Enterprise Storage - jetzt geht alles...
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/03
Natürlich werden die meisten Server auch heute noch mit einigen wenigen lokalen SCSI- oder auch IDE-Festplatten betrieben. Und mancher Anwender spart sich das Geld für Hardware-RAID oder -Duplexing und nutzt die Softwarefunktionen des Windows 2000 Server dafür. Auf der anderen Seite adressiert Microsoft mit den Datacenter-Versionen seiner Betriebssysteme, aber auch mit dem Windows Server 2003 Advanced Edition einen High-end-Markt, in dem es mit solchen Konstrukten nicht mehr getan ist. Die Kunden, die Rechenzentren in Unternehmen betreiben, erwarten flexible, zuverlässige und in bestehende SANs (Storage Area Networks) integrierbare Lösungen.
Mit dem Windows 2000 Server hatte Microsoft schon einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht. Das Dateisystem NTFS (Windows NT File System) v5 wurde zu einem Journaling File System, in dem Änderungen in einem Journal, also einem Protokoll, festgehalten werden. Mit den dynamischen Datenträgern hat man ausserdem endlich eine Alternative zu dem archaischen, aus DOS-Tagen stammenden Ansatz für die Partitionierung von Festplatten geboten. Mit dynamischen Datenträgern lassen sich viele Konfigurationsschritte wie die Vergrösserung von Datenträgern im laufenden Betrieb und ohne lästige, der Verfügbarkeitsstatistik nicht zuträgliche Neustarts durchführen. Darüber hinaus hat Microsoft beim NTFS v5 auch die Basis unter anderem für HSM-Anwendungen geschaffen, indem eine offene Architektur realisiert wurde, bei der Dateisystemtreiber eingebunden werden können.
Und doch fehlten noch manche wichtigen Funktionen, die man von einem High-end-Server-Betriebssystem erwarten muss. Dritthersteller wie EMC haben zwar einiges davon in Verbindung mit ihren Produkten realisiert. Aber erst mit dem Windows Server 2003 hat Microsoft nun auch im System die erforderlichen Erweiterungen implementiert. Dort werden beispielsweise sehr viel mehr FibreChannel-Adapter und HBAs (Host Bus Adapter) von SANs unterstützt. SAN-Volumes können sehr viel einfacher und flexibler als bisher definiert werden, und es lässt sich genau festlegen, welche LUNs (Logical Unit Numbers) des SAN unter Windows Server 2003 sichtbar sein sollen.
Zudem hat Microsoft sein bisheriges Treibermodell für SCSI-Geräte durch ein neues abgelöst, das als STORport bezeichnet wird. Dieses unterstützt auch neuere Technologien wie iSCSI und InfinBand. Ebenfalls in die Reihe dieser Erweiterungen gehört MPIO (Multipath IO). Damit können bis zu 32 parallele Kanäle zwischen dem Server und dem SAN genutzt werden, um Engpässe bei der Kommunikation zu vermeiden. Fasst man diese Änderungen zusammen, dann hat Microsoft nun endlich die Schnittstellen zu dem geschaffen, was die SAN-Anbieter schon lange im Portfolio haben.
Die Erweiterungen des Windows Server 2003 spielen sich aber nicht nur auf dieser tiefen Ebene ab. Mit dem Virtual Disk Service (VDS) abstrahiert Microsoft die verschiedenen SAN-Systeme gleich wieder und stellt diese als einheitliche, virtuelle Systeme dar. Das hat den Vorteil, dass sich beispielsweise SANs unterschiedlicher Hersteller in der gleichen Weise verwalten lassen, statt für jedes SAN ein eigenes Administrationsprogramm nutzen zu müssen. Auch Anwendungen wie ETL-Tools können den VDS nutzen. Das ist für die Hersteller deutlich einfacher als die Anpassung an die Produkte von Dritten.
In diesem Bereich zeigt sich übrigens einmal mehr die neu entdeckte Liebe Microsofts zum Scripting. Alle wesentlichen Funktionen des VDS lassen sich über Scripts steuern, wie Administratoren das schon lange von anderen Server-Betriebssystemen gewohnt sind. Microsoft hat auch in diesem Bereich die Aufholjagd abgeschlossen.
Wenig überraschend ist, dass auch der Anwender von Verbesserungen beim Storage Management profitiert. Mit den VSS (Volume Shadow Copy Service) lassen sich nun Schattenkopien von freigegebenen Ordnern erstellen. Diese Schattenkopien speichern die Änderungen - und nur diese - in gesonderten Bereichen der Festplatte. Anwender und Administratoren können dann beispielsweise einfach frühere Versionen von Dateien wieder herstellen. Endanwender brauchen allerdings ein Add-on, die Shadow Copies for Shared Folders, um die Funktion nutzen zu können. Und wer hat sich eine Funktion, mit der man auf frühere Dateiversionen zum Beispiel nach dem fehlerhaften Speichern zurückgreifen kann, nicht gelegentlich einmal gewünscht? Im Vergleich zu Bandsicherungen werden alle Änderungen sofort in der Schattenkopie festgehalten und nicht erst beim nächsten nächtlichen Sicherungslauf. Ein angenehmer Nebeneffekt des VSS ist, dass damit nun auch geöffnete Dateien gesichert werden können. Denn der Dienst arbeitet ja auch bei der Erstellung von Schattenkopien mit offenen Dateien.
Die Liste an Neuerungen und Erweiterungen im Bereich des Storage Management beim Windows Server 2003 ist zwar lang - wirklich Bahnbrechendes ist aber nicht dabei. Microsoft hat in erster Linie mit den führenden UNIX-Implementierungen gleichgezogen und Lücken geschlossen, die beim Schritt vom Hersteller mit PC-Fokus zu einem mit Enterprise-Fokus eben zwangsläufig entstehen.
Die beeindruckende Zahl an Erweiterungen, die Microsoft bei den Storage-Management-Funktionen sowohl bei Windows 2000 als nun auch beim Windows Server 2003 vorgenommen hat, macht aber auch deutlich, wie schwierig diese Entwicklung ist. Das gilt nicht nur für das Storage Management, sondern auch für viele andere Bereiche wie die Skalierbarkeit und die Verfügbarkeit. Hier geht es nicht nur um neue Funktionen, sondern auch um ein anderes Denken bei der Produktentwicklung. Flexible Schnittstellen, eine Integration mit bestehenden Lösungen und in vorhandene Umgebungen und umfassende Scripting-Schnittstellen stehen exemplarisch dafür. Microsoft hat diese Lektion gelernt, auch wenn der Weg dahin steinig war.