Erfolgreiches CH-Team an der Berufs-WM

Hart kämpften die Teilnehmer der Berufsweltmeisterschaft in St.Gallen um die begehrten Medaillen und Diplome.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/13

     

Es war mucksmäuschenstill in der Halle 1.1 der Olma. Spannung lag in der Luft. Informatiklehrlinge aus 37 Nationen sassen in Reih und Glied an ihren Tischen, die jeweils mit der Landesflagge des Teilnehmers geschmückt waren, und starrten konzentriert auf den Bildschirm. Voller Eifer lösten die jungen Berufsleute die ihnen zugeteilten Aufgaben und versuchten, sich von den tuschelnden Zuschauern nicht ablenken zu lassen.


Vier Informatikberufe an der WM

Auch in den andern Messehallen war viel los. Insgesamt 690 Kandidaten aus 37 Nationen und 44 Berufen nahmen vom 19. bis 22.Juni an der Berufsweltmeisterschaft in St.Gallen teil. Das Olma-Areal präsentierte sich wie eine Fabrik mit 700 Arbeitsplätzen: Die jungen Berufsleute (höchstens 22-jährig) polierten Gläser, banden Blumensträusse, buken Brot, sägten, bauten Mauerwerke, gestalteten Web-Sites, schweissten und frisierten. Unter ihnen waren auch 42 Schweizer - vier davon in den Disziplinen der Informatikberufe.



Erstmals war die Informatik mit vier Profilen an der Berufsweltmeisterschaft vertreten: In den offiziellen Berufsbildern Informationstechnologie und Netzwerkspezialist, der Applikationsentwicklung, die als Berufsdemonstration auf der untersten Stufe für neue Berufe kategorisiert war, sowie dem Präsentationsberuf Webdesign.





IT-Software Applikationen: In dieser Kategorie trat Philippe Hässig gegen seine internationalen Kollegen an und zeigte, was er in Sachen Umgang mit Office-Tools alles drauf hat. Aufgabe war es, für eine Fun-Bibliothek Formulare und Briefköpfe zu entwerfen, Serienbriefe und Tabellen mit integrierten Berechnungen und Grafikelementen zu gestalten sowie komplexe Dokumente mit Text, Tabellen und Grafikelementen umzusetzen. Der 21-jährige hatte sich vor einem Jahr spontan zur Schweizermeisterschaft angemeldet und sich mit einem Sieg für die WM qualifiziert. Und obwohl zu den Vorbereitungen für die Berufsweltmeisterschaft auch noch das Lernen auf die Lehrabschlussprüfung kam, schaffte es der Informatiklehrling auf den fünften Platz.




Netzwerktechnik: In der zweiten offiziellen Kategorie wurde die Schweiz durch den zwanzigjährigen Oliver Kormann vertreten. Zu seinen Wettbewerbsaufgaben gehörten unter anderem das Zusammenbauen und das Aufsetzen eines PCs, das Aufspüren, Beheben und die Dokumentation von neun Hardwarefehlern sowie das Einrichten einer Verbindung zu einem WLAN. Ausserdem mussten ein Netzwerk konfiguriert, Webservices im Intranet bereitgestellt, ein Betriebssystem (Linux) aufgesetzt sowie ein VPN eingerichtet werden. Oliver Kormann erreichte in seiner Kategorie den vierten Rang.




Webdesign: Auf den sechsten Platz im Berufsbild Webdesign schaffte es der jüngste Informatiklehrling unter den Schweizer Teilnehmern, der 18-jährige Patrick Boos. Webdesign wurde dieses Jahr als Demonstration zum ersten Mal an der Berufs-WM als Kategorie geführt. Das Gestalten einer perfekten Website war die Aufgabe für die Lehrlinge. Boos, der sich im Rahmen der Schweizermeisterschaft im vergangenen Jahr die Teilnahme in St.Gallen gesichert hatte, konnte sich im Vorfeld zwar mit den gängigen Programmen auf den Wettkampf vorbereiten, jedoch fehlten ihm die vergleichbaren Aufgabenstellungen, die sich bei den offiziellen Berufen ungefähr im Rahmen der früheren Wettbewerbe bewegen. Patrick Boos zeigte sich vor den Prüfungen jedoch zuversichtlich: "Es spielt für mich keine Rolle. Flexibel sein ist eine meiner Stärken, ich kann mich schnell an Neues anpassen."




Applikationsentwicklung: Der Schweizerischer Verband für Informatik-Berufsbildung zeigte in St.Gallen im Rahmen einer Berufspräsentation einen möglichen künftigen Wettbewerbsberuf - Application Development.



