Bedürfnisgerechte Standardwahl

Nicht jedes WLAN ist für jeden Standort gleichermassen gut geeignet.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/14

     

Viele CIOs stehen vor vollendeten Tatsachen: Die Frage, ob ein WLAN überhaupt in Frage kommt, ist keine mehr, da irgendwo garantiert schon einige Access Points herumstehen. Höchste Zeit, das Ganze in einen geregelten, unternehmensweiten Rahmen zu bringen.


Grundfragen der WLAN-Konfiguration

Eigentlich trivial, aber gerade bei neuen Technologien selten befolgt: Bevor über Details der Implementation entschieden wird oder gar Produkte angeschafft werden, sollten die genauen Bedürfnisse abgeklärt werden. Ein typischer Fragenkatalog für die WLAN-Evaluation umfasst neben den betrieblichen Aspekten vor allem technische Parameter:




• Wie hoch sind die Sicherheitsanforderungen - genügt WEP, braucht es WPA oder muss ein externer Directory-Service integriert werden? Nicht alle Hersteller bieten alle Features.





• Welche Wireless-LAN-Installation liegt bereits vor - sind die alten Komponenten kompatibel, oder muss alles neu angeschafft werden?




• Welche Anwendungen müssen unterstützt werden - bestehen besondere Quality-of-Service-Bedürfnisse für Voice, Video und so weiter?




• Wie viele User sind zu bedienen?




• Wer erhält WLAN-Zugang, wer nicht?




• Wie sind die Gebäude beschaffen?


Die Qual der Wahl beim Standard

Mitte 2003 sind Access Points und Funkadapter in drei verschiedenen Standards erhältlich, und das wird einige Zeit so bleiben. Neben dem bereits seit 1999 verfügbaren 11-Megabit-Equipment nach 802.11b gibt es nun auch WLAN-Komponenten mit einer Datenrate von 54 Megabit pro Sekunde, und dies gleich in zwei Varianten:




• 802.11g, vertreten zum Beispiel durch die Airport-Extreme-Serie von Apple, arbeitet im selben 2,4-Gigahertz-Frequenzband wie 802.11b.





• 802.11a-Geräte, mittlerweile bei den meisten Herstellern im Programm, nutzen dagegen den 5-Gigahertz-Bereich.



Mehr Bandbreite ist grundsätzlich immer von Vorteil. Aus diesem Grund greift man für Neuinstallationen am besten zu 802.11a - so empfiehlt es auch Forrester Research. Zwar ist 802.11g ebenso schnell und zudem rückwärtskompatibel mit 802.11b-Adaptern, aber das 2,4-Gigahertz-Band ist mit bestehenden WLANs sowie Mikrowellenherden und Bluetooth-Geräten schon reichlich belastet, was oft zu leistungsmindernden Interferenzen führt. Zudem stehen hier bloss drei nicht überlappende Kanäle zur Verfügung.



Das 5-Gigahertz-Band dagegen umfasst je nach lokaler Gesetzgebung zwischen acht und zwölf völlig unabhängige Kanäle. Damit ist man beim Aufbau komplexer WLANs mit mehreren Access Points flexibler.


Datendurchsatz und Reichweite

Beide High-Speed-Standards versprechen eine Datenrate von bis zu 54 Megabit pro Sekunde. Das gilt allerdings nur in einem recht kleinen Bereich rund um den Access Point: Bei 802.11a fällt die Rate schon nach wenigen Metern zunächst auf 48, dann auf 36 Mbit/s, die bis etwa 23 Meter erreicht werden.



Der typische User allerdings befindet sich im Abstand von rund 15 Metern und kommt damit theoretisch in den Genuss von 36 Megabit. Im 802.11b-WLAN steht die volle Datenrate von 11 Megabit bis zu rund 30 Metern zur Verfügung.




Im Vergleich zum kabelgebundenen Ethernet arbeiten 802.11-WLANS darüber hinaus mit Time-Division-Duplexing: Anders als im Kabel geht die Kommunikation zu einem bestimten Zeitpunkt immer nur in eine Richtung - Upstream- und Downstream-Verkehr müssen sich die 54 Megabit also abwechselnd teilen.



Der Durchsatz an Nutzdaten ist zudem weit geringer als die im Standard spezifizierte Brutto-Datenrate. Durch Overhead, Kollisionen und Fehlerkorrekturmechanismen sinkt die effektiv nutzbare Bandbreite auf rund die Hälfte des Nominalwerts. In einem 54-Mbit-Netz beträgt sie immerhin zwischen 20 und 30 Mbit/s; im 11-Mbit-Netz sind es gerade noch deren 4 bis 6.



