Thin Client Computing: Peter Schmid vs. Jürg Schwarzenbach


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/04

     

Dem klassischen PC wurde bereits vor Jahren der nahe Tod prophezeit, dennoch sollen die Verkäufe dieses Jahr wieder Rekordwerte erreichen. Die Technologie, die dem PC den Garaus machen soll, heisst Thin-Client-Computing. Das Konzept wird bereits seit langem propagiert, konnte sich bis anhin aber nicht auf breiter Front durchsetzen.


Preisfrage


Pro: Weil wir nur den Server upgraden müssen und nicht die Clients, kommt uns die ganze IT-Umgebung billiger zu stehen. Wenn ich 60 Fat Clients ersetzen müsste, kotstet mich das zwischen 60'000 bis 90'000 Franken. Ein serverseitiger Ausbau dagegen kommt auf rund die Hälfte. Allerdings, die Anschaffung eines Thin Clients kostet auch Geld. Umgekehrt dürfen bei der Gesamtkostenrechung nicht die Softwarelizenzen vergessen werden. So arbeiten wir nicht mit Microsoft Office, sondern mit Star Office, was uns nichts kostet.




Kontra: Der Preiszerfall bei den Fat Clients führt dazu, dass die Differenz zwischen Thin und Fat Clients immer kleiner wird. Punkto Hardware-Investitionen gibt es also kaum mehr Vorteile für den Thin Client. Und: Auch ein Thin Client (inklusive TFT-Monitor) kostet zwischen 1000 und 1500 Franken. Bei den Lizenzen sehe ich auch kaum Unterschiede zwischen den verschiedenen Modellen. Wer Open-Source einsetzt, zahlt in beiden Fällen nichts, egal ob er Fat oder Thin Clients einsetzt. Daneben wird ein neuer Fat Client immer mit einem Betriebssystem ab Werk ausgerüstet. Auch Vorteile beim Platzbedarf hat der Thin Client gegenüber neueren PCs weitgehend eingebüsst.


Administrationsfrage


Pro: Hier zeigen sich die Vorteile eines Thin-Client-Konzept sehr deutlich. Änderungen wie Programmupdates oder die Installation von neuen Applikationen erfolgen zentral und sind deshalb gleichzeitig für alle Clients verfügbar. Das ist für ein Bildungsinstitut wie unseres ein entscheidender Vorteil. Ein Dozent kann quasi ad hoc eine neue Applikation seinen Studenten zugänglich machen. Das geschieht in Minuten und nicht in Stunden wie in einer Fat-Client-Umgebung. Selbst die schnellsten und ausgefeiltesten Softwareverteilmechanismen sind nicht so schnell und zuverlässig. Ein weiterer Punkt ist die bequemere Fernwartung: Hat einer der Studenten ein Problem, kann ich dieses mit ihm Eins-zu-Eins durchexerzieren, und zwar unabhängig davon ob er am Institut oder zu Hause ist.




Kontra: Bis zu einem gewissen Grade ist es tatsächlich so, dass es ein zentralistischer Ansatz einfacher macht, die Clients zu administrieren. Als User ist man aber immer abhängig vom Können des Administrators und seinem Einsatzwillen. Hier geniesst ein Fat-Client-User einfach mehr Unabhängigkeit - diese hat allerdings ihren Preis. Doch wer die Verwaltungstools richtig einsetzt, kann auch einen grossen PC-Park effizient verwalten. Wäre die Administration wirklich ein so grosses Problem, hätten sich die Thin Clients längst durchgesetzt, wovon aber nun wirklich keine Rede sein kann.


Zugriffsfrage


Pro: Wir sind eine berufsbegleitende Schule, und daher ist es ein Muss, dass die Studenten und Dozenten von zu Hause aus arbeiten und auf sämtliche IT-Ressourcen zugreifen können. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, welche Systeme die User benutzen. Der nötige ICA-Client ist für praktisch alle Plattformen verfügbar. Ausserdem erlaubt das Thin-Client-Modell einen äusserst flexiblen Einsatz der Arbeitsstationen. Wenn man die Maschinen nicht mehr braucht, zieht man einfach den Stecker raus und verstaut sie im Schrank.




