Editorial

Matchgewinn für Kournikova

Matthias Pfander über die neueste Viren-Invasion

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/06

     

Kennen Sie Anna Kournikova, die ziemlich hübsche, aber nicht sehr erfolgreiche Tennisspielerin? Seit dem 12. Februar werden Sie den neunzehnjährigen russischen Blondschopf kennen - nehme ich jedenfalls an.



An diesem Tag hat nämlich der jüngste Virus, der sich als JPG-Bild von Kournikova tarnt, Millionen von Rechnern befallen und damit der Tennisspielerin zu Popularität verholfen (Satzgewinn für Kournikova?). Die Publicity wird sie auch brauchen können. Denn obwohl sie in der Weltrangliste den neunten Platz belegt, hat sie noch kein WTA-Turnier gewonnen.




Auch uns stattete der Virus einen Besuch ab und zwar relativ früh. Das brachte den Vorteil, dass wir so ziemlich die Ersten waren, die über die neue Attacke berichten konnten. Die USA waren erst am Erwachen. Zuerst liess sich nicht mit Bestimmtheit sagen, was der in Visual Basic Script programmierte Wurm alles anstellt, da die Datei zu einem grossen Teil verschlüsselt war. Das hatte denn auch zur Folge, dass der Kournikova-Virus von einigen Antiviren-Anwendungen nicht erkannt werden konnte. In der Zwischenzeit haben aber die geschäftstüchtigen Software-Hersteller bereits Updates für ihre Viren-Bibliotheken zum Download bereitgestellt.


Ein Dumme-Jungen-Streich

Wie sich dann aber herausstellte, war der nach dem Hacker-Pseudonym seines Schöpfers auch als OnTheFly-Virus bezeichnete Schädling vergleichsweise harmlos. Beim Anklicken verschickte er sich an sämtliche E-Mail-Adressen in Outlook und am 26. Januar 2002 wird er dafür sorgen, dass der infizierte PC eine vom Autor festgelegte Website aufruft. Die Website gehört einem holländischen Computer-Shop, bei dem OnTheFly jeweils einkauft. Beim Autor handelt es sich um einen zwanzigjährigen holländischen Hacker und bekennenden Kournikova-Fan. Er war offenbar selbst perplex ob der Wirkung seines Werks, das man als eine Mischung aus Genialität und Lausbuben-Streich bezeichnen könnte - wären da nicht die Kosten durch abstürzende Mail-Server entstanden. Schon der um einiges perfidere Loveletter-Virus hatte die Welt in Aufruhr versetzt und grosse Schäden angerichtet. Dass es ein ähnlich programmierter Virus trotzdem abermals schafft, sich derart schnell um den Globus zu verteilen, ist erstaunlich (Satzgewinn für OnTheFly?). Es gibt halt nach wie vor viele blauäugige Anwender, die ohne weiteres alle Attachments öffnen, die in ihrem Postfach landen.



Nun, OnTheFly sitzt mittlerweile in Holland hinter schwedischen Gardinen. Ihm drohen vier Jahre Knast. Und die Aktienkurse der Hersteller von Antiviren-Tools
haben sich wieder beruhigt - nachdem die Virenwarnung herausgegeben worden war, waren sie in die Höhe geschnellt (Satzgewinn für die Antiviren-Hersteller?).





Lieber Frauentennis am Fernsehen

Geht es Ihnen nicht auch so? Das mit diesen Viren ist eine langweilige Geschichte. Es läuft immer gleich ab: Viruswarnung, Hysterie, steigende Aktienkurse, und dann spricht man nicht mehr darüber bis zur nächsten Attacke. Da heisst es, die IT-Branche entwickle sich schnell! Gewisse Dinge wiederholen sich aber immer.



Obwohl Anna Kournikova bei diesem ewig gleichen Spiel mit den Viren nur einen Satz (Publicity) gewonnen hat, ist sie für mich Match-Winner. Ich werde mir nämlich ihr nächstes Tennisspiel am Fernsehen anschauen. Und vielleicht sieht die Anna bald nicht nur hübsch aus, sondern gewinnt auch ein Turnier. Wieso viele Zeitgenossen Frauentennis als unspektakulär verschreien, kann ich überhaupt nicht verstehen.



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