Browser-Contest: Kopf-an-Kopf-Rennen

Die Browser von Netscape, Microsoft und Opera weisen alle Schwächen auf. Im Test verhilft die Standard-Unterstützung dem Internet Explorer 6.0 zum Sieg.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/09

     

Seit letztem Herbst bewegt sich der Browsermarkt wieder: Netscape hat einen Ersatz für den mittlerweile betagten Netscape 4x herausgebracht, und Opera bietet seit einigen Wochen den gleichnamigen Browser kostenlos in Version 5.0 an. Microsoft entwickelt nun im Rahmen des neuen Betriebssystems Windows XP (ehemals "Whistler") die neueste Version des Internet Explorers. Wir haben uns die aktuelle Beta 1 des Internet Explorer 6 angesehen und liessen sie mit Opera 5.0 und Netscape 6.0 zu einem Vergleichstest antreten.


So haben wir getestet

Auf einem frischen System mit Windows 2000 Professional und 256 MB RAM haben wir sämtliche Browser installiert und mit jedem drei Arbeitstage im Web verbracht, um die Funktionen auf Praxistauglichkeit zu testen.



Bewertet haben wir dabei Installation, Systemanforderungen, Arbeitsgeschwindigkeit und Funktionalität. Punkte wurden vor allem wegen hohem RAM-Verbrauch (Netscape) oder fehlerhafter Installation abgezogen. Für Zusatzfunktionen wie Media-Player oder Cookie-Manager gab es Pluspunkte.




Um die Qualität der Rendering-Engines zu testen, haben wir mehrere Testseiten zu Rate gezogen.



Zum einen wäre da der "Acid-Test" des W3C (vgl. Kasten im Heft). Zum anderen hat sich punkto CSS-Kompatibilität die Site http://www.alistapart.com/main.html als praktische Testseite erwiesen, denn wie in der offiziellen HTML-Spezifikation 4.01 werden hier Text und Design getrennt.



Hier gab es für fehlerhafte Darstellung Abzüge, vor allem wenn wie beim Internet Explorer 6 die Navigationselemente auf einmal ans Ende der Seite verschoben werden. Weitere Abzüge erhielten die Browser, wenn JavaScript nur teilweise oder gar nicht richtig funktionierte und DHTML fehlte. Eine Unterstützung von XML oder gar WML sorgte für weitere Pluspunkte.



Wir haben uns dafür entschieden, die Unterstützung der einzelnen Standards einerseits zu bewerten, andererseits aber auch drauf unser Augenmerk zu legen, wie genau die jeweiligen Spezifikationen in der Praxis umgesetzt werden, sprich wie kompatibel die Browser tatsächlich zu den Standards sind.



Auf einen Test der CSS2-Fähigkeiten haben wir verzichtet, denn nicht einmal die Hälfte aller spezifizierten Elemente wird unterstützt. So würde ein Vergleich wenig Sinn machen.




Internet Explorer 6.0 Beta 1

Beim Marktführer hat sich seit Version 5.5 wenig getan. Es sind bloss einzelne Funktionen hinzugekommen, die höchstwahrscheinlich auch nicht mehr erweitert werden, obwohl sich der Browser noch in einem frühen Beta-Stadium befindet. Uns lag Build 6.0.2410 vor, welcher während des Betriebs schon sehr stabil wirkte. Einzig einige Funktionen wollten noch nicht richtig arbeiten. Die Beta ist momentan nur unter "Whistler" und Windows 2000 lauffähig. Versionen für Windows 98 und Me befinden sich derzeit noch in der Entwicklung.



Die meisten Neuerungen findet man in der überarbeiteten Explorer Bar, welche bei Netscape als Sidebar bekannt ist. Während man in den Vorversionen nur auf Verlauf, Favoriten und eine Suchmaske auf der linken Seite des Browserfensters zugreifen konnte, darf man sich nun auf einige weitere Funktionen freuen. Da wäre zum einen die Kontaktliste, welche eng mit Outlook Express und dem MSN Messenger zusammenarbeitet. So werden dort sämtliche Kontakte gelistet, um eine schnellere Kontaktaufnahme zu ermöglichen.




