SAP auf dem Prüfstand der Anwender
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/12
Kommt man in Managerkreisen auf das Thema «SAP» zu sprechen, scheiden sich die Geister: Für die einen existiert neben dem Software-Riesen aus dem deutschen Walldorf schon lange keine Alternative mehr. Sie übersehen dabei geflissentlich durchaus attraktive Konkurrenzangebote. Andere beschwören die schlechte Erfahrung von Dritten und schliessen SAP zum Vornherein als mögliche Lösung für ihr eigenes Unternehmen aus. SAP selbst gibt sich in der Diskussion eher zugeknöpft: Einerseits werden mit emotionsgeladenen Bildern und Sprüchen der Machart «Weltklasse-Unternehmen runs SAP» der durchaus breite Kundenstamm vorgeführt, andererseits meidet man den direkten Vergleich mit der Konkurrenz. So hat sich SAP nie dazu durchringen können, die von InfoWeek und der Zürcher i2s initiierte ERP-Zufriedenheitsstudie aktiv zu unterstützen, und gesellt sich damit eher in die Nähe von Nischenanbietern. Zu Unrecht, wie eine genauere Untersuchung der doch sehr zahlreichen SAP-Teilnehmer der ERP-Zufriedenheitsstudie in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigt. Besonders interessant: die Statistik zeigt, dass gerade KMU zu den zufriedensten Kunden von SAP gehören.
Für die Untersuchung wurden Daten von knapp 300 Unternehmen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum genutzt, die zwischen dem Herbst 2004 und dem Frühjahr 2005 im Rahmen der ERP-Zufriedenheits-Initiative des Zürcher Beratungs- und Marktforschungsunternehmens i2s erhoben wurden (www.erp-z.info). Im Falle von SAP lag auf Grund des hohen Marktanteils auch eine ausreichend grosse Teilnehmerzahl vor, um die Daten detaillierter zu untersuchen. Betrachtet wurde dabei ausschliesslich die ERP-Produktfamilie – das frühere R/3, mySAP.com und heutige «ERP». Unterschiedliche Lizenzierungsmodelle und Verkaufsbundles – etwa «All-in-one» wurden dabei nicht getrennt berücksichtigt. Ergänzungsprodukte, etwa APO oder CRM wurden ebenso wenig beurteilt, wie das verhältnismässig neue Business One, das sich speziell an kleinere Unternehmen richtet.
Zufriedenheit nach Grössen der Anwenderunternehmen
Wo nun liegt Freud und Leid von Anwendern rund um SAP? Das Zufriedenheitsportfolio gibt ein differenziertes Bild. An erster Stelle die guten Nachrichten: SAP als System macht insgesamt einen guten Eindruck bei den Kunden und erhält eine 4,04 auf einer Skala von 1 «schlecht» bis 5 «sehr gut». Geringfügig schlechter schneidet der Aspekt «Gesamteindruck Implementierungspartner» ab. Aber auch hier gibt es mit 3,88 ein «gut». Auch wenn sich dieses Wertepaar nur geringfügig unterscheidet, ist die Differenz dennoch bezeichnend. Mit der Software «SAP» präsentiert sich ein hervorragendes Werkzeug am Markt, das funktional kaum noch einen Wunsch offen lässt. Das Ergebnis eines konkreten Implementierungsprojektes wird jedoch von der Kunst und dem Können des Implementierungspartners bestimmt. Gerade im Fall von SAP ist also die Wahl des Implementierungspartners eine erfolgskritische Grösse. Langjährige Erfahrung und hohe Branchenkenntnis sind bei SAP-Beratungspartnern zwar keine Selbstverständlichkeit, doch gibt es für jede Unternehmensgrösse und jede Branche heute auf dem Markt stets eine attraktive Auswahl. Wichtig für ein Anwenderunternehmen ist einzig der Wille und die Energie, den richtigen Partner auch wirklich zu suchen und nicht gleich beim Erstbesten zu unterschreiben.
Zufridenheit mit einzelen Aspekten und ihre Beinflussbarkeit
SAP hat die Architektur moderner betrieblicher Anwendungssysteme klar mitgeprägt und ist in vielen technologischen Aspekten noch immer führend. Daneben stellt sich der breite Funktionsumfang beinahe als «Supermarkt der Möglichkeiten» dar, in dem es beinahe alles zu kaufen gibt. Diese Mächtigkeit muss jedoch auch beherrscht werden und absorbiert in vielen Projekten sowohl interne als auch externe Kräfte. Die Übermacht von Technologie und Funktion hat damit einen Mangel: Die eher «weichen» Faktoren rund um SAP-Projekte und –Betrieb kommen noch immer zu kurz. Dies zeigt die Platzierung zahlreicher Aspekte, etwa Branchenkompetenz, Projektmanagement und Mitarbeiter-Schulung, die im Zufriedenheits-Ranking auf den mittleren Plätzen landen. Schlecht wegkommen aber einige Aspekte die ganz originär an der Software hängen: Flexibilität, Ergonomie und vor allem der Bereich Formulare und Auswertungen. Hier zeigt sich, dass SAP sich zwar schon seit Jahren um die Belange der Entscheider und Manager kümmert, die Bedürfnisse der Anwender aber lange Zeit zu kurz gekommen sind. In Bezug auf «Formulare und Auswertungen» darf sich SAP in einem gewissen Sinn auch ruhig trösten: In allen bisher durchgeführten Studien belegt dieser sonst wenig beachtete Aspekt mit Abstand die letzten Ränge.
Seit Jahren fokussiert sich SAP auf den KMU-Markt. Die Statistik zeigt hier ganz emotionslos den Erfolg: SAP bekommt vom Anwender-Segment mit 100 bis 249 Mitarbeitern die besten Noten! Gerade typische KMU, die sich selbst zur Weltklasse zählen, auf dem globalen Markt agieren und damit durchaus so komplex sind, wie grosse Unternehmen, scheinen SAP besonders zu schätzen, da sie hier vom geballten Know-How und den zahlreichen Systemfunktionen profitieren können. Man kann getrost annehmen, dass gerade die Kundengruppe der KMU sich nach kritischer Prüfung bewusst für SAP entschieden hat und in ihrer Entscheidung nicht enttäuscht wurde. Als Fazit kann man durchaus formulieren: Eine SAP-Einführung ist zwar kein Zuckerlecken, wenn man es aber richtig macht, kann man davon profitieren.
Eric Scherer ist Geschäftsführer der Zürcher Beratungs- und Marktforschungsfirma i2s.
Er ist Initiant der von i2s und InfoWeek gemeinsam durchgeführten «ERP-Zufriedenheitsstudie»
sowie Lehrbeauftragter an
der ETH Zürich.
(scherer@i2s-consulting.com)
Weitere Informationen sowie die Möglichkeit, den schriftlichen Bericht zu beziehen, finden sich unter www.erp-z.info/sap
. Hier kann auch der ausführliche Bericht zur Studie «Anwender-Zufriedenheit – SAP – 2005» bestellt werden (CHF 450.-
zzgl. Porto und MWSt).