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IT Realities: Selbstbewusst, jung und dynamisch ins E-Chaos

Wie man ein Internet/Intranet-Projekt richtig angehen sollte.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/01

     

Schneidig sind sie schon, die jungen Typen, welche sich heute im IT-Umfeld tummeln. Frisch imprägniert mit Kursen und Diplomen, hochgelobt von den Medien - "ihnen gehört die Zukunft" - und demzufolge mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein ausgerüstet, machen sie sich ans Werk. Wohl dem Kunden, der sich ins E-Business stürzen will und eines oder mehrere Exemplare dieser kostbaren Spezies intern zur Verfügung hat. Da lässt sich manches Projekt inhouse entwickeln, das man sonst extern vergeben müsste.



Es sei denn, die Kompetenz liegt eher in der Theorie und weniger in der Praxis. Dann droht das nackte E-Chaos!




Leider ist diese Variante nicht gerade die Ausnahme. Jüngstes Beispiel dafür aus meiner Kummerbox: ein "Mr. Webmaster" bei einer Industriefirma. Seinen Ehrgeiz wollte er partout damit befriedigen, möglichst viele interne Projektaufträge an Land zu ziehen. Darunter auch das Projekt für ein firmeneigenes Intranet. Die dafür bereits bestellte Consultingfirma liess er elegant aussteigen, inklusive deren nachhaltiges Top-Down-Projekt mit Technologie-Auswahl und Budget. Begründung: Er könne das billiger und effizienter lösen und erst noch die externe Abhängigkeit reduzieren.



Und los ging's - mit einem Webserver (da kannte er sich ja aus), mit einer Access-Datenbank (wie und wo man sinnvollerweise eher einen SQL Server aufsetzt, war ihm nicht bekannt) und mit der Programmierung von ASP-Scripts. Dann hübsch weiter mit der Gestaltung von Webseiten und Grafiken, mit dem Bau von Navigationsstrukturen und so weiter. Dass er auf Teufel komm raus möglichst viele Dokumententypen wie Office-, PDF- oder Visio-Dateien zulassen wollte, gehörte natürlich zum Berufsstolz. Und schon wurden voreilig Inhalte freigegeben, obwohl sich das ganze Tool noch im Prototypstadium befand. Das Resultat nach wenigen Tagen: Ein perfektes internes Desaster. Zwangsläufig? Zwangsläufig!



Der Kardinalfehler: Unser übermütiger "Mr. Webmaster" hatte sich locker darüber hinweggesetzt, dass die installierte Basis innerhalb eines Unternehmens die Möglichkeiten eines Intranet stark mitbestimmt. Die wenigsten Benutzer hatten beispielweise die von ihm vorgesehenen Tools installiert. Die individuellen Bedürfnisse waren nicht analysiert worden, so dass sofort Megabyte-schwere Dokumente das Netzwerk verstopften. Und nichts als logisch, dass eine Access-Datenbank dem Multiuser-Betrieb einer Firma dieser Grösse nicht gewachsen war. Die ASP-Scripts produzierten Fehler, und durch das voreilige Freigeben des Systems liefen peinlich viele Links ins Offside. Kein Wunder, dass sich die Benutzer grün und blau ärgerten. Ein klassischer Fall von Ignoranz und Selbstüberschätzung.



Spät, sehr spät reagierte die Geschäftsleitung. Aber jetzt musste natürlich im Nullkommagarnichts eine nachhaltige Lösung her - und der abgehalfterte Consultant kam wieder zu Ehren. Sozusagen nach dem Motto "Consulting by Feuerwehr".



Seine erste Aufgabe bestand darin, dem Kunden klarzumachen, dass nachhaltige Lösungen Zeit brauchen. Denn ohne gemachte Hausaufgaben geht das nicht. Das heisst, es braucht einen Top-Down-Ansatz, egal, ob unten bereits die wartenden Benutzer Radau machen. Tools für Content und Knowledge Management oder Portalwerkzeuge müssen zuerst qualitativ definiert, evaluiert und integriert sein, bevor man an die Konfiguration gehen kann.



Dummerweise ist es viel schwieriger, weil aufwendiger (wie im vorliegenden Fall), ein gestrandetes Projekt zu übernehmen als ein neues aufzubauen. Denn erst einmal musste aufgeräumt und Schutt weggeputzt werden, damit überhaupt eine aussagekräftige Ist-Zustandsanalyse möglich wurde. Das brauchte mehr Zeit und kostete als Nachbesserung jede Menge Geld.



Stichwort Geld: Top-Down heisst, dass zu Beginn interdisziplinäre Teams eingesetzt werden, die alle Bedürfnisse und Eckwerte auf einem sinnvollen Niveau fixieren. Nicht mehr und nicht weniger. Diese Investition lohnt sich immer. Denn unser "Mr. Webmaster" hatte 18 Monate Verzögerung zu verantworten. Wer rechnen mag, der rechne!




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