Vor die Türe gesetzt
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/15
Raus! - Aber sofort! Sie sind fristlos entlassen!". In seiner Wut über einen Mitarbeiter wollte mancher Chef diesen Satz schon aussprechen. Aber im letzten Moment siegte doch die Vernunft über eine solche unbeherrschte Reaktion. Eine fristlose Kündigung, die das Arbeitsverhältnis sofort beendet, darf ein Arbeitgeber nicht aus einer Laune heraus oder aufgrund momentanen Ärgers aussprechen. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen einer ausserordentlichen Kündigung sind für alle Beteiligten zu gravierend, als dass sie einer spontanen Entscheidung überlassen werden sollten. Trotzdem muss ein Arbeitgeber sich nicht alles von seinen Mitarbeitern gefallen lassen.
Am 21. März 2000 wurde Médard Storz, Geschäftsleitungsvorsitzender der Telekurs-Tochter Payserv, fristlos entlassen, weil er über Jahre massgeblich an einer wichtigen Lieferfirma beteiligt gewesen sei. Laut damaligen Presseberichten lag der Schaden bei rund zehn Millionen Franken. Storz bestritt indessen jegliches Vergehen und hat die fristlose Kündigung arbeitsrechtlich angefochten.
Ein weiteres Beispiel: Im Dezember 2000 musste ein Mitarbeiter der Universität Bern fristlos entlassen werden. Der Grund der fristlosen Kündigung bestand im dringenden Verdacht des Missbrauchs universitärer Informatikmittel. Dazu kam der begründete Verdacht, dass der Mitarbeiter von seinem Arbeitsplatz aus illegale Aktivitäten tätigte. Die Universität machte mit ihrer Verhaltensweise deutlich, dass sie beim Missbrauch ihrer Informatikmittel für illegale Aktivitäten keinerlei Toleranzspielraum geben kann.
"Fristlose Entlassungen sind selten in der Schweiz." Hanspeter Steffen, Geschäftsführer der Stellenvermittlung Activa ist der Meinung, dass es sich um gravierende Vergehen handeln muss, damit es zur fristlosen Entlassung oder aber zur Kündigung mit sofortiger Freistellung führt: "Zum Beispiel Datendiebstahl oder -missbrauch, oder Unterschlagung von Geld. Jedoch bei Zeitdiebstahl, das heisst bei häufigem Zuspätkommen, übermässigem privaten Telefonieren, Mailen oder Surfen während der Arbeitszeit, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer erst schriftlich mahnen, bevor er die Kündigung aussprechen kann. Verstösst der Mitarbeiter erneut gegen das Verbot, kann das eine fristlose Entlassung zur Folge haben."
Nachfolgend eine Aufstellung der häufigsten Gründe für eine fristlose Kündigung:
grobe Beleidigung des Arbeitgebers oder leitender Mitarbeiter,
Tätlichkeiten im Betrieb,
übermässiges Mailen, Surfen, Kopieren sowie Telefongespräche trotz ausdrücklichen Verbots und einer vorherigen schriftlichen Verwarnung in der gleichen Angelegenheit,
Konkurrenztätigkeiten oder deren Vorbereitung während des laufenden Arbeitsverhältnisses,
eigenmächtiger Urlaubsantritt und eigenmächtige Urlaubsverlängerung,
Straftaten gegen das Vermögen des Arbeitgebers, wie beispielsweise Betrug, Diebstahl oder Unterschlagung,
Diebstahl oder Missbrauch von firmeneigenen Daten.
Liegt einer dieser Gründe vor, so muss in der zweiten Stufe geprüft werden, ob dem Gekündigten und der Firma die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch zumutbar ist. Hier sind die Interessen beider Vertragsparteien abzuwägen. Dabei muss der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung über die sofortige Entlassung folgende Faktoren berücksichtigen: Die Betriebszugehörigkeit, die Art, Schwere und Folgen der Verfehlung, die Gefahr einer Wiederholung und die Folgen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für den Mitarbeiter. Aufgrund der Gesamtsituation ist zu entscheiden, ob es Sinn macht, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der nächstmöglichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Andererseits besteht die Möglichkeit einer Freistellung, welche auf Kaderebene in solchen Fällen meistens zum Tragen kommt.
Im umgekehrten Fall, also wenn der Arbeitnehmer die fristlose Kündigung ausspricht, muss auch er konkrete Gründe, wie beispielsweise Nichtbezahlung des Lohnes oder die Verletzung des Persönlichkeitsschutzes, angeben können.
Fühlt sich der Arbeitnehmer zu unrecht gekündigt, hat er die Möglichkeit, die Entlassung vor Arbeitsgericht anzufechten. "Der Kläger muss handfeste Beweise vorbringen und belegen, dass er den Mitarbeiter bereits schriftlich verwarnt hat. Und auch dann ist es noch Ermessenssache des Richters, ob eine fristlose Kündigung wirklich gerechtfertigt ist", gibt Hanspeter Steffen Auskunft. "Dabei belegen die Ergebnisse der Gerichtsentscheide, dass Zürich der arbeitnehmerfreundlichste Kanton und Genf der arbeitgeberfreundlichste Kanton ist."
Im Falle der Universität Bern, wurde die fristlose Entlassung von der schuldigen Person akzeptiert. Es wurden keine weiteren Sanktionen eingeleitet. Elias Köchli, Verwaltungsdirektor der Uni Bern: "Es handelte sich bei dem Vergehen um die Verbreitung von pornografischem Material, ein gravierendes Delikt, auf das wir gezwungen waren, mit harten Massnahmen zu reagieren. Nicht jeder Verstoss führt zu einer fristlosen Entlassung. Je nach schwere des Vergehens reicht eine Verwarnung." Die Lehranstalt hat in diesem Frühjahr eine überarbeitete "Weisung über die Benutzung der Informatikmittel an der Universität Bern" herausgegeben, in der auf fünf Seiten ganz klar festgehalten wird, was im Umgang mit Informatikmitteln erlaubt und vor allem, was verboten ist.