Mitgliedschaft in Verbänden: Patrick Walther vs. Reto Hartinger
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/11
Der neue Dachverband der Schweizer IT- und Telekom-Branche ist seit kurzem aktiv. Er vereint nicht weniger als 11 Verbände und zählt total 6000 Einzel- und 2000 Firmenmitglieder. Eigentlich sehr wenig, vergleicht man diese Zahl mit den schätzungsweise 100'000 Personen, die laut IDC im Schweizer Telco- und IT-Markt beschäftigt sind. Warum ist die Verbandsmitgliedschaft in IT-Verbänden so wenig attraktiv?
Pro: Erfahrungsgemäss gibt es Personen, die bezüglich Networking begabt sind, andere sind es weniger. Grundsätzlich bietet einem die Mitgliedschaft in einem IT-Verband und vor allem die aktive Teilnahme an den angebotenen Events eine angenehme Möglichkeit, Personen aus dem fachlichen Umfeld kennenzulernen - man spricht die gleiche Sprache. Da die Mitglieder ausserdem typischerweise aus anderen Unternehmen und Wirtschaftszweigen kommen, ist diese Art von Kontakt sowohl für Berufseinsteiger als auch für "alte Hasen" ein praktischer Weg, um sich neue Türen zu öffnen.
Kontra: Networkingmöglichkeiten sind je nach Verband reichlich vorhanden. An Verbandsanlässen in Kontakt mit Leuten zu treten, kann aber oft auch ohne Verbandmitgliedschaft erfolgen. Gratis oder gegen ein geringes Entgelt kann ich an jeder Veranstaltung teilnehmen. Kommt hinzu, dass ich ohnehin an unzählige Events eingeladen werde, an denen ich nach Lust und Laune networken kann.
Pro: Je nach Fokus des Vereins oder Verbandes stehen eine Technologie oder Methodik oder aber IT im allgemeinen im Vordergrund. So oder so ist in unserem Beruf schlussendlich der (interne oder externe) Kundennutzen das wichtigste Kriterium oder sollte es wenigstens sein. Der IT-Verband kann da vor allem indirekt beeinflussen, indem er eben auf entsprechende Potentiale aufmerksam macht und den Mitgliedern Argumente liefert, weshalb eine Technologie oder Methodik aus wirtschaftlicher Sicht zu bevorzugen ist.
Kontra: Leider kommen wichtige Informationen oft nicht bis zum Mitglied herunter. Der Vorstand sitzt auf den Informationen. Das Argument, dass jeder soviel herausholen kann, wie er selber aktiv beiträgt, sticht leider oft nicht. Vorstände sind nicht sehr demokratisch gewählt. An der Generalversammlung gibt es einen Vorschlag; dem kann man zustimmen oder nicht. Verbände rufen kaum auf, dass man sich für den Vorstand bewerben soll. Deshalb gibt es an einer GV auch keine Wahl zwischen verschiedenen Varianten. In vielen Verbänden gibt es ganz verschiedene Strömungen und Interessen, die ein gemeinsames Lobbying ausschliessen. Hier genügt ein Blick auf den Vorstand - fühle ich mich vom Branchenriesen im Vorstand vertreten oder nicht?
Pro: Im relativ breiten Spektrum von Weiterbildungsmöglichkeiten (Periodika, Fachliteratur, Kurse, Studiengänge) schliesst der IT-Verband aus meiner Sicht die Lücke zwischen Theorie und Praxis. Die Aktivitäten beginnen dort, wo Fachliteratur und Kurse aufhören: beim Erfahrungsaustausch. Und dafür ist der berufliche Alltag in der Regel zu schmerzhaft und viel zu teuer.
Kontra: Klar, eine Verbandsmitgliedschaft ist im Bereich Weiterbildung sicher sinnvoll. Umgekehrt kann ich mich natürlich auch vorzüglich weiterbilden, wenn ich kein Mitglied eines Verbands bin. Mal ehrlich: Man sieht oft genug Einladungen zu Kursen, die Mitglieder 150 Franken, Nichtmitglieder 180 Franken kosten. Was soll man davon halten? Weil sich die Verbände refinanzieren müssen, bieten sie bezahlte Kurse für ihre Mitglieder an, die gleichzeitig jedermann zugänglich sind. Aus Sicht der Verbände ist dies zwar verständlich, es mindert aber ihre Attraktivität.
Pro: Vergünstigunen sind eher ein Nebeneffekt, aber doch angenehm. Als IT-Verband mit einer gewissen Anzahl von Mitgliedern gibt es immer Möglichkeiten, bessere Konditionen für Konferenzen und Kurse oder auch Periodika auszuhandeln. Da Vergünstigungen aber kaum der Fokus eines Verbandes sein können, sollten sie auch nicht die Motivation für eine Mitgliedschaft sein.
Kontra: Zu den Serviceleistungen lässt sich sagen: Hier erbringen viele Verbände den tatsächlichen Mehrwert für das Mitglied. Darüber kann sich ein Verband profilieren. Er braucht dazu allerdings eine gewisse Grösse. Schlechter sieht es bei den Vergünstigungen aus: War das früher oft ein schlagendes Argument für den Beitritt, so ist das heute nicht mehr so. Die Vergünstigungen sind oft verschwindend klein. Die Zeiten der grossen Rabattaktionen sind vorbei.
Pro: Patrick Walther ist ETH-Informatiker und Consultant bei Ergon AG. Er ist im Vorstand (Treasurer) der JUGS (Java User Group Switzerland), einer Untergruppe der SI (Schweizerische Informatikergesellschaft).
Kontra: Reto Hartinger ist Partner der Internetsuchmaschine Search.ch. Er ist Mitglied der SIMSA.