Das Risiko mit Informationen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/02
Der Lebenszyklus von Informationen, Daten und Inhalten sowie die damit verbundene Verwaltung sind mehr als nur eine Frage des sicheren Aufbewahrens und der vorhandenen Speicherkapazität. Mit der Entstehung einer Information stellen sich von Grund auf mehrere Fragen, die in Zusammenhang mit rechtlichen, unternehmensinternen, branchenspezifischen und anderen Richtlinien stehen. Unternehmen brauchen ganzheitliche Lösungen, welche strenge Regulierungen einhalten, gleichzeitig die Ineffizienz reduzieren und Systeme standardisieren.
Die grösste Herausforderung für das Top-Management ist Risiko zugleich. Denn die uneingeschränkte Verantwortung und Haftungspflicht schafft auch für das Management in bezug auf Daten, Dokumenten, Prozessen und Zuständigkeiten neue Rahmenbedingungen. Fakt ist, dass eine mangelhafte Steuerung des Informationszugriffs nicht nur den Geschäftsbetrieb behindert, sondern letztlich auch das Image und den unternehmerischen Erfolg massiv gefährden kann, wofür die Geschäftsleitung zum grossen Teil haftet.
Das Phänomen der in geradezu beängstigendem Masse ansteigenden Dokumenten- und Informationsflut ist selbst in fortschrittlichen Umgebungen präsenter denn je. Der Kampf um das Aufbewahren und schnelle (Wieder-)
Auffinden unternehmensrele-vanten Wissens hat begonnen. Doch bislang wurde ausgereiften Business-Softwarelösungen, die den gesamten Lebenszyklus geschäftsrelevanter Informationen managen, weniger Beachtung geschenkt als reinen, Hardware-basierten Archivierungssystemen. Kein Wunder, denn der Begriff Information Lifecycle Management (ILM) wurde von Hardwareherstellern ins Leben gerufen und von ihnen geprägt.
Doch nicht die Speicherkapazität sollte für eine ILM-Strategie ausschlaggebend sein, sondern die geschäftlichen und rechtlichen Herausforderungen. Sie zielen im Wesentlichen darauf ab, Risiken im Umgang mit Informationen auf ein Minimum zu reduzieren. Zu berücksichtigen gilt es auch, die erschaffenen Wettbewerbsvorteile und die sinnvolle Verwaltung von Informationen, die auch dann bestehen bleibt, wenn Mitarbeiter das Unternehmen längst verlassen haben und die Hardwaresysteme abgelöst werden müssen, zu bewahren. Die enorme Masse intern und extern erzeugter Informationen und Dokumente erschwert die Ausfilterung geschäftsrelevanter Inhalte, um diese für die Zukunft zu sichern. Weit und breit führen willkürlich entstandene, digitale Datensammlungen ein Paralleldasein zu dem in der Regel nach wie vor vorhandenen Papierchaos.
Bevor die Digitalisierung und die immense Daten- und Informationsflut auf Unternehmen zurollte, waren die physische Ablage, die Zugriffsrechte und die Aufbewahrung klar geregelt. In Form von Akten-/Registraturplänen und Weisungen, die zum Beispiel vorschrieben, mit welchen Akten und Dokumenten wie umgegangen wird. Es scheint, als ob durch den schnellen Einzug der Elektronisierung diese gute Tugend ins Abseits gedrängt wurde.
Regulatorien zwingen nun die Unternehmen, sich diesem Thema erneut zu widmen. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, strategisch Hardware zu beschaffen, sondern die Grundlage für ein effizientes Informationsmanagement zu erarbeiten. Dies erfordert den Einsatz zeitgemässer und innovativer Business-Software. Denn Informationen sicher und wieder auffindbar zu speichern ist das eine. Die Daten und Informationen in einem sinnvollen und den rechtlichen Ansprüchen entsprechenden Kontext zu managen das andere und weitaus wichtigere Element. Gerade deshalb muss sich das Management um die Strategie der Informationsverwaltung kümmern. Das Business bestimmt, wie, wo, wann und wie lange Informationen aufbewahrt werden, welcher Wert den Inhalten beigemessen werden muss und welche Richtlinien gelten und nicht die Hardware oder IT.
Im Blickwinkel des Managements, das die uneingeschränkte Verantwortung und Haftung für das gesamte Verwalten der Daten, Dokumente, Prozesse und Zuständigkeiten trägt, ist ILM zwingend. Der geschäftliche Erfolg hängt zu stark von den immer strengeren Richtlinien ab, als dass er den unterschiedlichsten internen Interessen der Anwendergruppe unterliegen darf. Diese lässt oft die gemeinsame Bearbeitung beziehungsweise den Austausch aktueller Dokumente in den Vordergrund rücken und nicht die rechtlich abgesicherte Langzeitverwaltung und -aufbewahrung aktiver und inaktiver Dokumente. Das ist, berücksichtigt man die Ängste und Bedenken der Mitarbeiter, verständlich. Doch klare Konzepte, ein zeitlich realistischer Implementationsplan, starke Argumente der Arbeitsplatzsicherung und der Einbezug von Interessensgruppen helfen, das ILM-Projekt erfolgreich einzuführen und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechend zu realisieren und fortzuführen.