Mehr ist oft besser: Zellenstruktur im komplexen WLAN




Bandbreite massgeblich

Oft wird ein WLAN vor allem auf Reichweite optimiert: Mit möglichst wenig Access Points soll möglichst viel Gebäudefläche abgedeckt werden. Da der Durchsatz mit steigender Distanz zum Access Point abnimmt, wird in einem nur auf Reichweite getrimmten Netz für manche Benutzer die Arbeit bald einmal zur Warterei. Ausser in den allerkleinsten Betrieben wird man um ein WLAN mit mehreren, im Funkradius überlappenden Access Points nicht herumkommen.



Als Basis für die Auslegung sollte dabei stets die benötigte Bandbreite dienen. Für jeden gleichzeitig aktiven User mit durchschnittlichen Aktivitäten (Zugriff auf Mail- und Fileserver, Web-Zugang, Printing) rechnet man im 54-Megabit-Netz mit je 2 Mbps Upstream und Downstream; in 11 Mbit-Umgebungen sind je 512 kBit pro Sekunde die Regel - Werte, die einem heute gängigen ADSL-Anschluss ans Internet entsprechen.




Aus der Benutzerzahl ergibt sich somit die Anzahl der benötigten Access Points: Das WLAN sollte so ausgelegt werden, dass insgesamt genügend Bandbreite zur Verfügung steht. Ist die abzudeckende Fläche gegeben, lässt sich dies mit der Anzahl installierter Access Points regulieren. Dabei ist darauf zu achten, dass benachbarte Access Points nicht den selben Funkkanal belegen - nötigenfalls muss der Funkradius der Access Points und damit die Zellengrösse durch Reduktion der Sendeleistung verkleinert werden.



Die Feinabstimmung erfolgt meist durch ein manuelles "Site Survey" - der Administrator bewegt sich mit einem Notebook, auf dem ein üblicherweise vom WLAN-Hersteller mitgeliefertes Tool zur Messung der Sendestärke läuft, durch das Gebäude, notiert sich die Werte und konfiguriert danach die Access Points um. Das ist bei mehr als einigen wenigen Access Points ein ziemlich mühsames Vorgehen und setzt einiges Know-how über die Ausbreitung von Funksignalen voraus. Unkomplizierter geht es mit einem der heute erhältlichen Tools zur WLAN-Konfiguration, die zum Beispiel von Airwave (Airwave Management Platform) und Wavelink (Mobile Manager) erhältlich sind. Diese Tools ermitteln die optimale Konfiguration automatisch und senden die Konfigurationsdaten auch gleich an die Access Points. Auch wild plazierte Access Points werden erkannt und können so leicht ausser Gefecht gesetzt werden.



802.11b versus 802.11a




Buchstabensuppe: WLAN-Standards heute und morgen

WLAN-Standards schiessen wie Pilze aus dem Boden - mit 802.11-Normen von a bis n hat die IEEE das Alphabet schon zur Hälfte ausgeschöpft. Weitere Standards wie HiperLAN2 und Bluetooth erhöhen die Verwirrung zusätzlich. Wofür stehen die einzelnen Standards, und welche Bedeutung haben sie heute und in den kommenden Jahren?



802.11

Der erste normierte Standard für kabellose Lokalnetzwerke mit 2 Mbit/s. Heute obsolet.



802.11a

54 Mbit/s im 5-GHz-Band. Trotz Verabschiedung durch die IEEE gibt es je nach Land unterschiedliche Varianten: Nicht überall sind alle zwölf möglichen Kanäle erlaubt; die maximale Sendeleistung ist ebenfalls unterschiedlich. Trotz geringerer Reichweite als 802.11g und fehlender Kompatibilität mit 802.11b ist 802.11a die technisch beste Wahl für WLAN-Neuinstallationen, auch wenn einige Hersteller in Europa noch keine 802.11a-Produkte anbieten. In der Schweiz sind 802.11a-Installationen im Frequenzbereich von 5,15 bis 5,35 GHz und einer maximalen Sendeleistung von 60 Milliwatt zulässig, falls die 802.11h-Funktionen TPC (Kontrolle der Sendeleistung) und DFS (dynamische Frequenzauswahl) nicht aktiviert sind. Mit TPC und DFS darf mit maximal 200 mW gesendet werden. Die Frequenzen von 5,47 bis 5,7265 GHz hingegen sind bis heute in der Schweiz nicht zugelassen.



802.11b

Der meistgenutzte Standard mit 11 Mbit/s im 2,4-GHz-Band. Günstiges Equipment von vielen Herstellern verfügbar. Für kleinere Installationen und alltäglichen Office-Einsatz nach wie vor eine gute Wahl.



