Frauen und Karriere

Frauen sind im Schweizer IT-Kader selten, doch der Trend zeigt nach oben.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/40

     

Frauen machen viele Fehler" sagt Angelika Bräm, Geschäftsführerin von Evalution, "sie verkaufen sich unter ihrem Marktwert. Ein gutes Umfeld und entspanntes Betriebsklima sind ihnen wichtiger als ein Sessel in der Chefetage". Die Fachfrau vermittelt seit 2 Jahren Kaderfrauen.



Nur 30 Prozent aller Führungskräfte in der Schweiz sind Frauen. In der IT-Branche sind sie besonders selten. "Aber die Branche wächst und es wird mehr Platz für Frauen geben", meint Marielle Livingston, Business Manager bei Netarchitects. Die 29jährige leitet zusammen mit ihrem Kollegen die Firma für Weblösungen und hat 20 Leute unter sich. Auf die Frage, wie männliche Mitarbeiter auf weibliche Vorgesetzte reagieren, antwortet sie lächelnd: "Es ist schwierig zu sagen, ob man Probleme hat, weil man eine Frau ist, oder weil man eine schlechte Chefin ist." Benachteiligt fühle sie sich als Boss in einer Männerwelt nicht. Und manchmal in Sitzungen, wenn sie von der Gegenseite angegriffen würde, dringe doch bei den Kollegen der Beschützerinstinkt durch.


Karriere und Kinder

Das alte Rollenspiel Frauen am Herd, Männer im Job existiert noch immer. Nach wie vor ziehen Frauen die Kinder gross, so dass sich die Frage Kinder oder Karriere den Männern nicht stellt. Und nach einer längeren Babypause ist es schwer, in dieser schnellebigen Branche den Wiedereinstieg zu finden. Oftmals trauen sich Frauen nach der Auszeit nicht zu, wieder berufstätig zu werden.



In ganz wenigen Firmen ist es möglich, auch in Kaderpositionen Teilzeit zu arbeiten, um noch genug Zeit für Haushalt und Kinder zu haben. HP ist eine davon. Hier wird den Chefinnen ermöglicht, ein reduziertes Pensum zu arbeiten, um ihnen den Alltag mit Familie zu erleichtern.




Nicht zuletzt steht unsere Gesellschaft dem Thema Frauenkarriere noch immer negativ gegenüber. Erfolgreiche, berufstätige Mütter gelten als egoistisch und anmassend.



Besonders ehrgeizige Frauen neigen dazu, sich nur auf ihre Aufgaben zu konzentrieren und ihr soziales Umfeld - auch in der Firma - zu vernachlässigen. Deswegen sollte jede Frau darauf achten, inner- und außerbetriebliche Netzwerke aufzubauen.



In den meisten Firmen wird jedoch nicht erst nachgefragt, ob man gerade Zeit hat, an einem Meeting irgendwo auf der Welt teilzunehmen. Michaela Stöckli, Regional Manager der Firma Software AG, rät: "Verbissenheit ist Jobkiller Nummer 1. Um volle Leistung im Beruf zu bringen, muss das private Umfeld ausgeglichen sein." Doppelbelastung Karriere und Familie wäre für die 38jährige Businessfrau nicht möglich. "In meiner Stellung muss ich flexibel bleiben. Ich muss blitzschnell Entscheidungen treffen und unter Umständen in der Lage sein, am selben Tag Termine im Ausland wahrzunehmen. Das wäre mit Familie nicht möglich. "Auch Arbeiten von zu Hause aus liegt in einer Chefposition nicht drin." meint sie, "man muss ständig am Ball bleiben und präsent sein."




Der Frauenanteil wächst

Jungen Frauen, die Karriere machen möchten, rät sie, sich ständig breitgefächert weiterzubilden, sich immer wieder neu zu orientieren und vor allem sich selbst zu bleiben. "Boss sein ist anstrengend, aber Frauen, die bereit sind, volle Leistung zu bringen, haben im Moment im Kadermarkt der IT-Branche gute Chancen. Zudem haben wir Frauen den Exotenvorteil," schmunzelt sie.



Dass sich der Frauenanteil in dieser Noch-Männerwelt vergrössern wird, davon ist auch Daniel Brauchli von Nexus, Personal und Unternehmensberatung im EDV-Bereich, überzeugt. Frauen lassen sich gut vermitteln, und kein Personalchef kann es sich leisten, einen Kandidaten abzulehnen, weil er weiblich ist. Die Leistung zählt.




Dass aber die IT-Branche nach wie vor eine Männerdomäne ist, zeigt die geringe Zahl der Teilnehmerinnen am Intensiv-Seminar für IT-Manager des Zentrums für Unternehmungsführung. Nur vier der 26 Angemeldeten waren Frauen. "Es liegt sicher auch daran, dass es nicht viele Frauen gibt, die sich an vorderster Front wohl fühlen. Erfolgsdruck und Risiko sind zu gross", sagt Michaela Stöckli, die sich von ihren Kollegen als ihresgleichen akzeptiert fühlt und voll in ihrem Beruf aufgeht.



Chef sein heisst auch, rund um die Uhr erreichbar sein, bis 65-Stunden die Woche zu arbeiten und oftmals auf Privates zu verzichten. Dazu sind viele Frauen nicht bereit.



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