Vertragsausstieg: Ende ohne Schrecken


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/17

     

Beim Abschluss des Outsourcing-Vertrages liegt das Ende des Projekts in weiter Ferne, weshalb dessen Regelung oft vernachlässigt wird. Dies kann sich verheerend auswirken, da es den Parteien im Fall einer Konfliktsituation kaum mehr gelingen wird, sachgerechte und ausgewogene Lösungen für die geordnete Vertragsbeendigung zu finden. Deshalb muss bereits bei Entwurf, Verhandlung und Abschluss des Outsourcing-Vertrages den Beendigungsszenarien gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden.




Das Outsourcing von IT-Systemen und -Dienstleistungen hat in der Schweiz grosse Verbreitung gefunden. Gemäss einer kürzlich durchgeführten Erhebung (Swiss IT-Outsourcing Survey 2003) haben zwei Drittel der angefragten Unternehmen ihre IT ganz oder teilweise ausgelagert. Ungeachtet dieser Popularität lässt die Zufriedenheit mit dem IT-Outsourcing oft zu wünschen übrig: Nicht einmal die Hälfte der angefragten Unternehmen wertete das Outsourcing-Projekt als Erfolg; auch konnte nur in jedem zweiten Projekt ein positiver Return on Investment erzielt werden. Mehr als die Hälfte der Unternehmen gab überdies ihre Absicht kund, künftig einen anderen Provider auszuwählen.


Kein blinder Verlass aufs Gesetz

Wegen der Unzufriedenheit mit dem IT-Outsourcing im allgemeinen oder mit dem Provider im besonderen erwägen zahlreiche Unternehmen, die ausgelagerten Bereiche wieder bei sich selbst zu integrieren respektive auf einen anderen Provider zu übertragen. Mit dem IT-Outsourcing wird eine langfristig ausgerichtete und auf gegenseitigem Vertrauen basierende Beziehung aufgebaut. Die Parteien begeben sich dabei in eine gegenseitige Abhängigkeit, bei der das Unternehmen zentrale Elemente der Wertschöpfungskette und damit verbundenes Know-how dem Provider anvertraut und dieser personelle und materielle Ressourcen zur Leistungserbringung aufbaut. Die Beendigung muss daher frühzeitig und vorausschauend geplant werden, um in Krisensituationen einem Schrecken ohne Ende vorzubeugen.



Der Outsourcing-Vertrag zählt nicht zu den im Obligationenrecht (OR) explizit geregelten Vertragstypen. Die Zuordnung zu einem der gesetzlichen Typen bereitet Probleme, da beim Outsourcing eine Vielzahl von Elementen unterschiedlicher Verträge (z.B. Kauf, Miete, Werkvertrag, Auftrag) vorzufinden ist. Überdies passen gerade die
Beendigungsmechanismen der im OR geregelten Typen nicht. So sieht etwa das Auftragsrecht zwingend eine jederzeitige Beendigungsmöglichkeit vor, die quer zum Outsourcing als Dauerschuldverhältnis steht.




Wegen ungenügender gesetzlicher Ordnung kommt der vertraglichen Regelung der Beendigungsszenarien grosse Bedeutung zu. Der Outsourcing-Vertrag muss Klauseln über die ordentliche und ausserordentliche Beendigung enthalten, wobei sowohl Voraussetzungen wie Rechtsfolgen eingehend und unter Beachtung der Eigenheiten des IT-Outsourcing zu regeln sind. Weiter sollte der Outsourcing-Vertrag Bestimmungen über eine allfällige (Rück-)Übertragung der IT-Infrastruktur und über die vom Provider zu leistende Unterstützung bei Vertragsbeendigung beinhalten.




Aufs Timing kommt es an

Outsourcing-Verträge werden selten auf feste Dauer, sondern in der Regel auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Empfehlen kann sich deshalb die Vereinbarung einer Mindestlaufzeit, die die Etablierung der neu aufzubauenden Outsourcing-Beziehung ermöglicht und die Amortisierbarkeit anfänglicher Investitionen durch den Provider sicherstellt.



Bei der Regelung der ordentlichen Beendigung steht die Frage nach Beendigungstermin und Kündigungsfrist im Vordergrund. Der Termin sollte so fixiert werden, dass die Beendigung für beide Seiten reibungslos verläuft; eine Beendigung etwa per 31. Dezember könnte wegen anstehender Jahresendverarbeitungen und ferienbedingter Personalengpässe Probleme bereiten. Die Kündigungsfrist ist ausserdem so festzusetzen, dass sie dem Unternehmen den Transfer des ausgelagerten Bereichs auf einen neuen Provider respektive das "Backsourcing" ermöglicht und den bisherigen Provider in die Lage versetzt, Überkapazitäten abzubauen oder anderweitig einzusetzen; eine Kündigungsfrist von drei Monaten wird dafür meist zu kurz sein.





