Flash-Einsatz auf Websites: Remo Schilliger vs. Peter Hogenkamp


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/05

     

Über die Verwendung von Macromedias Flash-Technologie scheiden sich die Geister. Während die einen darin einen äusserst flexiblen Werkzeugkasten sehen, mit dem sich fast alles realisieren lässt, lehnen andere die Lösung als blosse Spielerei ab.


Verbreitung



Pro: Flash ist ganz klar ein Web-Standard geworden. Dies belegen die zahlreiche Internet-Statistiken, eine wachsende Community und auch Windows XP, das mit einem Flash-5-Plug-in ausgeliefert wird. Auch im Business-Bereich wird Flash immer stärker genutzt. Beispielhaft sind die Automobil-Hersteller, die Flash als Frontend besonders stark für die Promotion nutzen. Wie hoch aber die genaue Verbreitung ist, ob nun 95 oder 85 Prozent, ist sekundär. Fakt ist, dass es das meistverbreitetste Plug-in ist und auf verschiedensten Plattformen läuft, so zum Beispiel auf den Betriebssystemen Windows, Macintosh, Linux und sogar auf Windows CE. Damit deckt es ein sehr breites Publikationsgebiet ab.




Kontra: Macromedia behauptet, inzwischen könnten 98 Prozent der User Flash-Content auf ihrem System anzeigen. Durch die Funktionalität der jüngeren Browser-Generationen, fehlende Plug-ins automatisch nachzuladen, mag das sogar annähernd stimmen, und 98 Prozent wären zweifellos genügend für einen echten Standard. Auf der anderen Seite muss beachtet werden, dass die Verbreitung primär durch Microsoft sichergestellt wird. Wenn der Software-Gigant einmal nicht mehr mitspielt, ist Schluss mit den 98 Prozent.


Ladezeiten


Pro: Lange Ladezeiten wären eigentlich gar nicht notwendig, denn es gibt zahlreiche Möglichkeiten, den Ladevorgang sinnvoll aufzuteilen und damit zu verkürzen oder gar zu vermeiden. Das Problem ist, dass man durch die zahlreichen multimedialen Möglichkeiten von Flash dazu verleitet wird, möglichst viele Bilder, Sounds und sogar Videos zu integrieren, was unweigerlich zu einer Datenexplosion führt. Diese Aspekte gilt es in allen Phasen eines Flash-Projekts zu berücksichtigen, begonnen mit der Planung bis hin zum Tuning der einzelnen Dateien, bei dem die Grösse einer Datei stark optimiert werden kann.




Kontra: Jede Flash-Applikation lässt den User zuerst einmal warten. Bei Flash-Intros wartet er nicht einmal auf Funktionen, sondern nur auf bunte Bilder. Doch Warten nervt jeden, denn das Wesen des Web ist es, selbst zu entscheiden, was man tun will. Viele IT-Profis hinter ihrer 1-MBit-ADSL-Leitung - und erst recht Entscheider, die die schicke Agentur-Präsentation von der Festplatte präsentiert bekommen - scheinen aus den Augen verloren zu haben, dass in der Schweiz immer noch eine erdrückende Mehrheit der User per Modem oder ISDN online gehen. Und so hält sich hartnäckig das Gerücht, "Skip Intro" sei der meistgeklickte Link im Internet. Kommentaren von Usern im Testlabor zufolge könnte es bei langsamen Flash-Applikationen sogar der Button "Fenster schliessen" sein.


Applikationslogik


Pro: Flash hat sich vom verspielten Animationsprogramm zur Applikations-Entwicklungsumgebung gemausert. Ist Flash früher noch oft für Logo-Animationen "missbraucht" worden, so entdecken heute viele Firmen die zahlreichen Möglichkeiten des Tools. Flash vereint graphische Werkzeuge, Multimedia-Fähigkeiten und die clientseitige Logik, welche mit der Scriptsprache ActionScript realisiert wird. Dazu kommt, dass Flash über diverse Kanäle auf externe Systeme zugreifen kann. So entsteht die Möglichkeit, Inhalte von Datenbanken, Web-Services oder grossen Backend-Systemen einzubinden.




