ECM oder PIM - oder beides?

Die Grenzen des Enterprise Content Management machen die Stärken und Daseinsberechtigung des Product Information Management aus.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/04

     

Mit der zunehmenden Digitalisierung der Geschäfte ist auch die Datenmenge in Unternehmen explosionsartig angestiegen. Die Folge: Für Mitarbeiter, aber auch für Kunden und Geschäftspartner wird es immer zeitaufwendiger, die richtigen und relevanten Informationen herauszufiltern. Ein Grund hierfür liegt an der Art, wie digitale Informationen bearbeitet, gespeichert und weitergegeben werden: Anstelle eines systematischen Vorgehens und einfacher Datenhaltung liegen Informationen zumeist in verschiedensten Versionen an unterschiedlichen Orten im Unternehmen vor.


Die Folge ist eine beständig zunehmende Datenbelastung, welche durch Unternehmenswachstum, erweiterte Produktportfolios und internationale Geschäftsausweitung noch verstärkt wird. Verschiedene Konzepte, von Enterprise Content Management (ECM) bis hin zu Product Information Management (PIM), bieten einen Ausweg aus dem Dilemma. Sie stellen einfach nutzbare Werkzeuge und zeitsparende Systematiken zur Verfügung, mit denen Informationen auch standortübergreifend verwaltet und bearbeitet werden können.




Viele Unternehmen sind jedoch bei Fragen nach der effizienten Verwaltung von unstrukturiertem Content und strukturierten Daten, der Automatisierung von Unternehmensprozessen sowie der Verwaltung elektronischer Dokumente überfordert. Unklarheit herrscht in erster Linie über die verschiedenen PIM- und ECM-Definitionen, Lösungsansätze und Funktionsbereiche. Wann ist ein ECM- oder ein PIM-System ausreichend? Wann macht der Einsatz einer umfassenden Lösung Sinn?


ECM ist keine Standardsoftware

Unternehmen verwenden den Begriff Enterprise Content Management (ECM) oft für eine Softwarelösung für das Management von schwach oder unstrukturierten Informationen wie Bildern, Produktbezeichnungen und Beschreibungstexten. Doch eigentlich handelt es sich bei ECM viel eher um ein Konzept: Laut dem Branchenverband AIIM ist ECM ein strategisch-organisatorisches Modell, das die Technologien zur Erfassung, Verwaltung, Speicherung, Bewahrung und Bereitstellung von Content und Dokumenten zur Unterstützung von organisatorischen Prozessen umfasst.





ECM schliesst dabei herkömmliche Technologien wie Input-Management, Dokumentenmanagement, Collaboration, Web Content Management, Workflow, Business Process Management, Output-Management, Storage und elektronische Archivierung ein. Diese Aufteilung spiegelt sich auch in den Angeboten verschiedener ECM-Experten wider. So teilt beispielsweise der Anbieter RedDot seine ECM-Lösungen in die Bereiche Web Content Management, Dokumentenverwaltung, Kollaboration und Business Process Management auf.




Die AIIM-Definition lässt erahnen, dass das Thema umfassender ist, als es auf den ersten Blick scheint. Unternehmen stehen deshalb bei der Einführung von Enterprise Content Management zunächst weniger vor der Auswahl einer passenden Software als vielmehr vor der Analyse bestehender Prozesse und der Definition neuer Abläufe. Grundsätzlich existiert keine ECM-Software per se, sondern vielmehr ein Baukas­ten verschiedener Produkte, die jeweils individuell angepasst und integriert werden müssen.


Verwaltung von strukturierten Daten mit PIM

Im Vergleich zu ECM ist der Begriff Product Information Management (PIM) enger gefasst. Hierbei geht es in erster Linie um die zentrale Verwaltung von strukturierten, aber auch unstrukturierten Produktdaten. Es existieren verschiedene Lösungsansätze: Während einige Anbieter sich auf das reine Management von Produkt- und Katalogdaten fokussieren, verstehen Anbieter wie hybris unter diesem Begriff neben der Verwaltung der Daten auch noch deren medienneutrale Ausgabe in verschiedene Vertriebskanäle wie E-Commerce, Websites, Online- sowie Printkataloge.


Wirtschaftlich attraktiv ist Product Information Management durch die derzeit gängige Praxis der Datenhaltung und -verwertung: Informationen liegen in einem Unternehmen häufig nicht zentral gebündelt vor, sondern verstreut bei Mitarbeitern und in Abteilungen – etwa in der Entwicklungsabteilung, im Warenwirtschaftssystem oder im Vertrieb. Dabei werden Informationen in unterschiedlichen Formaten abgespeichert. Daten liegen in Listen, Ordnern und Word- oder Excel-Dokumenten auf dem Rechner.





