IT-Realities: Im Dickicht der E-Business-Software

Sind Standardpakete fürs E-Business ein Gebiet, das umsichtige Anwender am besten meiden? Keineswegs. Mit einer methodischen Evaluation lassen sich viele Risiken schon im Vorfeld erkennen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/13

     

Wenn unter Informatikern von Standard-Software fürs E-Business die Rede ist, liegt der Vergleich mit einem abenteuerlichen Lebensbereich nicht weit - dem Dschungel. Mit einem Gebiet also, in dem sich günstige Wachstumsfaktoren mit Unübersichtlichkeit und unzähligen Gefahren vereinigen.



Was hat die nüchterne Welt der Software mit den Verhältnissen zu tun, wie sie in feuchtwarmen Waldlandschaften herrschen? Die Geschwindigkeit, mit der sich die Anbieter von Software für das E-Business vermehrt haben, lässt in der Tat an das üppige Spriessen tropischer Pflanzen denken: Über tausend verschiedene Werkzeuge existieren allein für das Content Management.




Besonders intensiv schiessen einige grosse Softwareapplikationen ins Kraut. Besonders schnell entwickeln sich nicht nur das Content Management, sondern auch das CRM (Customer Relationship Management) und der E-Commerce.


Unübersichtlichkeit

Bei genauerem Hinsehen fällt am Markt für E-Business-Standard-Software eine weitere Eigenschaft des Dschungels ins Auge: die Intransparenz des Gebiets. Der Vergleich zwischen den verschiedenen Softwarepaketen ist schwierig - auch innerhalb einzelner Anwendungsgebiete. Kaum zwei Produkte sind nach denselben Prinzipien aufgebaut.



Beim praktischen Einsatz kommt erschwerend hinzu, dass die wenigsten Pakete einen wirklich abgerundeten Funktionsumfang aufweisen. Unsere Erfahrung zeigt, dass die einzelnen Werkzeuge höchstens 60 Prozent der Anforderungen abdecken, die in der Praxis benötigt werden. Das Fazit: Den richtigen Partner zu finden, bedeutet unter den gegenwärtigen Umständen fast einen Glückstreffer.





Das Gesetz des Dschungels

Der Wirrwarr und die Unvollständigkeit des Angebots sind nicht die einzigen Schwierigkeiten, mit denen die Anwender fertig zu werden haben. Der Vergleich mit tropischen Wäldern ist vor allem da berechtigt, wo es um das Überleben der Anbieter geht. Es gilt das Gesetz des Dschungels: fressen und gefressen werden. Im Gebiet der Standard-Software fürs E-Business ist die Konkurrenz derart hart, dass viele Hersteller am Rande des Bankrotts wirtschaften. Die Zahl der Konkurse ist entsprechend gross. Wer sich mit einem bestimmten Partner einlässt, riskiert, plötzlich mit einer Software dazustehen, die nicht mehr weiterentwickelt wird und für die kein Support mehr erhältlich ist - im schlimmsten Fall schon wenige Monate nach dem Kauf.



Sind Standardpakete fürs E-Business also ein Gebiet, das umsichtige Anwender am besten meiden? Keineswegs. Mit einer methodischen Evaluation lassen sich viele Risiken schon im Vorfeld erkennen.





So wird's gemacht

Erstens gilt es, die Bedürfnisse bei der Anwendung genauestens zu analysieren, in Bezug auf die Nutzer vor dem Bildschirm wie in Bezug auf die Gesamtorganisation. In dieser "Define-Phase" ist auch das Branchenumfeld zu überprüfen. Wie gross ist die Stabilität des Herstellers? Wird das Produkt nach einem möglichen Konkurs weiter betreut? Und wie sind die Folgen einer Firmenübernahme zu bewerten? Hat das Produkt Chancen, auch nach dem Zusammenschluss weiterentwickelt zu werden? Ein weiteres wichtiges Kriterium ist zweitens die Integrationsfähigkeit mit anderen Komponenten der eigenen E-Business-Architektur.



Damit nicht genug. Auch wenn die Wahl auf ein bestimmtes Produkt gefallen ist, darf drittens nicht vergessen werden, dass fast alle Produkte mit einem erheblichen Implementationsaufwand verbunden sind - ein Umstand, der oft unterschätzt wird. Und viertens muss sich der Anwender bewusst sein, dass wegen der schnellen Evaluationszyklen der Produkte noch nicht genügend erfahrene Spezialisten auf dem Markt sind.




Die allerwichtigste Randbedingung bei der Wahl der geeigneten Lösung ergibt sich im Grund von selbst - und wird dennoch oft übersehen: Die gründlichste Evaluation des richtigen Werkzeugs ist sinnlos, wenn keine übergreifende ("over all") E-Business-Strategie vorhanden ist, die es dem Anwender erlaubt, sich Klarheit über die wirklich benötigten Funktionen zu verschaffen.



Lange mit einem Kaufentscheid zuzuwarten, kann sich in den volatilen Märkten der Gegenwart kein Anwender leisten, will er mit seinem E-Business nicht ins Abseits geraten. Mit der notwendigen Vorsicht ist die Aufgabe heute schon anzugehen. Das Erfolgspotential ist beträchtlich: Wer im E-Business als erster auf breiter Front eine komfortable Lösung einzuführen imstande ist, sichert sich eine Stellung am Markt, aus der er nur schwer verdrängt werden kann.



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