Editorial

Die Griechen kennen den Weg


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/10

     

Die Schweizer IT-Branche als Nabel der Welt? Ein Ausflug in die Welt der Statistik zeigt, dass auch anderswo geschuftet und Fussball gespielt wird. Und 1985 an der IT-Fachmesse Swissdata mehr zu verdienen war.
Die Schweiz zählt 7,418 Millionen Einwohner und 3,14 Millionen Haushalte. Beide sind gegenüber den Prozessoren in der Minderheit: In jedem Haushalt verrichten durchschnittlich 300 Mikroprozessoren ihr Tagwerk – etwa in Computern, Handys, Radios und Waschmaschinen. Und auch der hiesige IT-Markt leistet Grosses: Mit rund 30 Milliarden Franken macht er acht Prozent am Bruttosozialprodukt aus. Davon entfallen 18 Milliarden auf die IT, 12 auf die Telekommunikation. Ob der Zahlen verwundert es nicht, dass sich die IT-Szene für das wichtigste Rad im Lebens- und Wirtschaftsgetriebe hält.





Ist sie das wirklich? Das Schweizer Autogewerbe trägt 74, das Gesundheitswesen 48 Milliarden zum Bruttosozialprodukt bei. Mit weiteren 40 Milliarden Franken ist das Bauwesen dabei – der gleiche Betrag wird mit Schwarzarbeit erwirtschaftet. Und der Mensch hat noch andere Bedürfnisse: Auf dem hiesigen Sexmarkt werden 3,5 Milliarden Franken pro Jahr ausgegeben und verdient. Ein Gewerbe mit langer Tradition – was man von der IT nicht behaupten kann.
Bei den IT-Ausgaben ist die Schweiz, die sich bescheiden gibt, gerne aber vordere Plätze belegt, tatsächlich Welt-Spitzenreiter: 2003 lag sie bei den Pro-Kopf-Ausgaben für IT und Telekom mit 4120 Franken an erster Stelle, gefolgt von den USA (3600) und Dänemark (3525). Die Griechen gaben nur 1080 Franken aus, sind dafür aber 2004 Fussball-Europameister geworden. Da bleibt nur die bittere Pille: Im Jahr 2007 die IT-Ausgaben herunterfahren, um 2008 im eigenen Land Europameister zu werden. Bescheidenheit hat ihren Preis.






Ist die IT-Branche konjunkturresistent? Nein. Vorbildlich dagegen die Haustiernahrungsbranche: Ihr Umsatz von 512 Millionen Franken blieb über die Jahre gleich. Dies sind 177 Millionen mehr, als 2004 für Drucker ausgegeben wurde (335). Fast viermal mehr (1,2 Milliarden) landen auf Spendenkontos, siebenmal mehr (2,3) in den Töpfen der Lotterie- und Wettveranstalter. Keine Chance haben die Drucker, Wetter und Spender gegen die Trinker und Raucher: Diese blättern jedes Jahr acht Milliarden für Alkohol und 3,5 Milliarden für Tabak hin. Die 3,5 Milliarden besteuert der Staat mit 1,74 Milliarden, die in die AHV-Kasse fliessen und dort fünf Prozent der Einnahmen ausmachen. Was tut die IT-Branche für die AHV? Nichts.





Anfang 2005 standen hierzulande 4,3 Millionen PCs und 1,8 Millionen Notebooks im Einsatz. Überholt sind damit die Fahrräder (Bestand: 3,8 Millionen). Von den 4,3 Millionen steht eine Hälfte zuhause, die andere am Arbeitsplatz. Damit haben 73 Prozent der Erwerbstätigen einen PC am Arbeitsplatz. Zum Vergleich: 1984 waren’s sieben Prozent. Wie sich die Zeiten ändern: 1985 kostete zur Fachmesse Swissdata ein Desktop-Rechner mit 8088-Prozessor, 640 KB RAM, 10-MB-Festplatte und 14-Zoll-Bildschirm 7395 Franken – der damalige Messerabatt von 20 Prozent ist schon abgezogen. 20 Jahre später ist ein Desktop-PC im Schnitt für 1357 Franken zu haben.





Die Entsorgungsrate der 6,1 Millionen beträgt 14 Prozent. Dagegen zieht man von den 3,7 Millionen registrierten Autos jedes Jahr nur 6,5 Prozent aus dem Verkehr. Merke: Autos halten im Moment länger, weil sie noch nicht mit Windows arbeiten. Anfang 2004 nutzten 63 Prozent der hiesigen Bewohner das Internet ab und zu, 48 Prozent sogar mehrmals die Woche. Was haben die Menschen davor gemacht? Mehr Fernsehen? Mehr Sex? Vermutlich mehr TV, weil die Jahreszahl von 103 körperlichen Vereinigungen über die Jahre eine feste Grösse geblieben ist. Vielleicht überschätzt sich aber nicht nur die IT-Szene.




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