Kontra: Das Web ist eine Sammlung von Milliarden von Seiten, und die Seite ist die kleinste logische Einheit. Suchmaschinen indexieren Seiten, und wer auf einen Link klickt, gelangt auf eine neue und per Zurück-Button springt man auf die zuletzt besuchte. Der Vorteil von Flash, dass man damit echte Web-Applikationen bauen kann, ist zugleich der Nachteil: die fundamentalen Prinzipien des Web werden gebrochen - oft sogar innerhalb einer Site, wenn ein Bereich von "normaler" Surflogik zu "Applikationslogik" wechselt.


Graphische Fähigkeiten


Pro: Die graphischen Möglichkeiten von Flash lassen kaum Grenzen erkennen. Doch nicht nur visuell geschulte Menschen können mit Flash ihre Kreativität ausleben, sondern auch eher abstrakt denkende Programmierer. Sie können mit den zahlreichen ActionScript-Möglichkeiten visuelle Elemente erzeugen und ihnen zusätzlich Interaktivität verleihen, was wiederum den Benutzer fordert und begeistert.




Kontra: Gerade die hervorragenden graphischen Fähigkeiten von Flash führen dazu, dass mehr Gewicht auf die Form als auf den Inhalt gelegt wird. Wer nicht viel zu sagen hat, soll das ruhig machen. Doch weil sowieso die Content-Pflege oft zu kurz kommt, sollte man sich gut überlegen, wie viel Budget es wert ist, einen Text bunt und bewegt zu machen. Es verwundert nicht, dass die meisten Flash-Texte viel seltener aktualisiert werden als andere - dafür ist kein Geld mehr da.


Flexibilität


Pro: Flash ist sicherlich flexibler als HTML was die Erstellung von Websites angeht. Diese Flexibilität bietet vor allem in Bezug auf die Gestaltung grenzenlose Freiheit, welche auf verschiedenste Arten genutzt wird. Ob das Resultat dabei zielgerichtet, benutzerfreundlich oder attraktiv daherkommt, lasse ich hier ausser Frage, denn Flash hat nicht den Anspruch auf einen sinnvollen Einsatz. Es sind die Anwender dahinter, welche das Ziel mit Flash als Werkzeug erreichen wollen. Ein anderer wichtiger Aspekt in Bezug auf die Flexibilität ist die Technik, denn anders als viele (noch) glauben, sind Flash-Projekte in sich abgeschlossen. Dies ist heutzutage anders und Flash zeigt sich wenig wählerisch, wenn es darum geht, mit externen Scriptsprachen oder Datenbanken verschiedenster Art zu kommunizieren.




Kontra: Natürlich ist Flash flexibler als HTML. Was heisst: Schlechte Designer haben mehr Möglichkeiten, Dinge falsch zu machen. Oft will man bewusst anders aussehen, auch bei Standardelementen wie Links, Buttons, Scrollbars und so weiter. Das Ergebnis ist eine Usability-Katastrophe, weil auch der erfahrene User sich fühlt wie der erste Mensch. Durch die heutigen Tools wird es immer einfacher, Flash-Applikationen zu bauen - fast zu einfach, denn immer mehr Designer, die durch HTML wenigstens noch ansatzweise in eine Struktur gezwungen würden, können frei schalten und walten, ohne jede Rücksichtnahme auf die Logik des Users. Flash an sich wäre nicht so schlecht (zumindest bessert es sich), nur was daraus gemacht wird, missfällt. Das Web entwickelt sich immer mehr zur Plattform für Applikationen, und dafür braucht es neue Standards und Tools. Ob Flash dabei eine Chance hat, hängt davon ab, ob die Designer lernen, richtig damit umzugehen.

Die Kontrahenten

Pro: Remo Schilliger ist Mitbegründer und
Geschäftsführer von Nextage GmbH. Die im Luzernischen Littau ansässige Agentur Nextage GmbH ist auf interaktive Medien spezialisiert.






Kontra: Peter Hogenkamp ist CEO von Zeix AG. Die Zürcher Zeix AG beschäftigt sich schwerpunktmässig im Bereich Usability Consulting und User Education.




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