Oft sind Produktinformationen auch nur als Datenblätter im PDF-Format oder als Druckversion verfügbar, und es ist gleichsam schwierig wie mühsam, die nötigen Produktinformationen zu finden – etwa um sie in den unterschiedlichen Verkaufsmedien für den Kunden nutzbar zu machen. Zudem kommen in den meisten Unternehmen viele verschiedene Systeme zum Einsatz, mit denen produktspezifische Daten verwaltet werden. So liegen beispielsweise die Produktstammdaten wie Artikelnummern und Preise im ERP-System vor, die ausführlichen Produktbeschreibungen sind im Content Management System (CMS) gespeichert, und die CAD-Daten werden extern bei einem Internetdienstleister gepflegt.




Ein vollfunktionales PIM-System setzt genau bei diesen Problemen an, indem alle Daten zentral und medienneutral an einer Stelle gespeichert werden, um sie dort konsistent zu halten, mehrsprachig zu pflegen sowie stets aktualisiert und medienspezifisch in gewünschte Kanäle auszuleiten.


ECM oder PIM: Jedes System hat seine Stärken

ECM versteht den Begriff Content im Vergleich zu den oben beschriebenen Produktinformationen grosszügig: Darunter fallen alle Daten, die im Unternehmen entstehen – vom Word-Dokument über Bilder und Grafiken bis hin zu Tabellen und Präsentationen. Ein Teil dieser Daten kann dann auch Produkteigenschaften beschreiben – das ist die erste Parallele zu PIM. Die zweite bildet der ähnliche technologische Aufbau: Beide Systeme sind in der Regel browserbasiert, dienen zur zentralen Datenhaltung, unterstützen Nutzerrechte, Datenversionierung und Workflows.



Das verbindende Element ist die gemeinsame Datenbasis. Denn anstatt Informationen mehrfach abzulegen und je nach Verwendungszweck zu pflegen, sorgt ein zentraler Speicher für Konsistenz, unabhängig von der späteren Ausgabe. Darüber hinaus lassen sich sowohl PIM- als auch ECM-Systeme mit Drittsystemen, wie Customer Relationship Management (CRM) oder Product Lifecycle Management (PLM) integrieren und synchronisieren.





Die Grenzen von ECM machen die Stärken und Daseinsberechtigung von PIM aus: So entstanden die ersten PIM-Installationen 2002 aus der Erkenntnis, dass für ein tiefgreifendes Management strukturierter Produktinformationen ECM-Architekturen nicht ausreichen. Entsprechend scheiterte auch der Versuch führender ECM-Anbieter, mit eigenen Lösungen das steigende Kundeninteresse an Product Information Management zu befriedigen.



ECM und PIM im Vergleich


Intelligente Such- und Navigationsmöglichkeiten

PIM-Systeme besitzen eine flexible Architektur, mit der stark strukturierte Daten eins zu eins als Objekte abgebildet und auf der Datenbank hinterlegt werden können. Damit lassen sich Produktdaten zentral speichern, aufbereiten, mit Drittsystemen wie beispielsweise ERP synchronisieren und vervollständigen. Auch Klassifizierungen, wie eClass oder ETIM und einheitliche Standards (BMEcat oder GDS) werden von den gängigen PIM-Systemen unterstützt. Während ein Baustein einer ECM-Lösung – das Content Management – verschiedene Webseiten mit Informationen speist, lassen sich mit einem PIM-System weitaus mehr Ausgabekanäle in Form von Printkatalogen, Broschüren oder Preislisten mit Informationen beliefern. Darüber hinaus bietet eine strukturierte Datenbasis auch intelligente Such- und Navigationsmöglichkeiten, die mit einem ECM-System nur begrenzt vorhanden sind.


Insbesondere Unternehmen, die ihre Produkte über unterschiedliche Wege (online/offline) sowie international vertreiben, profitieren von einer zentralen Datenhaltung durch ein PIM-System. Dadurch, dass Daten nur noch einmal und zwar zentral vorliegen, werden Inkonsistenzen in den verschiedenen Vertriebskanälen vermieden und Fehlerquellen eliminiert. Aktualisierungen spiegeln sich sofort in verschiedenen Zielmedien wider, so dass Produkte einheitlich mit den richtigen Preisen und Beschreibungen angezeigt werden. Workflows, beispielsweise für Übersetzungen von Beschreibungstexten und Freigaben, beschleunigen zudem die Time-to-market bei Produkteinführungen oder -aktualisierungen. So verfügen verschiedene Länderstandorte deutlich schneller über aktuelle Produktinformationen.



