectory erfolgen muss. Hier können auch andere LDAP-Verzeichnisse verwendet werden. Das eDirectory spielt also gegebenenfalls nur eine untergeordnete Rolle als spezielle Komponente, die für die Nutzung von Groupwise benötigt wird.


Der Installationsprozess – komplex und fehlerträchtig

Die erste Herauforderung bei Groupwise 7 ist die relativ langwierige Installation, da zunächst ein Softwareverteilungsverzeichnis erstellt werden muss, in dem die Dateien für verschiedene Dienste und optional auch für die Clients liegen. Anschliessend müssen die Serverdienste und danach noch die Agenten und Clients eingerichtet werden. Der erste Teil der Installation wird über einen Assistenten gesteuert, bevor die ConsoleOne geladen wird, in der ein weiterer Assistent durch die restliche Konfiguration leitet. Dabei ist eine exakte Planung zwingend erforderlich, weil sich beispielsweise die Adressen von POAs nicht mehr ohne weiteres ändern lassen, bevor man diese erfolgreich gestartet hat. Probleme bereitet auch die Trennung von POAs und Datenbanken. Vor allem bei der Einrichtung verteilter Umgebungen mit mehreren Servern muss daher eine genaue Konzeption im Vorfeld erfolgen.
Leider traten bei mehreren Installationsprozessen – unter genauer Beachtung der Anleitungen – dennoch Fehler auf, weshalb der Aufwand im Vergleich sowohl mit Notes/Domino als auch dem Ex-change Server relativ hoch war. Hin-zu kommen nicht aussagekräftige Fehlermeldungen, wenn beispielsweise die Authentifizierung am Client das dritte Mal in Folge fehlgeschlagen ist. Auch die Informationen, die vom POA auf dem Server angezeigt werden, sind nicht sonderlich aussagekräftig. Andererseits hat sich das System als stabil gezeigt, nachdem es erst einmal lief.


Die neuen Funktionen

Groupwise 7 weist in allen Bereichen deutliche Verbesserungen auf. Besonders auffällig sind sie bei den Clients. Der Windows Client hat eine gründlich überarbeitete Oberfläche mit neuer Navigationsleiste und sehr viel mehr Konfigurationsoptionen für das Aussehen. Der Web Access Client hat nun eine Funktionalität, die sich hinter der des Windows Client nicht verstecken muss und ist diesem auch optisch ähnlich geworden. Auch der Cross Platform Client wurde funktional dem Windows Client weiter angeglichen. So gibt es nun auch dort umfassende Features für die Spam-Verarbeitung.






Viele der neuen Einstellungen des Clients können auch über die ConsoleOne gesteuert werden. Dort kann beispielsweise zwischen der neuen Optik und dem Aussehen von Groupwise 6.5 gewechselt und die Messenger-Integration aktiviert und deaktiviert werden. Der Messenger ist eine ergänzende Serverkomponente für das Instant Messaging, die gesondert lizenziert wird. Wichtig ist auch die Möglichkeit, Signaturen nun global für alle Clients zu steuern, so dass bestimmte Disclaimer zwingend vorgegeben werden können.
Beim POA sind drei Neuerungen hervorzuheben. Die Komponente unterstützt nun High-Availability-Funktionen in grösserem Umfang, wobei bei Linux ein spezieller Dienst den Status der Agents überwacht und diese bei Bedarf neu startet. Die zweite wichtige Änderung ist die höhere Zahl von Datenbanken, die vom POA erzeugt werden kann. Sie liegt nun bei 255 statt bisher 25. Die wohl interessanteste Änderung ist aber die Unterstützung für SOAP. Damit können Mail Clients wie Evolution auf den POA über Web Services zugreifen.


Es reicht nicht an die Spitze…

Eine Stärke von Groupwise 7 ist die breite Plattformunterstützung. Während es bei Notes 7 beispielsweise zumindest zunächst keine Macintosh-Version gibt, kann Groupwise nicht nur mit einem Macintosh-, sondern auch mit einem Linux-Client aufwarten, weil der Cross Platform Client beide Systemumgebungen unterstützt. Auch die Browser-Unterstützung ist ungewöhnlich breit, was aber eine Konsequenz der generellen Produktstrategie von Novell ist.
Beim Server sind die Unterschiede zwischen den Windows- und NetWare-Versionen auf der einen Seite und der Linux-Variante auf der anderen aber recht gross, was Installations- und Administrationsprozesse betrifft.






Wenn man alle Funktionen vergleicht, dann spricht die Unterstützung heterogener Umgebungen zwar für Groupwise. Allerdings wird zwingend das eDirectory benötigt – ein Argument, das ebenso wie das erforderliche Active Directory beim Exchange Server für Lotus spricht. Eine Alleinstellung hat Groupwise durch das integrierte Dokumenten-management, das es in dieser Form – und ohne Add-ons – bei keinem der anderen beiden Produkte gibt.
Insgesamt gesehen sind aber sowohl die Installation und Administration als auch die Funktionalität nicht völlig überzeugend. Groupwise ist ein gutes Produkt, mit dem man gut und sinnvoll arbeiten kann und bei dem auch der neue Web Access Client gefällt, aber im Vergleich mit den direkten Wettbewerbern kann es insgesamt nicht so überzeugen. Novell wird also wohl auch weiterhin bei den Marktanteilen deutlich hinter Microsoft und IBM Lotus liegen. Eine Einbeziehung von Novell Groupwise 7 in die engere Auswahl ist aber sicher kein Fehler, denn es ist eine der wenigen echten Alternativen zu den Platzhirschen.




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