Vorzeitige Beendigung als Knacknuss

Aus wichtigen Gründen kann der Outsourcing-Vertrag kraft Gesetz vorzeitig beendigt werden. Dabei wird auf das Kriterium der Unzumutbarkeit abgestellt, dessen Anwendung in richterlichem Ermessen steht und mit Unsicherheit verbunden ist. Die Parteien sollten daher die wichtigen Gründe, die eine ausserordentliche Vertragsbeendigung rechtfertigen, möglichst abschliessend im Outsourcing-Vertrag konkretisieren:




• Aus Sicht des auslagernden Unternehmens liegen triftige Gründe primär bei wiederholter oder qualifizierter Nichterreichung von Service Levels oder gravierender Verletzung von Nebenpflichten (beispielsweise betreffend Geheimhaltung) durch den Provider vor. Bei aufsichtspflichtigen Unternehmen ist auch eine behördliche Anordnung (etwa der EBK) als Ursache denkbar.





• Für den Provider dürfte ein wichtiger Grund namentlich dann bestehen, wenn das Unternehmen zentrale Mitwirkungspflichten (wie z.B. zum Schutz der Mitarbeiter des Providers) verletzt oder sich mit Zahlungen im Verzug befindet.



Die vorzeitige Vertragsbeendigung muss eine ultima ratio darstellen. Zur Verhinderung einer unreflektierten oder unter vorgeschobenem Grund erfolgenden ausserordentlichen Kündigung sollten deshalb Abfederungsmechanismen (etwa die Möglichkeit der Sicherstellung bestrittener Forderungen) und Eskalationsprozeduren in den Outsourcing-Vertrag integriert werden. Bei den Rechtsfolgen ist zu beachten, dass eine fristlose Beendigung der Vertragsbeziehung keiner Partei dienen dürfte, denn das abrupte Ende gefährdet die Kontinuität beim Betrieb des ausgelagerten Bereichs und schafft beim Provider unvermittelt Überkapazität.


Point of Return

Bei jeder Vertragsbeendigung stellt sich auch die Frage nach dem weiteren Schicksal der IT-Infrastruktur, welche zur Leistungserbringung verwendet wurde. Der Outsourcing-Vertrag muss Aufschluss darüber geben, inwieweit das auslagernde Unternehmen zur Übernahme der Infrastruktur berechtigt oder verpflichtet ist. Der Vertrag hat sich dabei auch zu den Modalitäten des Übergangs (darunter Gewährleistung, Schutzrechte, Kosten) zu äussern. Zudem ist der Provider vertraglich anzuhalten, die spätere Übertragbarkeit der von ihm mit Drittunternehmen abgeschlossenen Verträge sicherzustellen; ansonsten besteht die Gefahr, dass die Übertragung der IT-Infrastruktur an der fehlenden Zustimmung Dritter scheitert.



Da es kaum einem Unternehmen gelingen wird, ausgelagerte Dienste ohne Unterstützung des Outsourcing-Providers wieder bei sich zu integrieren oder auf einen anderen Provider zu übertragen, muss im Outsourcing-Vertrag vereinbart werden, zu welchen Unterstützungsleistungen im Beendigungsfalle (Transfer Assistance) der bisherige Provider verpflichtet ist. Die Art der Unterstützung (beispielsweise durch Vornahme von Systemanpassungen, Datenübertragung oder Transfer von Know-how) und deren Modalitäten (wie Dauer, Umfang, Entgelt und Personalqualifikation) müssen detailliert beschrieben werden.





Daran müssen Sie denken

1. Wegen der ungenügenden gesetzlichen Ordnung führt an der vertraglichen Regelung kein Weg vorbei.



2. Bei der vertraglichen Ausgestaltung sind die Besonderheiten des IT-Outsourcing zu beachten.



3. Beendigungstermine sind vorausschauend zu wählen.



4. Die Kündigungsfrist muss hinreichend lange sein.



5. Die wichtigen Gründe einer ausserordentlichen Beendigung müssen fixiert werden.



6. Abfederungsmechanismen und Eskalationsprozeduren sind vorzusehen.



7. Eine fristlose Beendigung ist selten sachgerecht.



8. Das Schicksal der IT-Infrastruktur nach Vertragsbeendigung muss geklärt werden.



9. Der Provider ist zur Erbringung von Transfer Assistance zu verpflichten.



10. Die Beendigung darf nicht erst dann geregelt werden, wenn sie kurz bevorsteht.



Der Autor: Roland Mathys ist Rechtsanwalt bei Wenger Plattner Basel Zürich Bern.



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