Liebespaare am Arbeitsplatz: Vom Management verpönt?

Fast jeder zehnte Arbeitnehmer hat eine berufliche Romanze.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/43

     

Was haben Bill Gates, André Agassi und Gerhard Schröder gemeinsam? Amors Pfeil traf sie bei der Arbeit. Gemäss verschiedenen Untersuchungen wird die Basis für 20 bis 35 Prozent aller Ehen am Arbeitsplatz gelegt. Wen wundert's, verbringen Männer und Frauen doch die meiste Zeit des Tages bei der Arbeit. Und hier lernt man sich auch richtig gut kennen: Langweiler oder Witzbold, Charmeur oder Keifer - man weiss viel mehr voneinander, bevor man sich auf eine Beziehung einlässt, und dementsprechend halten am Arbeitsplatz geknüpfte Beziehungen länger als mancher Flirt in der In-Bar oder dem Urlaub.


Dulden oder verbieten?

Bis vor kurzem wurden bei Firmen innerbetriebliche Romanzen gar nicht gern gesehen (noch vor 30 oder 40 Jahren konnte eine Liaison am Arbeitsplatz ein Kündigungsgrund sein), doch ändert sich dies langsam. Studien belegen, dass vor allem frischverliebte Paare energiegeladen, motiviert und engagiert sind. Ihre Präsenzzeiten am Arbeitsplatz sind überdurchschnittlich lang, und zu Hause soll sich sogar ihr Bettgeflüster mehrheitlich um berufliche Belange drehen.



Auch bei Schweizer IT-Firmen nimmt man Romanzen gelassen. Bei Acer gibt es keine Regelungen, weder vertragliche noch sonstige interne Bestimmungen. Katharina Vukojevic, Human Resources Manager Europe Team, Acer: "Wenn der/die Mitarbeiter/in wie bisher arbeitet und sich von der Arbeit und Aufgabe nicht ablenken lässt, haben wir als Unternehmen keinen Grund, etwas zu beanstanden."




Auch ein Abteilungs- oder Stellenwechsel steht nicht zur Diskussion, denn: "Wenn die Partnerin oder der Partner eines Mitarbeiters plötzlich bei der Konkurrenz arbeitet, ist das nicht weniger riskant für ein Unternehmen, als wenn das Paar gleich bei uns arbeitet", so Vukojevic weiter.



Auch bei Unisys ist entscheidend, ob sich die Beziehung mit dem unternehmerischen Alltag vereinbaren lässt, wie Rolf Jenni, Leiter Personal, Unisys Schweiz erläutert. "Hier ist nicht nur die Sozialkompetenz der Betroffenen gefragt, sondern auch der Vorgesetzten und der weiteren Mitarbeiter. Das Ganze ist auch eine Frage der Unternehmenskultur. Wo sich Toleranz, Förderung, Zielorientierung oder Teamgeist mehr etabliert haben als z.B. Neid, Macht oder Diskriminierung, wird die Akzeptanz einer Beziehung wohl besser sein." Generelle Verbote für Liebesbeziehungen kennt Unisys nicht. Die Erfahrungen zeigen, dass sich solche Beziehungen über den gesunden Menschenverstand der Mitarbeitenden selbst regeln. Nochmals Jenni: "In meiner Funktion werde ich mich einschalten, wenn die Balance zwischen persönlichem und unternehmerischem Umfeld ausser Kontrolle gerät, d.h. wenn Beruf und Beziehung nicht getrennt betrachtet werden können."



Eine Beziehung am Arbeitsplatz ist bestimmt kein Kündigungsgrund, der vor Gericht Bestand hätte. Es besteht aber die Gefahr, dass ein Verhältnis nicht gerne gesehen wird und deshalb für eine Kündigung andere Gründe (z.B. Nachlassen der Arbeitsleistung) vorgeschoben werden. Zudem könnte die Romanze von Arbeitskollegen aus verschiedensten Gründen wie Neid und Angst um die eigene Position als Anlass für Mobbing genommen werden. Besonders bei einer Beziehung zu Vorgesetzten ist es deshalb eine Überlegung wert, ob nicht ein Abteilungs- oder gar Stellenwechsel angebracht wäre.




Konfliktpotential

Eines ist nämlich sicher: Ein Paar am Arbeitsplatz verändert die Gruppendynamik, beispielsweise wegen Eifersüchteleien, Heimlichkeiten oder gar Begünstigungen. Manch einer, der mit einem Kollegen liiert ist, glaubt unterstreichen zu müssen, dass er korrekt und unvoreingenommen ist. Die Folge: Die Arbeit des Partners wird oft viel strenger beurteilt.



Wenn die Arbeitskollegen eine Beziehung ablehnen, besteht die Gefahr, dass das verliebte Paar isoliert wird. Viele Paare bringen sich auch selber in eine solche Position, weil sie so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen wollen - besonders, wenn sie frisch verliebt sind. Wer sich dauernd absondert, schafft sich keine Freunde, und die Kollegen werden sich unweigerlich zurückziehen: Der Informationsfluss versiegt, die Atmosphäre im Team leidet und der erste Streit ist programmiert.




Ungeahnte Folgen kann eine heimliche Beziehung zwischen einer (verheirateten) Führungskraft und einem Mitarbeiter haben. Die Gerüchteküche brodelt, das Betriebsklima leidet, der Chef wird als unkontrollierbar und sein Leistungsvermögen als beeinträchtigt wahrgenommen. Schnell einmal heisst es, seine Leistung lasse nach, oder der Mitarbeiter hätte sich nur aus Karrieregründen mit dem Chef eingelassen.



Schwierig kann es werden, wenn berufliche und private Interessen in Konflikt geraten - oder wenn man sich gar trennt. Da man dem Ex-Partner schlecht aus dem Weg gehen kann, zieht sich der Liebeskummer endlos dahin, die eigene Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit leidet, und oft hilft nur noch ein Stellenwechsel.




Beruf und Privatleben trennen

In immer weniger Branchen ist der Arbeitstag auf acht Stunden beschränkt. Ein stressiges Berufsleben fordert mehr Toleranz - auch von Seiten des Lebenspartners. Wenn beide im gleichen Unternehmen arbeiten, ist das Verständnis für die schlechte Laune, die Überstunden oder den Wochenendeinsatz um einiges grösser.



Dass die Beziehung aber auch auf eine harte Probe gestellt werden kann, ist jedem klar. Es ist nicht einfach, nach einem privaten Streit am Arbeitsplatz wieder unparteiisch miteinander umzugehen. Und auch umgekehrt belastet es die Beziehung, wenn Stress im Job zu Meinungsverschiedenheiten führt oder Kritik am Arbeitsplatz nicht sachlich angenommen und auf die persönliche Beziehung übertragen wird.




Wenn das Paar nur noch über die Arbeit spricht, wird auf Dauer die Liebe zerstört. Und wenn sie bei der Arbeit nur noch Händchenhalten, verärgern sie Kollegen und Vorgesetzte. Deshalb lautet die goldene Regel: Sobald wir den Fuss in die Firma setzen, sind wir Kollegen - erst nach Feierabend wieder das verliebte Paar.



Zudem in der Print-Ausgabe: Tips für Liebende am Arbeitsplatz und Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz



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