Wer zu früh wagt, verliert
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/03
Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht? Seien Sie ehrlich. Fehler entstehen vor allem dann, wenn mit Hochdruck und wenig Zeit gearbeitet wird. In der High-Tech-Branche ist das leider gang und gäbe.
Das führt dazu, dass Produkte, Technologien und Dienstleistungen auf dem Markt erscheinen, die unausgereift, nicht durchdacht oder - das wäre der beste, ist aber zugleich auch der seltenste Fall - ihrer Zeit voraus sind. Denken Sie nur einmal an all die serbelnden und sterbenden Dotcoms. Was in diesen Firmen teilweise für Fehler begangen wurden, ist kaum zu glauben und grenzt an Naivität. Aber davon soll hier nicht die Rede sein.
Es zeigt uns aber, dass man gewissen Entwicklungen einfach ihre Zeit lassen sollte. Schliesslich geht es nicht immer nur darum, der Erste zu sein.
Immer wieder ist vom mobilen E-Commerce zu hören, der dereinst astronomische Umsätze generieren soll. Seit Ernüchterung in der New Economy eingetreten ist, dürfte auch diese Euphorie gebremst sein.
Dass der mobile Internetzugriff schon möglich ist - bald sogar mit atemberaubenden Datendurchsätzen - bleibt hingegen unbestritten. Spätestens im Vorfeld der UMTS-Auktionen wurde das Thema in die breite Öffentlichkeit hinausgetragen - nicht ohne Erwartungen zu wecken. Nun, bis UMTS eingeführt ist, wird es noch dauern. Zwar wollen die Betreiber schon bald damit beginnen, die ersten Antennen aufzustellen. Aber nur schon der Gedanke an den künftigen Elektrosmog lässt viele Zeitgenossen laut aufschreien. Es wird zu Einsprachen gegen die Bauvorhaben kommen; das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, und dadurch wird sich der Netz-Aufbau in die Länge ziehen (Seite 17).
Andere sind schon weit voraus. Das kleine, der britischen Insel vorgelagerte Eiland mit dem Namen "Isle of Man" kommt immer wieder wegen der dort stattfindenden waghalsigen Autorennen in die Schlagzeilen. Dieser Tage wird über die Insel berichtet, weil dort im Mai der Testbetrieb des ersten grösseren UMTS-Netzes aufgenommen werden soll.
Davon können wir hier vorerst nur träumen. Wenigstens sind wir mittlerweile bei GPRS angelangt (Seite 41). Mit dieser Technologie könnten die Daten theoretisch in doppelter ISDN-Geschwindigkeit durch die Luft rasen. Wenn schliesslich auch die Swisscom und Orange die neue Technologie einführen, dann werden sich die beiden Firmen fragen, wieso sie damals auf HSCSD gesetzt hatten. Ich habe den dringenden Verdacht, dass diese Angebote von den Kunden nicht sehr fleissig genutzt werden. Oder haben Sie etwa ein HSCSD-Handy gekauft? Wenigstens waren die Investitionen für HSCSD nicht all zu hoch - da es sich im wesentlichen nur um einen Software-Upgrade auf dem GSM-Netz handelt.
Ob die beiden Mobilnetzbetreiber ihre Entscheidung als Fehler oder wichtigen Entwicklungsschritt verbuchen, sei ihnen selbst überlassen. Und ob Sie ihr HSCSD-Handy - wenn Sie überhaupt eines gekauft haben - in den Müll werfen oder der Tochter schenken, müssen Sie entscheiden. Ich hatte mich damals entschieden, HSCSD zu überspringen und auf GPRS zu warten. Dafür muss ich mich immer wieder dafür verteidigen, dass ich eines der ersten WAP-Handys gekauft hatte. Gewisse Entwicklungen brauchen Zeit.