Kontra: Auch hier hat der Thin-Client-Ansatz Vorteile. Aber auch da gilt festzuhalten, dass mit dem Einsatz von Remote-Access-Tools auch auf einen PC sicher und effizient zugegriffen werden kann, als Beispiel wird oft Citirx Metaframe genannt, der Marktführer für Server Based Computing. Diese Lösung bietet ein hohes Mass an Performance und Sicherheit und wird in vielen erfolgreichen Firmen kostengünstig eingesetzt. Umgekehrt lässt sich ein Thin Client nicht unterwegs nutzen. Das ist ein gravierender Nachteil. Viele Firmen, auch wir, rüsten die Mitarbeiter zeitgemäss mit Notebooks aus.


Performancefrage


Pro: In der Realität nutzt man nur einen verschwindend kleinen Teil der CPU-Leistung. Deshalb sind bei uns Engpässe eher selten, höchstens dann, wenn eine ganze Klasse mit 20 Schülern gleichzeitig ein Programm startet, das 500 MB und mehr Speicherplatz benötigt. Dann dauert das Starten nicht 5, sondern vielleicht 20 Sekunden. Aber es ist klar, Thin Clients sind weniger geeignet für die Arbeit mit 3D-Applikationen und generell grafikintensiven Programmen. Aber Alltagsapplikationen wie Textverarbeitung und Tabellenkalkulation sind absolut unkritisch.




Kontra: Hier hat der Fat Client klare Vorteile. Wer Grafik oder 3D machen oder auch nur ein paar Schnappschüsse bearbeiten will, ist auf die lokale Rechenpower eines Fat Client angewiesen. Eigentlich kommen bei einem Thin Client nur Office und klar dedizierte ERP-Appliationen (SAP, Abacus) in Frage. Ausserdem ist der Thin Client generell sehr limitiert: Nur wenn man als Kunde weiss, welche Applikationen man in den nächsten drei Jahren braucht, ist nichts einzuwenden gegen eine Thin-Client-Umgebung. Wenn man jedoch "komplexere" Bedürfnisse hat, wie etwa eine Faxlösung, können sofort grosse Probleme auftreten. Oder man will sich einen neuen Monitor kaufen und stellt dann fest, dass es nicht einfach ist, bei einem Thin Client die Grafikkarte auszutauschen.


Sicherheitsfrage


Pro: Durch die zentrale Verwaltung habe ich als Administrator den besseren Überblick über die Aktivitäten im LAN als in einer klassischen Client/Server-Umgebung. Virenbefall oder Hackangriffe lassen sich zentral bekämpfen. In einem LAN mit 100 Fat Clients ist dies nicht möglich, weil die Maschinen aus- und eingeschaltet sein können. Darüber habe ich keine Kontrolle. Ausserdem sind Thin Clients schon deshalb sicherer, weil man sie nicht booten kann und es keine Diskettenlaufwerke gibt. Ein Fat Client lässt sich immer irgendwie booten, so dass man auf das Filesystem zugreifen kann. Unser Nachteil ist: Fällt der Server aus, ist Feierabend.




Kontra: Das ist eine Frage des Systems: Wer auf Solaris setzt, der hat bestimmt weniger Viren- und Hacker-Probleme als mit Windows. Das ist sicher. Aber auch Thin Clients verfügen über einen Browser und Zugang zum Internet, und somit ist das Gesamtsystem genauso anfällig wie ein klassisches Client/Server-Netzwerk. Punkto Datensicherheit spricht indessen alles für einen zentralistischen Ansatz. Wer jedoch das Service-Management im Griff hat, kann auch dies problemlos meistern. Wenn ausserdem das zentrale System abschmiert, dann kann man immer noch mit den Applikationen auf dem Fat Client weiterarbeiten.

Die Kontrahenten

Pro: Peter Schmid ist Leiter Informatik bei der Hochschule für Technik Zürich, Mitglied der Zürcher Fachhochschule

Hochschule für Technik Zürich

Anzahl Clients: 90 Thin Clients (Sun Ray)

Anzahl Standorte: 2

Anzahl Server: Sun V880 (8 Wege, 16 GB RAM), Sun E450 (4 Wege, 4 GB RAM)

Anzahl Accounts: 1000






Kontra: Jürg Schwarzenbach ist CEO von Delec AG

Delec AG
Anzahl Clients: 210 PC-Clients und 120 Notebooks, Windows XP/2000 (HP und Compaq)
Anzahl Server: 50 (Windows 2000 und Metaframe)
Anzahl Accounts: 210
Anzahl Standorte: 4




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