Editorial

Ich skype, du skypst, wir alle werden VoIP-skypen


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/09

     

Lieben Sie Skype? Wie bitte? Sie benutzen es nicht? Also gut, ich erzähle Ihnen eine Geschichte, die Sie inspirieren könnte, Skype auszuprobieren: Meine Freundin Susan (sie ist CEO einer Zürcher Firma) schickte mir kürzlich diese einzeilige E-Mail: «Zeit zum Skypen, am Donnerstag um 08.00 Uhr? Ich bin dann in New York.» Ich hatte Zeit, also skypten wir. Sie sass in ihrem Hotelzimmer in Manhattan, ich trank einen Kaffee auf der Veranda des Hauses eines Freundes in Miami. Susan sprach in ihren Laptop, der mit dem drahtlosen Hub des Hotels verbunden war. Ich sprach in mein Notebook, das ans WiFi-Netz meines Freundes angeschlossen war. Wir diskutierten fast eine Stunde lang über eine kristallklare Verbindung – gratis (natürlich, Susan bezahlte ihr Hotelzimmer und mein Freund sein DSL-Abo, aber der Preis für das einstündige Ferngespräch betrug exakt: null Rappen, zero Cents).





Wir benutzten eine kostenlose Software namens Skype, die bereits über 100 Millionen Interessierte heruntergeladen haben (von www.skype.com, sie funktioniert mit Windows, Mac OS X und Linux) und die viele als den Code ansehen, der der herkömmlichen Telefonie das Grab schaufeln wird. Ja, wir haben schon früher ähnlich hochfliegende Voraussagen gehört. Vor beinahe einem Jahrzehnt, in den Anfängen des kommerziellen Internets, kamen visionäre Firmen wie Vocaltec auf die Idee, Telefonie von PC zu PC zu realisieren. Aber bis vor kurzem kam Voice over IP nie auch nur in die Nähe dieser Vision. Jetzt schon, vor allem aufgrund der massiven Fortschritte in der Voice-Technik und der schnell wachsenden Zahl der Breitband-Abonnenten. Niklas Zennström, einer der Gründer von Skype, erklärte mir kürzlich in einem Interview (via Skype natürlich): «Wenn Sie für Ihre Breitbandverbindung bezahlt haben, macht es absolut keinen Sinn, auch noch für ein Telefonie-Abo zu bezahlen.» Mit anderen Worten: Telefonie wird einfach zu einer Applikation an den Rändern des Netzes. Zu einem Internet-Client.






Trotz all der Skepsis gegenüber der Tatsache, dass Skype einen Dienst kostenlos offeriert, für den Telcos Geld verlangen, handelt es sich um eine seriöse Angelegenheit. Nicht nur wegen der Gratisanrufe. Die Sache ist seriös, weil Susan und ich während unseres Gesprächs mit Skypes File-Transfer-Funktion in Echtzeit Dokumente und Bilder austauschen konnten, die für unser Projekt wichtig sind. Wir haben Infos gegoogelt und diese sofort ausgetauscht, indem wir via Skypes Instant-Messaging-Tool Links hin und her schickten. Und zu einem bestimmten Zeitpunkt mussten wir Alberto zu Rate ziehen. Meine Skype-Buddy-Liste zeigte mir, dass er online war, wahrscheinlich in seinem Büro in Lugano. Susan und ich unterbrachen die Diskussion für fünf Sekunden – die Zeit, die man braucht, um mit sechs Klicks eine Skype-Konferenzschaltung herzustellen – und schon redeten wir zu dritt, frei und gratis, über den Ozean hinweg.



Genau deshalb ist VoIP so einzigartig (Skype ist nur die aggressivste Variante und ich erwarte, dass es im laufenden Jahr einen VoIP-Boom auslöst). Denn wenn ein Telefonanruf nur eine Applikation im Netz ist, kann diese mit zahlreichen anderen Anwendungen interagieren und konvergieren. Dabei entsteht eine reichhaltige, dynamische und unglaublich flexible Kommunikationsumgebung. Natürlich ist Skype noch nicht perfekt. Manchmal gibt es Unterbrüche. Die Sicherheit ist aber wegen der 256-Bit-Verschlüsselung kein Problem. Deshalb und aufgrund der Flexibilität studieren auch Firmen VoIP (und Skype) mit grossem Interesse.




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