IT Realities: Die Zeit der Kraut-und-Rüben-Messen ist vorbei

Stefan E. Fischer über die Hauptprobleme von IT-Messen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/03

     

Der Besucher links von mir kam mit dem Programm nicht zurecht, das er bei der Gestaltung seiner persönlichen Homepage einsetzte, und war offensichtlich auf eine Gratis-Schulung aus. Der Mann rechts von mir suchte nach einer Erklärung dafür, wieso die E-Commerce-Site für Gartenwerkzeuge, die er in seiner Freizeit betrieb, nicht so recht in Schwung kommen wollte.



An dem Stand des spezialisierten Informatikunternehmens, an den ich mich bei einem kürzlichen Messebesuch gestellt hatte, ging es in Wirklichkeit keineswegs um den Transfer von Basiswissen an Kleinstanwender. Gegenstand des Angebots, mit dem das Unternehmen auftrat, waren E-Business-Lösungen und die entsprechenden Vernetzungsstrategien für jene, die den Markt bewegen wollen.


Nichts fürs Massenpublikum

Die Episode, von der ich spreche, könnte nicht deutlicher auf eines der Hauptprobleme von IT-Messen hinweisen. Sind die Hallen für jedermann zugänglich, werden sie von Menschen überschwemmt, die nicht für geschäftliche Resultate verantwortlich sind. Von Menschen, die nur beschränkt unter Termindruck stehen und die zur Informatik oft ein spielerisches Verhältnis haben. Entsprechend richtungslos ist ihr Interesse.



Allgegenwärtig ist der Besucher, der kreuz und quer durch die Hallen wandert - ohne genaue Vorstellungen, über was er sich wirklich informieren will. Dafür ist er unersättlich. Ziellos streift er von Stand zu Stand, stopft sich seine Plastiktasche voll mit Prospekten und hält nebenbei danach Ausschau, ob sich hier und da noch ein Pin, ein Kugelschreiber, eine Gratis-Software oder wenigstens ein paar Biscuits ergattern lassen.




Von Freunden, die Führungspositionen innehaben, höre ich deshalb immer wieder dieselbe Meinung: das unvermeidliche "Nichts für mich", wenn es um Messebesuche geht. Schade. Denn nirgendwo lässt sich in so kurzer Zeit ein so breites Bild von der neuesten Angebotsentwicklung gewinnen. Wer an Messen durch Abwesenheit glänzt, handelt sich Wissenslücken ein und weiss weniger über die neuesten Einsatzmöglichkeiten und Effizienzsteigerungs-Potentiale der Informatik.




Prospekte fürs Altpapier

Richtig angegangen, werden Messen zu erstklassigen Kenntnisquellen. Den grössten Nutzen aus Messen zieht, wer sich richtig auf seinen Besuch vorbereitet. Wer also von vornherein festlegt, was für sein Geschäftsfeld von Interesse ist und was nicht. Ein hoher Stapel Prospekte, der wochenlang im Büro Platz versperrt und dann ins Altpapier wandert, nutzt nichts. Bei meinen Messebesuchen nehme ich selten Prospekte mit. Lieber treffe ich mich am Abend oder nach der Messe zu einen vertiefenden Gespräch mit Anbietern, die mir wirklichen Nutzen bringen können. Die Details kann ich mir jederzeit aus dem Internet holen oder direkt einfordern.



Die Zeit der Messen für ein Kraut-und-Rüben-Publikum ist vorbei. Schritt für Schritt ist das Internet dabei, auch den Charakter von Messen zu verändern - eine Erkenntnis, die sich erst allmählich durchsetzt. Unaufhaltsam büssen die Messen eine einstmals zentrale Funktion ein, das Vermitteln von Detailinformationen. Welche Applikation wieviel Speicherplatz benötigt, muss nicht an Messeständen kundgetan werden. Die entsprechenden Angaben lassen sich in jedem Büro mit einigen Tastenschlägen beschaffen. Wichtiger ist es, einen Eindruck von den Strategien und übergreifenden Entwicklungsachsen zu vermitteln, nach denen ein Anbieter vorgeht. Im Kern also Anhaltspunkte darüber zu vermitteln, ob sich zwischen Anbieter und Anwender eine längerfristige Zusammenarbeit lohnt.




Die Messen müssen sich auf die neuen Bedürfnisse einstellen. Veranstalter, die auch in Zukunft Erfolg haben wollen, werden um eine schärfere Ausrichtung nicht herumkommen. Also um einen Entscheid, ob die Messe fürs breite Publikum oder für Fachleute bestimmt ist. Denn die Informatik ist zu sehr zur grundlegenden Informationsressource geworden, als dass man sich mit Spielereien aufhalten könnte - so angenehm sie auch wären.



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