Zusammenfassend lässt sich feststellen: Ein ECM-System eignet sich besonders für Unternehmen, in denen Daten kaum strukturiert vorliegen und kein Datenaustausch über Standards wie BMEcat oder GDS erfolgen muss. Im Vergleich dazu bietet sich ein PIM-System speziell für Unternehmen an, die ein hohes Aufkommen an Produktdaten haben, verschiedene Vertriebskanäle aus einer Quelle speisen wollen und nur einfache Dokumentenablagen anstelle multi-funktionalen Dokumentenmanagements benötigen.


Nimm zwei: PIM meets ECM

Dennoch gibt es immer mehr Unternehmen, die beide Ansätze erfolgreich miteinander kombinieren. Das ist besonders lohnenswert bei zahlreichen Länderwebauftritten, Produkten mit sowohl komplex strukturierten als auch unstrukturierten Informationen und ab einer Unternehmensgrösse von mindestens 100 Mitarbeitern oder 50 Millionen Euro Umsatz.


Je nachdem, wie gross ein Unternehmen ist und wie viele Daten verwaltet werden müssen, existieren verschiedene Einsatzvarianten einer integrierten Lösung: Ein Mittelständler, der auf seinen Webseiten wenig komplexe Produkte (beispielsweise Bücher oder Downloads) zur Verfügung stellt, benötigt in erster Linie ein CMS- oder ECM-System. Eine PIM-Lösung hingegen ist hier eher zweitrangig. Damit lassen sich die Produktdaten zentral verwalten, strukturieren und aufbereiten. So können detaillierte Produktvergleiche oder intelligente Suchen auf den Webseiten durchgeführt werden. In diesem Fall ist das ECM-System federführend und das PIM-System ergänzt zum Beispiel nur dynamische Informationen wie Preisgenerierung.



Unternehmen mit einer grossen Anzahl an Produkten und komplexen technischen Details (beispielsweise Handyzubehör oder technische Produkte) sowie Auftritten in mehreren Ländern und unterschiedlichen Ausgabekanälen nutzen in erster Linie ein PIM-System und möglicherweise ein ECM-System ergänzend. Erst nachdem die Produktdaten zentral gesammelt und aufbereitet sind, lassen sich auch Webauftritte mit vielen Details, Produktbeschreibungen, Angaben über Preise und Lieferzeiten (aus dem PIM-System) sowie Beschreibungstexte, Rezensionen und Feedback von anderen Kunden (aus dem ECM-System) generieren.


Egal, ob das PIM- oder das ECM-System federführend ist – eine sinnvolle Trennung der beiden Lösungen ist überaus wichtig, um die Stärken des jeweiligen Systems bei der Datenverwaltung optimal auszunutzen.


Zusammen, aber doch getrennt

Die Zuständigkeiten der einzelnen Lösungen müssen genau abgeklärt werden, beispielsweise welche Daten wo abgelegt sind und welche Benutzerrechte vorliegen. Auch sollte der Datenaustausch zwischen den Schnittstellen beider Systeme problemlos funktionieren. Gängige Lösungen ermöglichen eine Integration – entweder asynchron per XML oder synchron – beispielsweise per Webservice. Durch den Einsatz von serverbasierten Lösungen liegen alle Produktinformationen auf Knopfdruck vor.



Konkret bedeutet das, dass wenn ein Anwender beispielsweise aktuelle Preisinformationen auf einer mit dem ECM-System verwalteten Webseite anfordert, werden diese Informationen in Echtzeit aus dem PIM-System abgerufen und angezeigt. Arbeitserleichternd kommt hinzu, dass sich Nutzer über das LDAP Single-Sign-On nur einmal für beide Systeme anmelden müssen. Der Einsatz beider Systeme ermöglicht eine ganzheitliche Sicht auf alle Daten und Dokumente im Unternehmen.
Die gemeinsame Lösung erlaubt schnellen Zugriff, präzise Analyse und Weitergabe von wichtigen Produktdaten, exaktere, schnellere Entscheidungen durch Beachtung aller relevanten Informationen und so Arbeitserleichterung für alle Mitarbeiter.


Blick in die Zukunft

Mit wachsenden Anforderungen an die Produktinformationen und an das Datenmanagement in Unternehmen werden die Anzahl der PIM-Installationen sowie die Umsetzungen von ECM-Konzepten in den Unternehmen steigen, prognostizieren die Experten von hybris. Entsprechend nimmt man an, dass auch der Bedarf an integrierten Lösungen wachsen wird, die von Spezialisten beider Disziplinen gemeinsam entwickelt wurden und die sich gegenseitig optimal ergänzen.


Der Autor

Ariel Lüdi ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der hybris-Gruppe




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