Creative Commons - gratis abgeben und mehr verkaufen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/13
Mein jüngstes Buch «Storia di @» (in italienischer Sprache) steht jetzt zum freien Download auf www.giussani.com/
storiadi@ bereit – unter einer Creative-Commons-Lizenz. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, das ist eine Premiere für einen Schweizer Autor. Ich betrachte das als Experiment und möchte erklären, was mich dazu inspirierte: Am Gottlieb Duttweiler Institut in Rüschlikon traf ich kürzlich den Science-Fiction-Schriftsteller Cory Doctorow. Er erzählte mir, dass «Somebody comes to town – Somebody leaves town», sein drittes Buch, im Juli erscheint, und dass er den Text gleichzeitig auf seiner Website www.craphound. com zur Verfügung stellen wird. Der Leser hat dann die Wahl, entweder das Buch zu kaufen oder es kostenlos unter einer Creative-Commons-Lizenz herunterzuladen. Diese erlaubt es, dass der Text gratis weiterverbreitet, umgeschrieben und adaptiert werden darf – solange dies nicht aus kommerziellen Absichten geschieht und der ursprüngliche Copyright-Besitzer angemessen gewürdigt wird. Die Bestimmungen sind auf www.creativecommons.org festgehalten.
Wenn Sie jetzt den Kopf schütteln, weil die Wahl doch klar erscheint – wieso bezahlen, wenn man den Text gratis haben und erst noch an Freunde weiterschicken kann? –, dann bedenken Sie folgendes: Doctorows erstes Buch, «Down and Out in the Magic Kingdom», kann kostenlos von seiner Website heruntergeladen werden – und zwar in 24 verschiedenen Formaten, von PDF und HTML über ASCII, Palm, eBook, Newton, Psion bis hin zu – tja – einem iPod-fähigen. Die durchschnittlichen Verkäufe bei einem vergleichbaren Science-Fiction-Erstling liegen etwa bei 4000 Exemplaren. «Down and Out» wurde etwa eine halbe Million Mal heruntergeladen, hat sich in der gebundenen Ausgabe 10'000 Mal verkauft – und als Taschenbuch zusätzlich 20'000 Mal.
Ich erwarte durch die Freigabe von «Storia di @» nicht den gleichen wirtschaftlichen Erfolg, aber ich erhoffe mir, mehr über die Zukunft des Verlagswesens zu lernen. Die Grundidee hinter dem Creative-Commons-Ansatz – und Doctorow ist nicht der Einzige, der ihn verfolgt – lautet: «Wenn ich das Buch kostenlos abgebe, werden einige dafür bezahlen.» Hardcore-Fans kaufen es sowieso. Aber indem Doctorow es frei zugänglich machte, konnte er umfangreiche neue Leserkreise ansprechen – weltweit und zu Kundengewinnungskosten, die praktisch bei Null liegen. Doctorow hat nicht nur mehr Bücher verkauft, indem er den Text gratis anbot. Sein Bekanntheitsgrad hat sich auch insofern ausbezahlt, als er vermehrt auf «laterale Umsätze» bauen kann wie auf Aufträge von Magazinen und auf Einladungen als Referent. Er sagt denn auch: «Ich bin kein naiver Aktivist. Ich bin Geschäftsmann und will mit meinen Texten möglichst viel Geld verdienen.»
Eines Tages wird sein Geschäftsmodell wohl komplett auf einer elektronischen Grundlage basieren. Bis dahin, so Doctorow, führt der kostenlose Download zu einer optimalen Marketing- und Nutzungs-Spirale. Er umschreibt das so: «Wenn ich ein Buch einem Freund empfehlen will, versuche ich normalerweise, es zu beschreiben. Wenn ich aber die ganze Datei habe, kann ich Abschnitte hervorheben und ihm die Sache mailen. Oder ich besitze das Buch, will es aber am Strand nicht ruinieren – also nehme ich die elektronische Version mit.» Kürzlich schrieb ihm ein Leser: «Ich hatte Ihr Buch wochenlang in meinem Palm. Eines Tages steckte ich in einem Flughafen fest. Ich las den ganzen Text – und dann ging ich in eine Buchhandlung und kaufte Ihr zweites Buch.»
Doctorow weiss jetzt: «Gedruckt ist gut. Elektronisch ist gut. Aber beides zusammen ist unendlich viel besser.»