802.11e

Quality-of-Service-Norm in Entwicklung für bessere Übertragung von Voice- und Video-Streaming-Daten im WLAN. Die Verabschiedung wird für Anfang 2004 erwartet.



802.11f

Roaming-Protokoll in Entwicklung für bessere Mobilität zwischen Access Points verschiedener Hersteller. Die Verabschiedung dieses Standards wird per Ende 2003 erwartet.



802.11g

54 Mbit/s im 2,4-GHz-Band, abwärtskompatibel mit 802.11b: 11-Mbit-Funkadapter laufen auch mit 802.11g-Access-Points, allerdings reduziert sich dann die Geschwindigkeit des ganzen WLAN auf 11 Megabit. Der Standard wurde kürzlich verabschiedet; bereits vorher erhältliche 802.11g-Karten sind jedoch unter Umständen nicht mit dem Equipment anderer Hersteller kompatibel. In der Schweiz sind 802-11g-Geräte vorbehaltlich einer definitiven Zustimmung durch verschiedene internationale Gremien bereits zugelassen.



802.11h

Erweitert 802.11a um Funktionen für das Management von Funkfrequenzen und Sendeleistungen, damit die Geräte auch den europäischen Anforderungen genügen.



802.11i

Der neue Security-Standard für WLANs. Gegenüber der lückenhaften Sicherheit der bisherigen WEP-Verschlüsselung bringt 802.11i mit dynamischer Schlüsselverteilung, besserer Authentifizierung und Verschlüsselung massive Fortschritte. Verabschiedung per Ende 2003 erwartet; bestehende Geräte können laut Herstellerangaben per Firmware-Upgrade zumindest teilweise auf 802.11i nachgerüstet werden.



802.11k

Kürzlich begonnenes Projekt zur Standardisierung der Messung und Übermittlung von Funkparametern und Netzwerkstatus in 801.11a, b und g. Wird in Zukunft das zentrale WLAN-Management und die Fehlersuche erleichtern. Heute noch nicht von Bedeutung.



802.11n

WLAN-Standard der nächsten Generation, zur Zeit in Planung. Erste Angaben versprechen einen Durchsatz von mindestens 100 Mbit/s an Nutzdaten. Im Gegensatz zu bereits erhältlichen, auf bestehenden Protokollen aufbauenden "Turbo"-Chips von Atheros und Intersil mit einer Brutto-Datenrate von 108 Mbit/s wird 802.11n von Grund auf neu entwickelt. Heute für die Praxis unbedeutend, da die Verabschiedung frühestens 2005 erwartet wird. Wie bei 802.11g wird aber schon vorher mit "pre-standard"-Geräten zu rechnen sein.



Weitere gelegentlich erwähnte Standards wie 802.11c, d, j und m dienen IEEE-internen Zwecken und haben für die Anwender keinerlei direkte Bedeutung.



Bluetooth

Obwohl diese wie 802.11b und g im 2,4-GHz-Band angesiedelte Norm mit Geräten höherer Sendeleistung und passender Software von Herstellern wie AVM auch als Alternative zu 802.11x-WLANs angeboten wird, wendet man Bluetooth besser nur für den ursprünglichen Zweck des "Personal Area Network" (PAN) an: Die schnelle, kabellose Verbindung von Mobiltelefon und PDA mit dem PC oder Peripheriegeräten wie Headsets. Vor allem der Datendurchsatz, aber auch die noch mehr als bei 802.11x fehlende Integration in die traditionelle Netzwerk-Infrastruktur machen Bluetooth für eigentliche WLAN-Anwendungen ungeeignet. Immer günstigere, kleinere und stromsparende 802.11-Chips lassen sogar vermuten, dass Bluetooth auch im PAN-Bereich langfristig Mühe haben wird, zumal die bisherigen Bluetooth-Implementationen oft mit erheblichen Interoperabilitätsproblemem zu kämpfen haben: Dass Bluetooth-Telefone und -Headsets nur selten zufriedenstellend zusammenarbeiten, ist fast schon sprichwörtlich.



HiperLAN2

Die europäische Alternative zur vom US-orientierten Gremium IEEE vorangetriebenen 802.11-Technologie. Mit einem Niveau an Sicherheit, das im 802.11-Umfeld erst mit 802.11i verfügbar sein wird, Unterstützung für zahlreiche Protokolle von IP über ATM bis FireWire sowie integrierten Quality-of-Service-Funktionen ist HiperLAN2 technisch klar überlegen. Bisher gibt es allerdings kaum entsprechende Geräte, einzelne Hersteller mit HiperLAN2-Plänen sind schon wieder ausgestiegen, und die Marktdominanz von 802.11 lässt zweifeln, ob sich diese europäische Norm selbst in Europa je durchsetzen wird.



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