Nonnen als Terroristen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/18
Software macht aus Nonne eine Verbrecherin. So titelte unlängst die «SonntagsZeitung» zu einem Beitrag über die 62jährige Schwester Glenn Anne McPhee, die über Monate auf US-Flughäfen wie eine Schwerverbrecherin behandelt wurde, weil der Computer am Check-in sie als afghanischen Terrorverdächtigen identifizierte, der den Namen McPhee benutzte. Ursache für die Verwechslung war freilich nicht eine Software, sondern Mängel in der verwendeten Terrorverdächtigen-Datenbank: Die sonst üblichen Zusatzangaben zum Decknamen wie Geburtsdatum oder Passnummer fehlten.
Nicht nur US-Fluggesellschaften arbeiten mit mangelhaften Datenbeständen, auch wenn die Konsequenzen selten so spektakulär sind wie im Falle von Schwester Glenn Anne McPhee. In einer Erhebung der Marktforschungsfirma Dynamic Markets räumten 86 Prozent der befragten mittleren und grösseren Betriebe ein, dass die Qualität ihrer Kundendaten nicht genüge, um daraus wirklich verlässliche Aus- und Vorhersagen über das Kundenverhalten zu generieren. Fünf Prozent gaben an, dass sie überhaupt nicht wüssten, in welchem Zustand ihre Kundendaten seien. Deren schleichender Zerfall ist allerdings sicher. Nach Aussagen von Experten werden zum Beispiel jeden Monat im Schnitt 2 Prozent einer Endkundendatei obsoletet, weil die betroffenen Personen sterben, sich scheiden, heiraten oder umziehen. Hinzu kommen Eingabefehler, mangelhafte Schnittstellen und technische Probleme.
Diese Erkenntnisse sind nicht erstaunlich. Jeder, der sich schon einmal mit der Konzipierung oder Migration von Datenbanken, Datenerfassungssystemen und Schnittstellen auseinandergesetzt hat, weiss um die Schwierigkeit der Qualitätssicherung von Daten. Etwas erstaunlicher ist die diesbezügliche Haltung vieler Firmen und Behörden. Die wenigsten Betriebe haben in diesem Bereich klare Zuständigkeiten definiert. In der vorgenannten Umfrage gaben fast zwei Drittel der Firmen an, es würde ihnen an den nötigen Ressourcen und der Zeit fehlen, um die Datenbestände sauber zu halten. Gleichzeitig sind aber rund 60 Prozent der Ansicht, dass verlässliche und aussagekräftige Daten für die Zufriedenheit der eigenen Klientel sowie den Schutz des guten Rufs wichtig seien. Und 51 Prozent sehen in sauberen Datenbeständen sogar die Möglichkeit, Kosten zu sparen.
Trotzdem wird viel mehr Geld in neue CRM-Systeme und andere Anwendungen investiert, anstatt in die eher undankbare Aufgabe, bestehenden Datenbestände zu bereinigen, sie à jour zu halten und sicherzustellen, dass neue Daten von hinreichender Qualität sind. Dabei wird übersehen, dass das eine die Voraussetzung des anderen ist: Ein CRM-System wird nur dann befriedigende Resultate bringen, wenn die Qualität der zugrundeliegenden Daten stimmt. Mit der zunehmenden Vernetzung der Anwendungen und Datenbestände können sich die Auswirkungen mangelhafter Daten über Folgetransaktionen potenzieren. Dabei geht es keineswegs nur um Personendaten, für die das Datenschutzgesetz ausdrücklich vorschreibt, dass ein Betrieb sich vor ihrer Verarbeitung von ihrer Richtigkeit zu vergewissern hat. Auch
Finanzdaten können betroffen sein, etwa wenn Abrechnungsdaten aus operativen Systemen über unzureichend abgesicherte Schnittstellen in die Buchhaltungssysteme einfliessen und Fehler nicht erkannt werden. Die Folge: Die Finanzlage des Unternehmens wird in den Büchern falsch wiedergegeben, was nicht nur zu peinlichen, sondern auch teuren Korrekturaktionen führen kann.