Zum anderen wurde ein Media-Player direkt in die Explorer-Bar integriert, mit dem man Musik hören und Video-Streams aus dem Internet ansehen kann. Demnächst sollen noch weitere Funktionsleisten und Nachrichtendienste ähnlich dem Sidebar-Konzept im Netscape 6.0 in die Explorer Bar geladen werden können, welche aber vorerst nur von Microsoft zu beziehen sein werden.



Ein weiteres, nach unserer Meinung sehr praktisches Feature kann man unter Extras - Internetoptionen finden: Wenn man den Haken vor Reuse windows for launching shortcuts entfernt, werden Links aus anderen Programmen wie Outlook oder ICQ in einem neuen Browserfenster geöffnet. Bisher wurde immer das aktive Fenster verwendet. Weiter gibt es nun eine Image-Toolbar, die ebenfalls unter Extras - Internetoptionen aktiviert werden muss. Sie poppt auf, sobald man mit dem Mauszeiger über ein Bild fährt. Mit dieser Toolbar kann man Bilder per Mail verschicken, drucken oder direkt auf dem Desktop ablegen, ohne sie vorher speichern zu müssen. Leider wollte das Feature noch nicht jedes Mal arbeiten, was wohl auf die Beta-Version zurückzuführen ist.



Bei Outlook Express hat sich dagegen so gut wie nichts verändert. Zwar wurde der MSN Messenger nun fest mit Outlook Express verdrahtet, aber eine ICQ-Toolbar wäre wohl besser gewesen, wie sie in Outlook zu finden ist. Ansonsten bleibt alles beim alten, sogar der Splashscreen: Er preist noch immer Outlook Express 5 an.



Eher als schlechten Witz kann man die Möglichkeit werten, dass man neu Cookies importieren und exportieren kann. Ein anständiger Cookie-Manager wie bei den Konkurrenzprodukten von Opera und Netscape oder beim Internet Explorer 5.5 (Zusatzfeature) wäre wohl standesgemässer gewesen.



Bei der Implementierung von CSS hapert es leider noch immer: Weder der "Acid-Test" des W3C noch "A List Apart" wurden korrekt angezeigt, obwohl man grosse Fortschritte gemacht hat: Die Elemente driften nicht mehr über die ganze Seite auseinander, sondern werden nun kompakt angezeigt. Einzig einige kleine Patzer bei den Grössenangaben lassen die Box zu gross erscheinen. Ob man dies bis zum öffentlichen Beta-Test im März in den Griff kriegt, ist zu bezweifeln. Bei "A List Apart" wurde die Navigation gar an das Ende der Seite statt an den rechten Rand gesetzt, was natürlich kräftig Abzüge gibt.



Bei der Interpretation von Java, JavaScript und DHTML kann hingegen kein Browser der Konkurrenz dem Internet Explorer 6 das Wasser reichen. Der Java-Support ist ausserordentlich schnell, und auch DHTML wird im grossen und ganzen korrekt dargestellt.




Netscape 6.0

Der Hauptkonkurrent von IE ist und bleibt der Netscape-Browser. Die Version 6 ist nach langer Beta-Phase letzten Herbst veröffentlicht worden und ersetzt den alten Netscape 4.x, wobei man den neuen Browser wohl als komplett neue Software ansehen muss, denn kein Stein ist auf dem anderen geblieben.



Wohl auffälligste Neuigkeit ist das GUI, welches die alte mausgraue Oberfläche durch ein modernes Design ersetzt und auf Wunsch sogar gegen selber gemachte Skins ausgetauscht werden kann. So kann man beispielsweise das eigene Firmenlogo in den Browser einfügen.




Wie auch im Internet Explorer findet sich im neuen Netscape-Browser eine Sidebar, die sich sinnigerweise MySidebar nennt und um einiges flexibler ist als die Kopie von Microsoft. Es sind nämlich nicht nur eine Suchmaschine, Favoriten oder Buddy-List vom AOL Instant Messenger verfügbar, sondern auch Inhalte von externen Anbietern, welche aber manuell über einen Link auf der entsprechenden Seite des Informations-Anbieters hinzugefügt werden müssen.



Weiter gibt es nun wie im Internet Explorer 5.5 eine Funktion, welche dort als "Autovervollständigung" bekannt ist und sowohl Passwörter als auch User-Namen speichert. Passend dazu sind unter Aufgaben/Privatsphäre und Sicherheit ein Sicherheits-, ein Kennwort- und ein Formularmanager zu finden. Ein weiteres Feature aus dieser Gruppe ist der eingebaute Cookie-Manager, mit dem man ziemlich einfach Cookies löschen, abweisen oder behalten kann.



Sehnlichst wurde wohl die Möglichkeit vermisst, mit dem gleichen Messenger-Account auf mehrere POP3-Konten zugreifen zu können.



Mit der neuen Version des Messenger ist das nun endlich möglich, leider wird für jedes Konto eine komplette Ordnerstruktur mit Inbox und Outbox angelegt. Vor allem hier könnte man noch optimieren.



Schlecht umgesetzt ist vor allem die deutsche Version. Während beim Setup noch die Lizenzierung einfach leer geblieben ist, was an sich noch für ein Lächeln sorgen kann, ärgern die Nachlässigkeiten im Programm um so mehr: Je nach Betriebssystem oder Installationstypus kann hier und da einmal eine Registrierkarte der Einstellungen einfach verschwinden. Leider sind die Fehler so gut wie nicht reproduzierbar, was das Nachweisen der Fehler besonders schwer macht. Des öfteren lässt sich der Browser auch nicht installieren oder nicht starten, ein Problem, das vor allem auf Windows-9x-Plattformen auftritt.



Sehr ärgerlich vor allem für Besitzer von schwachbrüstigen Computern sind die Systemanforderungen für den Browser: Ohne auch nur eine Webseite angezeigt zu haben, macht sich der Browser bei uns mit glatten 32 MB im Arbeitsspeicher breit. Im Betrieb und bei mehreren geöffneten Fenstern steigt der RAM-Verbrauch dann schnell einmal auf über 40 MB an. Die Anforderungen bei der Konkurrenz sind hingegen viel geringer: Microsofts Internet Explorer belegt 5 MB RAM und Operas Browser gerade einmal 4 MB.



Die neue Open-Source Rendering-Engine "Gecko" von Netscape erfüllt die Vorgaben des W3C ausserordentlich gut: Nicht nur der "Acid-Test" wird mit Bravour bestanden, auch "A List Apart" wird korrekt angezeigt.



Starke Bauchschmerzen verursachen dagegen DHTML und JavaScript: Kaum eine DHTML-Seite kann korrekt angezeigt werden. Der Grund dafür liegt nicht daran, dass Netscape auf einmal den Standard nicht einhalten würde, sondern gerade weil Netscape die Standards einhält, läuft nichts mehr so, wie es sollte. Mehr dazu im Kasten "Bugs und Probleme". Auch der Support von JavaScript ärgert mehr, als dass die zusätzlichen Funktionen im Web Freude machen.




Opera 5.02

Endlich hat es Opera übers Herz gebracht und bietet den gleichnamigen Browser kostenlos an, was dem diesem wohl mehr Auftrieb im Kampf gegen Netscape Navigator und Internet Explorer geben dürfte. Auch sonst lässt sich Opera nichts schenken und besticht durch ein kompaktes Programmpaket, welches allerlei Zusatzfunktionen enthält. Ohne Java-Support sind dabei 2 MB herunterzuladen, mit Java 9 MB.



Von den wesentlichen Funktionen her hat sich seit Version 4.0 wenig geändert. Man hat das praktische GUI beibehalten, welches zusätzliche Browserfenster im Browser selber öffnet und keinen zusätzlichen Platz auf der Taskleiste verbraucht.




Weiter ist eine Zoom-Funktion vorhanden, welche die ganze Seite auf ein Vielfaches vergrössert oder verkleinert. Eine Druckvorschau hilft dabei, Druckkosten zu senken.



Standard bei Opera ist ein anständiger Cookie-Manager, welcher verschiedene Einstellungen für jede Domain oder jeden Server kennt. Wer häufig Dateien aus dem Internet herunterlädt, wird sich über den integrierten Download-Manager freuen, der Zusatzprogramme wie GoZilla oder FlashGet überflüssig macht.



Sehr gut gefallen hat auch das integrierte Mailprogramm: Klar strukturiert und zweckmässig hat man Zugriff auf alle wichtigen Optionen, über die ein Mailprogramm verfügen muss. Ebenfalls wurde ein praktischer Newsreader integriert. Auf die Fans von ICQ wartet noch ein weiteres Geschenk: Ein integrierter Instant Messenger, der das ICQ-Protokoll unterstützt und die rudimentären Funktionen eines Instant-Messaging-Tools beherrscht, aber keinen Ersatz für ein vollwertiges Programm wie ICQ darstellt: File-Transfer, Gruppen-Chat oder SMS-Versand fehlen leider.



Wie bei den anderen Browsern darf auch bei Opera der direkte Zugriff auf eine Suchmaschine nicht fehlen. Hier ist er aber am besten gelöst: Neben dem Input-Feld für die Websites findet sich ein zusätzliches Eingabefeld. Hier kann man mit fast jeder beliebigen Suchmaschine suchen, wobei vor allem die Fans von Google voll auf ihre Kosten kommen.



Einzig das Vertriebskonzept ist noch nicht über alle Zweifel erhaben: Zwar ist der Browser nun gratis, doch leider muss man Werbebanner in der rechten oberen Ecke des Fensters in Kauf nehmen. Die 468x60 Pixel grossen Banner stören insbesondere dann, wenn man mit einem eher kleineren Display arbeiten muss, wie das bei Notebooks noch oft der Fall ist. Die Banner werden wöchentlich automatisch vom Opera-Server heruntergeladen.



"Acid-Test" wie auch "A List Apart" werden korrekt angezeigt, so wie es Opera schon seit Version 3.6 macht - ein Punkt, der für die norwegische Softwareschmiede spricht. Knapp durchschnittlich ist dagegen der Java-Support, welcher ein bisschen behäbig wirkt. Richtig gehend ärgerlich ist allerdings die fehlende Unterstützung von DOM und das damit verbundene Fehlen von DHTML, womit man doch auf einiges im Internet verzichten muss.




Fazit

Wirft man einen Blick auf die Schlussergebnissen wird klar, dass keiner der Browser alle Ansprüche vollends zu befriedigen vermag und sich hier wie dort Schwachpunkte ermitteln lassen.



Obwohl Internet Explorer alles in allem am besten abschnitt, liegen die Gesamtwertungen denn auch recht nahe bei einander.



Opera glänzt mit geringem Ressourcen-Bedarf und kommt mit den meisten Standards recht gut zurecht, wenn auch Spezifikationen wie DHTML nicht unterstützt werden. Darüber mag man aber hinwegsehen, wenn auf einem Notebook mit wenig Ressourcen gearbeitet werden muss.



Der Netscape-Browser hat mit der Version 6 wieder Chancen, dem Marktführer die Stirn zu bieten, wär da nicht die klägliche Stabilität oder auch die schwache Performance der Software.



Microsofts Internet Explorer hat sich trotz Beta-Status als recht stabil erwiesen und lässt kaum ein Feature missen, wobei insbesondere der integrierte Media-Player zu nennen ist. Unter dem Strich muss die Browser-Wahl aber den jeweiligen Vorlieben des betreffenden Anwenders überlassen werden.



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