Editorial

eBay.ch: Folklore und Schweizer Käse

Das Online-Auktionshaus eBay hat eine Website speziell für uns Schweizer zusammengeschustert. Der Web-Auftritt ist aber mehr als nur eine Zumutung - er ist impertinent!

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/12

     

Darauf haben wir gewartet: Das Online-Auktionshaus eBay hat eine Website speziell für uns Schweizer zusammengeschustert. Der Web-Auftritt ist aber mehr als nur eine Zumutung - er ist impertinent!



Da werden Klischees zementiert, die längst überholt sind. Mit Slogans wie "Gluschtigs" oder "Wandern, Bergsteigen" soll uns in Zeiten der grenzenlosen Globalisierung ein gewisses Heimatgefühl vermittelt werden. Aber auch anderes, für uns so teures und identitätsstiftendes Gut wie Käse und die heissgeliebte Schweizer Schoggi soll über eBay.ch verscherbelt werden.




Die grossspurig als "Alpenmarktplatz" angepriesene Website hat aber überhaupt keinen Tiefgang: Klickt man auf eben diesen "Wandern, Bergsteigen"-Link, werden Angebote wie "Neuer toller Lego/Duplo Rucksack nur 1 DM" präsentiert. Ja, Sie haben richtig gelesen: DM = Deutsche Mark. Die Preise werden nicht etwa in starken Schweizer Franken angezeigt, sondern in DM - obwohl die Tage der deutschen Währung mit der bevorstehenden Einführung des Euro gezählt sind. Und dass der Lego/Duplo-Rucksack für die Hochgebirgstour nichts taugt, sei hier nur am Rande erwähnt. Aber wer ist es denn, der uns quasi vorschreibt, wie und was wir konsumieren sollen? Hinter dem Versuch, den Schweizer Markt aufzurollen, versteckt sich der deutsche Ableger von eBay.


Kulturimperialismus

eBay Deutschland spielt sich also im Auftrag des US-Mutterhauses als "Amerikanisator" auf und betreibt mit penetrant folkloristischen Mitteln Kulturimperialismus in unserem eigenen Land. Da wird doch das Credo "Think globally, act locally" ad absurdum geführt. Nun, an sich ist das nichts neues - es ist im Fall von eBay nur sehr peinlich. Immer wieder müssen wir uns damit abfinden, dass der Schweizer Markt für ausländische Unternehmen zu klein ist, als dass es sich lohnen würde, ihm allzu grosse Aufmerksamkeit zu schenken.



Beispiele gefällig? Altavista bietet mittlerweile eine spezielle Schweizer Suchmaschine in drei Sprachen. Die Site wird allerdings aus deutschen Landen ferngesteuert. Und für Yahoo ist der Einstieg in eidgenössische Gefilde nach wie vor kein Thema. Wer www.yahoo.ch eintippt, wird nach Deutschland umgeleitet. Aber obwohl sie die Schweiz so stiefmütterlich behandeln, wollen diese Internetfirmen an unser Geld. Yahoo hat hierzulande Ende Januar ein Verkaufsbüro eingerichtet, um an hiesige Unternehmen die Bannerwerbung noch gezielter verkaufen zu können.





Kostengünstig globalisieren

Und das liebe Geld scheint auch der Antrieb dafür zu sein, dass eBay nun ein bisschen in der Schweiz mitmischen will. Der gewählte Weg ist aber äusserst billig. Zweifelsohne sind die Zeiten härter geworden, und an den Börsen sitzt das Geld nicht mehr so locker wie auch schon. Deshalb müssen Dotcom-Firmen, die überleben wollen, überall sparen, wo es auch nur geht.



Und nicht alle schaffen es: Erst letzte Woche wurde bekannt, dass AuctionWinner.ch und PriceWinner.ch, zwei Internetfirmen der Tamedia-Gruppe, das Handtuch werfen und den Betrieb einstellen. Das wäre eigentlich eine gute Ausgangslage für den Schweizer Einstieg von eBay - mit AuctionWinner fällt ein Konkurrent aus dem Rennen. Ob die Rechnung für eBay hier in der Schweiz aufgeht, darf aber mehr als nur bezweifelt werden. Nur die deutsche eBay-Site zu nehmen und mit ein paar urtümlichen Slogans und einem Schweiz-Filter zu versehen, reicht nicht. Mit solch einem halbherzigen Vorgehen gewinnt man keine Kundschaft.




Übrigens, da benimmt sich noch ein anderer US-Konzern sehr anbiedernd: Bei McDonalds findet zur Zeit die "Schwiizer Chäs-Wuche" statt mit Angeboten wie "McFondue" und "McRaclette": Vive la Suisse!



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