Wie wertvoll ist eine Information, wie lange will und muss ein Unternehmen damit umgehen, wie stellt sich das rechtliche Risiko (Risikoanalyse) dar, welche Aufbewahrungsfristen gelten und welche anderen Richtlinien müssen zwingend eingehalten werden? Diese Fragen stehen im Vordergrund, wenn sich ein Unternehmen Gedanken über ILM macht. Die logische Konsequenz: Information Lifecycle Management setzt sich über die gesamte IT hinweg und hat zugleich Einfluss auf Records Management, Asset-, E-Mail-, Knowledge- und im Gesamtkontext als Bereich von Enterprise Content Management (ECM).
Um ein ILM-Projekt erfolgreich durchzuführen, sind einige, unerlässliche Grundvoraussetzungen zu schaffen. In erster Linie muss der Verwaltungsrat bestimmen, was mit der Veränderung und der Einführung von Information Life Cycle Management erreicht werden muss. Die Erfahrungen zeigen klar auf: Was nicht messbar ist, ist nicht «managebar». Das heisst, die Definition messbarer Grössen und Werte werden bereits auf oberster Ebene festgelegt und konzeptionell ausgearbeitet, bevor das Projekt auf die strategische Ebene delegiert wird. «Bottom up» nicht «Top down». Nur mit diesem Vorgehen kann erwirkt werden, dass die Wertschöpfung von ILM einen messbaren Erfolg garantiert und Kosten gespart werden. Ent-scheidend ist zudem, dass sich die Verantwortlichen aktiv mit dem Informationsmanagement auseinandersetzen und den Firmenzielen entsprechend die Massstäbe für eine strategische und operative Umsetzung vorgeben.
Auf der zweiten Ebene wirkt ein Projektteam, welches sich aus verschiedenen Unternehmensabteilungen zusammensetzt, das auf normativer Ebene vorgegebene Konzept strategisch ausarbeitet und die Weichen für die operative Umsetzung stellt. Die Hauptaufgabe liegt hier in der unternehmensorientierten Auseinandersetzung im Umgang mit Informationen: Wie, in welcher Form und mit welcher Priorität müssen welche Informationen verwaltet werden? Und zwar über alle Abteilungen und Prozesse hinweg. Die Ziel- und Umsetzungsplanung muss dem Vorstand (also der normativen Ebene) vorgelegt und vom selben verabschiedet werden. Sie dient als Richtlinie für die definierten Ziele, Prozesse, Kontrollmechanismen und das Ressourcenmanagement für und durch die operative Ebene, damit weder das Budget noch die Terminplanung aus dem Ruder laufen.
Erst auf operativer Ebene erfolgt die Evaluation einer technischen Lösung, welche die vom Verwaltungsrat und strategischen Projektteam vorgegebenen Rahmenbedingungen erfüllt und den Unternehmenszielen entsprechend implementiert werden kann. In manchen Fällen lohnt sich bei der Umsetzung das Vorgehen in Teilprojekten. Um Insellösungen zu vermeiden, sollte eine modular aufgebaute, skalierbare und individuell ausbaubare Lösung gewählt werden.
Bei der Wahl von Business-Software, die den vollständigen Lebenszyklus des Geschäfts-Content verwaltet, gilt es weitere wichtige Themen zu berücksichtigen. Der Einsatz technologischer Unterstützung durch standardisierte und konsolidierte Systeme muss die Komplexität der IT-Landschaft zwingend reduzieren, sich nahtlos in wichtige Leitanwendungen (ERP, Groupware etc.) integrieren und die Administration erleichtern.
Dadurch werden die Zugriffe auf richtige und wichtige Informationen, welche in unterschiedlichen Anwendungen abgelegt sind, beschleunigt und die Mitarbeiter umfänglich unterstützt, ihre Aufgaben effektiv und den wirtschaftlichen Zielen des Unternehmens entsprechend zu erfüllen. Zudem werden Trainings- und Wartungskosten gesenkt. Information Lifecycle Management muss nebst den rechtlichen Grundlagen dafür sorgen, dass aus Sicht der Mitarbeitenden das Ganze aus ihrem Geschäftsprozess heraus gesteuert wird.
Fazit: Die erfolgreiche Umsetzung einer ILM-Strategie ist aufgrund der Erfahrungen rechtlicher Konsequenzen bei nicht aktiv verwalteten Informationen und Daten unabdingbar. Um das Risiko zu minimieren, die Informationen effizient zu verwalten und dadurch Kosten und Betriebsaufwand effektiv zu reduzieren, ist die «Top down»-Strategie unerlässlich.