IT-Fachkräfte anwerben
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/32
Auf dem ausgetrockneten Schweizer Arbeitsmarkt sind qualifizierte IT-Fachleute Mangelware. Dass dies nicht nur ein Gerücht ist, sondern eine Tatsache, hat unsere Leserumfrage vom August bestätigt. Die Möglichkeit, Lücken im Personalbestand mit fähigen EDV-Leuten zu schliessen beurteilen zwar 40 Prozent der Befragten als schlecht oder gar katastrophal, doch immerhin 47 Prozent halten das Angebot auf dem Stellenmarkt für gerade noch genügend. Mehr Enthusiasmus kommt nur bei einer Minderzahl der Befragten auf. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird insgesamt also als eher kritisch, aber nicht desolat beurteilt.
Obschon auf allen Gebieten die Nachfrage bei weitem das Angebot übersteigt, zeigen sich in der Umfrage deutliche Unterschiede je nach Betätigungsfeldern. Wenn schon die Datenbankadministratoren und -entwickler zu den begehrteren Köpfen zählen (32%), herrscht offensichtlich bei den Netzwerkadministratoren (40%) und technischen Supportern (38%) eine regelrechte Dürre auf dem Rekrutierungsfeld. Weit weniger dramatisch stellt sich der Markt für Entwickler und Webdesigner dar. Immerhin hält aber auch hier jedes vierte Unternehmen Ausschau nach einem geeigneten Mitarbeiter.
Auf einem solch ausgedünnten Markt wird die Rekrutierung zu einer zentralen Fragestellung. Wo und wie findet man die qualifizierten Fachkräfte, welche Suchstrategie ist am erfolgversprechendsten? Unsere Leserschaft ist sich darin weitgehend einig, dass die beste Hire-Strategie in der direkten Anwerbung liegt. 76 Prozent bezeichnen die persönliche Anwerbung als erfolgreichste Rekrutierungsmethode für Kaderpositionen. Headhunter dagegen werden nur halb so oft genannt. Am meisten Streuverlust weist offensichtlich die Suche per Stelleninserat auf: Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob dieses Inserat in einem Printmedium oder online geschaltet wird.
Der Mangel an fähigen IT-Fachkräften steht in direkter Verbindung zur Ausbildungssituation für Informatiker. 44 Prozent der Umfrageteilnehmer beurteilen die Informatikausbildungen an Uni und ETH als ungenügend, weil das vermittelte Know-how veraltet oder nicht praxisorientiert sei. Gar 77 Prozent wünschen sich eine Ausbildung, die den Studierenden mehr Praxiserfahrung ermöglicht. Knapp ein Viertel sieht auch einen Mangel bei den Englischkenntnissen der Uni- und ETH-Absolventen. Bei diesen Schwachpunkten der Eliteausbildung kann es dann nicht erstaunen, dass beinahe ein Drittel der Befragten die von den Diplomierten gestellten Lohnforderungen als überrissen einstufen.
Entspannung auf dem Arbeitsmarkt ist auch nicht durch die Informatiklehre zu erwarten, da hier immer noch Lehrstellenmangel vorherrscht. Die Hälfte der Unternehmen bilden überhaupt keine Lehrlinge aus und ein Drittel nur sehr wenige. 1 Ausbildungsplatz pro 20 Mitarbeiter findet sich bei 10 Prozent der Unternehmen und nur gerade 13 Prozent bilden einen oder mehr Lehrlinge pro 20 Angestellte aus.
Die eher geringe Dichte bei den Informatiklehrstellen darf aber nicht als einziger Parameter der Ausbildungsleistungen von Firmen gewertet werden: Immerhin werden im Durchschnitt 28 Prozent der IT-Spezialisten durch ihren Arbeitgeber ausgebildet.
Uneinheitlich sind jedoch die Anstrengungen der einzelnen Betriebe, ihre IT-Fachkräfte selbst auszubilden. Die Hälfte der Befragten geben an, in ihren Betrieben weniger als 20 Prozent der Beschäftigten hausintern zu schulen. Weitere 40 Prozent der Unternehmen beschäftigen immerhin zwischen 20 und 60 Prozent intern ausgebildete Mitarbeiter. Diese Ausbildungsanstrengungen reichen aber offensichtlich nicht aus, um die grosse Nachfrage zu befriedigen. Auf eine Lockerung der Arbeitsbewilligungspraxis für qualifizierte ausländische IT-Professionals möchten jedoch nur 55 Prozent der Umfrageteilnehmer zurückgreifen.
Wenn die Rekrutierung neuer IT-Profis schon derart schwierig ist, kommt der Mitarbeiterbindung grösste Bedeutung zu, was von Unternehmerseite erkannt worden ist. Dazu werden gemäss unserer Umfrage neben einem guten Arbeitsklima zwei verschiedene Anreize für die Angestellten favorisiert: Am meisten zum Tragen kommt hier die direkte Beteiligungen am Erfolg der Firma, indem den Mitarbeitern Provisionen in Aussicht gestellt oder sie durch Unternehmensbeteiligung motiviert werden. Die andere Strategie zielt auf gute Rahmenbedingungen ab, sei dies in der Form zusätzlicher Ferien oder aber durch hohe Saläre, die zum Bleiben verlocken.