Travis Beltrametti (19), einer der vier Schweizer Teilnehmer, hätte sich zwar gerne mit der internationalen Konkurrenz gemessen, sieht aber ein, dass es in dieser Disziplin vor allem galt, Überzeugungsarbeit zu leisten. Ziel ist es, Application Development an der nächsten WM in Helsinki zusammen mit sechs anderen Ländern als Berufsdemonstration vorstellen zu dürfen. Gemäss den Organisatoren kam die neue Berufskategorie gut an. Allerdings gilt es für eine künftige Teilnahme, zusätzliche Experten und Mittel aufzutreiben, was meist nicht ganz einfach ist.


Zum dritten Mal in der Schweiz

Die Berufsweltmeisterschaft ist ein weltweit etablierter Anlass, der alle zwei Jahre durchgeführt wird. Der erste internationale Berufswettbewerb fand 1950 in Madrid statt, heuer kam zum dritten Mal die Schweiz zum Zug. 1968 wurde der Anlass in Bern durchgeführt und 1997 schon einmal in St.Gallen. Für dieses Jahr sollte eigentlich Dubai die Organisation übernehmen, das Emirat stiegt aber kurzfristig aus. Angesichts des grossen Zeitdrucks gelangte die Organisation WorldSkills an die Schweiz mit der dringenden Bitte, den Wettbewerb erneut durchzuführen. St. Gallen erklärte sich dazu bereit, weil fast das ganze Organisationskomitee von 1997 mitsamt dem gesammelten Know-how nochmals zur Verfügung stand.



Die Veranstaltung einer Berufs-WM kostet rund 15 Millionen Franken. Zudem mussten in und um St.Gallen 2500 Betten für die Berufsleute, 600 Experten und die offiziellen und technischen Delegationen der einzelnen Länder bereitstehen.




In den Olma-Hallen wurden auf 65'000 Quadratmetern rund 700 Arbeitsplätze aufgebaut, deren Einrichtung und Ausrüstung in jedem Beruf detailiert vorgeschrieben ist. Die Teilnehmer brachten zudem persönliche Werkzeuge und Geräte mit einem Gesamtgewicht von 230 Tonnen mit.



An den vier Wettkampftagen wurden knapp 180'000 Besucher gezählt. Das Heer der berichtenden Journalisten zählte 330 Frauen und Männer.



Erstaunlich ist auch der Aufwand, den gewisse Länder in die Vorbereitung stecken. Von den Teilnehmern der asiatischen Ländern wird erzählt, dass sie bis zu zwei Jahre und bis zu einer Million Franken pro Kandidat investieren würden. Wenn diese dann als Sieger aus den Wettkämpfen hervorgehen, erwarteten sie zu Hause teilweise unvorstellbare Preise wie beispielsweise der Erlass des Militärdienstes, Geldpreise, Zusatzausbildungen oder sogar ein Auto oder ein Haus. Auf jeden Fall aber sei die Karriere gesichert. Die nächsten Berufsweltmeisterschaften finden 2005 in Helsinki, die übernächsten 2007 in Tokyo statt.





Schweizer Sieger der Informatikolympiade 2003 stehen fest

Fünf Stunden kämpften 23 junge Programmiertalente am 24. Juni in der Endausscheidung der 8. Schweizer Informatikolympiade um einen Platz im Vierer-Team, das an der Internationalen Informatikolympiade in Amerika teilnehmen wird. Die Teilnehmer waren siegreich aus einer ersten Ausscheidung im April hervorgegangen (InfoWeek 09/2003 berichtete). Sie massen sich nun in Räumen der IBM IT Training Services in Zürich-Altstetten in einer zweiten Runde in der Lösung von vier Aufgaben, die teils einen mathematischen, teils einen praktischen Hintergrund hatten.



Die Bekanntgabe der Resultate erfolgte am Abend im Rahmen eines kleinen Besuchsprogramms im IBM Forschungslabor Zürich in Rüschlikon. Für die jungen Computer-Begeisterten, die nicht unter den ersten vier waren, gab es auch dieses Jahr zahlreiche attraktive Preise zu gewinnen.




Die Sieger Jonas Wagner, Simon Felix, Anthony Bagwell sowie Nicolas Cepeda werden vom 16. bis 23. August nach Wisconsin reisen und die Schweiz an der Internationalen Informatikolympiade gegen rund 80 Nationen vertreten.



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wie hiess im Märchen die Schwester von Hänsel?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER