Das Internet soll der UNO unterstellt werden
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/09
Ich habe einen Vorschlag: Die Internet-Verwaltung soll der ICANN entzogen und der UNO unterstellt werden. Damit könnte die erdrückende US-Dominanz ein wenig zurückgebunden werden. Kritiker werden mir vorwerfen, dass sich die USA einen Deut darum scheren, was die UNO sagt und auch die Beiträge nicht pünktlich zahlen. Das stimmt. Aber lassen Sie mich ein bisschen rechnen. Jetzt wollen die Yankees 50 Milliarden Dollar für einen Internet-Schutzschild verpulfern (Seite 13). Mit diesem Geld könnten sie doch die ausstehenden UNO-Beiträge abstottern.
Und wenn das Internet der UNO unterstellt würde, hätte das den Vorteil, dass auch internationale Blauhelm-Hacker-Truppen gegründet werden könnten, die gegen Internet-Terroristen vom Kaliber eines Bin Laden vorgehen. Damit würde der Cyber-Schutzschild der Amerikaner obsolet.
Gegenwärtig besteht ja eine unliebsame Situation. Da gibt es diese Behörde namens ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers), die sich mit den Verwaltungsaufgaben im Internet beschäftigt und für sich eine gewisse Internationalität in Anspruch nimmt. In Tat und Wahrheit sieht die Schose aber anders aus. Die oberste Server-Instanz im ganzen Domain Name System, der Rootserver A, wird letztlich immer noch von der US-Regierung kontrolliert. Keine andere Regierung kann denn auch die ICANN derart ans Gängelband nehmen.
Als die ICANN noch nicht existierte und die IANA (Internet Assigned Numbers Authority) mit diesen Aufgaben betraut war, sah es ja noch schlimmer aus. Dieses Gremium wurde zwar massgeblich vom Internet-Pionier und Erfinder des DNS Jon Postel geformt, war aber noch viel mehr der US-Regierung unterstellt. Unter der Ägide von Postel wurde schon 1996 versucht, weitere Domain-Namen einzuführen. Wie auch bei der nun anstehenden Erweiterung hatte man damals sieben Vorschläge ausgewählt - diese verflixte, magische Zahl. Und das Vorhaben scheiterte schliesslich daran, dass sich Network Solutions quer stellte, als es darum ging, die neuen Domains bei den Root-Servern aufzuschalten.
Um die Verwaltung des Internet demokratischer zu gestalten und vor allem international besser abzustützen, wurde dann die ICANN gegründet und im letzten Jahr die At-Large-Membership eingeführt. Das At-Large-Gremium, dem theoretisch die Internet-User Hinz und Kunz rund um den Globus beitreten können, wählt neun der insgesamt neunzehn ICANN-Direktoren. Einer dieser At-Large-Direktoren ist der schillernde Andy Müller-Maguhn aus Deutschland, Informationsanarchist und Sprecher des Chaos Computer Clubs. Aber auch die übrigen Organe der Behörde sind so gestaltet, dass sich die US-Dominanz in Grenzen halten sollte. Nur scheint das alles nicht so richtig zu greifen. Es macht ganz den Anschein, dass die Internet-Verwaltung ein blubbernder Wasserkopf ist.
Dass dem so ist, zeigen viele Entscheidungen der ICANN, die weder transparent noch logisch sind. Die Einführung der neuen Domain-Namen nimmt kein Ende. Und das jüngste Beispiel zum Stichwort "mangelnde Transparenz" ist die Diskussion über einen Vorschlag, wie die künftige Beziehung zwischen der ICANN und dem einstigen Domain-Monopolisten Network Solutions gestaltet werden soll (Seite 15). Das riecht streng nach Protektionismus.
Sicher, auch die UNO ist ein träger Verwaltungsapparat, aber immerhin ist sie ein wenig demokratischer als die ICANN heute. Und die Schweiz hätte einen Grund, wenn schon nicht der EU dann wenigstens endlich der UNO beizutreten und vielleicht sogar auch ein paar Blauhelm-Hacker zu stellen.