Bruno Baeriswyl, Präsident der Vereinigung der schweizerischen Datenschutzbeauftragten

Wenn die Leute wüssten, wie mit heiklen Daten umgegangen wird...

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/13

     

Sie sprechen von einem «datenschutzrechtlichen Vollzugsnotstand».
Was ist genau das Problem?


Datenmengen und Datenaustausch haben drastisch zugenommen, ohne dass den datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen die notwendige Beachtung geschenkt wurde. Diagnosedaten werden systematisch an Stellen weitergegeben, für die sie nicht erforderlich sind. Wir sehen auch, dass die Datenbearbeitung zunehmend outgesourct wird. Es sind aber keine Massnahmen
gefolgt, die diese Risiken für die betroffene Person auf ein tragbares Mass
beschränken. Wenn die Leute wirklich wüssten, wie mit ihren heiklen Daten umgegangen wird, wäre der Vollzugsnotstand wohl bald behoben!







Die Datenschutzbeauftragten monieren einen «unverhältnismässigen und rechtlich ungenügend abgestützten Datentransfer» zwischen Leistungserbringern und -trägern. Ein technisches oder organisatorisches Problem?


Das ist primär ein rechtliches und organisatorisches Problem, aber die Technologie ist die treibende Kraft: Alles technisch Machbare weckt neue Bedürfnisse. Die rechtlichen Schranken, die das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient schützen, werden oft als hinderlich betrachtet. Ein Beispiel: Vor zehn Jahren wäre es keiner Krankenkasse in den Sinn gekommen, mit jeder Rechnungsstellung eine genaue Diagnose zu verlangen. Heute ist die Diagnose codiert und per Knopfdruck erhältlich, also will man sie.





Sind Fälle bekannt, wo sensitive Daten an die falsche Adresse gelangt sind?


Es wurden beispielsweise detaillierte Rechnungen über heikle Laborresultate an den Arbeitgeber statt an den Versicherer gesandt. Krankenversicherungen verlangen immer öfter die genaue Diagnose, ohne dass dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich wäre – und Ärzte und Spitäler geben sie vielfach bekannt. Die Patientinnen und Patienten sind selten darüber informiert.



Welche Massnahmen empfehlen Sie?

Der Abbau des Patientengeheimnisses ist schleichend; es braucht mehr Transparenz über die Prozesse. Damit wird sich auch das Verhalten der beteiligten Personen ändern – es beteuern ja alle ihre Absicht, das Patientengeheimnis zu respektieren. Die Technologie ermöglicht einen unbeschränkten Datenaustausch. Die Prinzipien der Datenvermeidung und der Datensparsamkeit müssten dabei vermehrt berücksichtigt werden. Auf der Ebene der Gesetzgebung sind Lücken zu schliessen und klare Schranken zu setzen.





Das Patientengeheimnis ist wichtig. Auf der anderen Seite benötigen
Leistungsträger und Politik möglichst detaillierte Informationen, um der
Kostenexplosion zu begegnen. Wie lässt sich dies unter einen Hut bringen?


Die Technologie spielt eine wichtige Rolle. Meist sind keine personenbezogenen Daten nötig. Die IT-Systeme sind deshalb so zu gestalten, dass eine Anonymisierung oder Pseudonymisierung ohne weiteres möglich ist. Produkteanbieter und Softwareentwickler sollten sich dieser Herausforderung stellen.




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