Wie SaaS die IT-Welt verändert


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/19

     

Software as a Service (SaaS) wird sich ihre Nische im Markt erkämpfen. Dies wird aber einige Zeit in Anspruch nehmen, und nicht alle Anwendungsbereiche eignen sich gleichermassen für den Einsatz von SaaS. Als Geschäftsführer oder IT-Verantwortlicher sollte man auf der Basis der zukünftigen Anwendungsbereiche und Eigenschaften von SaaS erstens seine IT-Strategie überprüfen und mit der gegebenenfalls notwendigen Umsetzung frühzeitig beginnen sowie zweitens das Angebot an SaaS hinsichtlich der Übereinstimmung mit den eigenen Bedürfnissen permanent beobachten.



Als SaaS wird im folgenden ein zahlungspflichtiger Service verstanden, der die Benutzung einer Software via Internetbrowser erlaubt. Der Service ist aus der Sicht des Anbieters mandantenfähig, das heisst, er kann mehreren Kunden ohne zusätzlichen Aufwand angeboten werden. Trotzdem ist er in dem Sinne exklusiv, als der Kunde die Software an seine Bedürfnisse anpassen kann und nur er über den Zugriff auf seine Daten und Dateien entscheidet.


SaaS bleibt ein Nischenplayer

Das Potential von SaaS ist naturgemäss dort am grössten, wo eine möglichst grosse Anzahl Kunden einen möglichst identischen Service benutzen will: Je grösser die Anzahl Kunden, desto geringer sind die Kosten pro Kunde für Infrastruktur, Updates usw. Und je identischer der Service ist, desto einfacher ist seine (kostspielige) Entwicklung und desto einfacher kann er weiterentwickelt und gewartet werden.



Diese Definition stimmt offensichtlich längst nicht für alle Software-Angebote. Deshalb wird es weiterhin Individualentwicklungen und Lizenzsoftware geben, die In-house betrieben werden, weil sie die Differenzierung des Unternehmens unterstützen oder weil die Anzahl Anwender gering ist im Verhältnis zum grossen Funktionsumfang, den sie benötigen. Wenn SaaS nur nach der Anzahl Anwender und der Individualität der Bedürfnisse beurteilt wird, fehlt aber ein wichtiger Faktor: die Preissensitivität für Software-Lösungen. Aus diesem Grund kann sich die Entwicklung von SaaS-Angeboten auch für kleinere Gruppen von anspruchsvollen Anwendern wie beispielsweise Architekten ebenso lohnen wie die Implementation von aufwendigen Customizing-Möglichkeiten wie beim bekannten Beispiel Salesforce.com.




SaaS wird dem Hard- und Software-Markt sicher neue Impulse geben – Konkurrenz belebt das Geschäft. Gleichwohl sind bekannte und grosse Software-Unternehmen in einer guten Ausgangsposition: Sie haben bereits (guten) Kontakt zu ihren Kunden, und das Know-how für die Entwicklung von SaaS-Angeboten kann beschafft werden. Zudem ist Spielraum für Preisanpassungen bei der Lizenzsoftware vorhanden. Der daraus möglicherweise entstehende Preiskampf wird zwar helfen, die IT-Kosten in den Unternehmen zu senken, aber die verschiedenen Preismodelle werden die Vergleichbarkeit tendenziell erschweren. Die Grösse der SaaS-Nische ist entsprechend schwierig abzuschätzen, weil neben der unterschiedlichen Eignung einer Software, als SaaS vertrieben zu werden, die heutigen Marktpositionen der Anbieter die Entwicklungschancen stark beeinflussen.



Daraus kann man idealtypisch zwei Szenarios ableiten (vgl. Abbildung). Wenn die bekannten und grossen Software-Unternehmen auf SaaS setzen, ist das Szenario 1 realistischer: SaaS wird einen grossen Marktanteil erlangen. Wenn das SaaS-Angebot vor allem von neuen, auf SaaS ausgerichteten Anbietern entwickelt wird, ist das Szenario 2 wahrscheinlicher.



Die SaaS-Nische im Softwaremarkt


Kommt Zeit, kommt SaaS

Der Marktanteil von SaaS wird kontinuierlich und nicht schlagartig wachsen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens wird niemand, der mit seiner Lizenz-Software einigermassen zufrieden ist, auf SaaS-Angebote umsteigen – sofern sich nicht die Anforderungen an die Software oder das Business-Umfeld ändern. Neue Technologien wie VoIP oder Collaboration-Software setzen sich trotz klarer Vorteile (und Nachteile) nicht sofort durch, viele potentielle Anwender warten mit der Einführung, bis sich deren Einsatz bei anderen bewährt hat. Zudem entstehen immer auch Kosten durch die Umstellung.



Zweitens ist zwar das Versprechen der Kostenreduktion verlokkend, aber Kosten sind nie das einzige Argument: Einerseits müssen die benötigten Funktionalitäten geboten werden, und andererseits muss der Service stimmen. Heute ist das Angebot an SaaS noch beschränkt und bietet nur in ausgewählten Fällen dieselbe Reichhaltigkeit an Funktionalitäten wie ihre Lizenz-Schwestern. Eine Einschränkung der Funktionalitäten zugunsten einer Kostenreduktion werden aber nur wenige Anwender akzeptieren.




Andererseits nützt einem die beste Software wenig, wenn sie nicht gut eingeführt und kein Support geboten wird. Die Dienstleister, die eine Software anpassen und implementieren, sind berechtigterweise ein entscheidendes Kaufkriterium. Open-Source-Software hat deshalb neben einigen Vorteilen die entscheidende Schwäche, dass es wenig Dienstleister gibt, die die Software anpassen und die Kunden betreuen. Aus diesem Grund sind Unternehmen wie Microsoft oder SAP in einer guten Position, SaaS-Lösungen zu verkaufen, denn viele Dienstleister arbeiten mit ihren Produkten. Neue Anbieter von SaaS-Lösungen müssen dagegen nicht nur mit ihrem Angebot überzeugen, sondern auch für sich selber als Anbieter Überzeugungsarbeit leisten.



Beim Aufkommen von neuen Technologien ist das Thema Sicherheit fast immer ein Argument gegen die neue Technologie. Trotzdem ist die Diskussion der Sicherheit müssig: Einerseits kann ein SaaS-Anbieter aufgrund der Skaleneffekte einen vergleichsweise hohen Sicherungsaufwand betreiben – rational gesehen ist SaaS nicht weniger sicher, hat aber ihre eigenen Anforderungen durch den Webzugriff. Andererseits wurden beliebte Anwendungen wie beispielsweise Skype auch durch Sicherheitsmankos nicht gebremst.



Der Marktanteil von SaaS wird im Zuge des breiteren Angebots und der wachsenden Funktionalitäten steigen und damit neuen Bedürfnissen in den Unternehmen entgegenkommen.




Kernfragen an die IT-Strategie vor dem SaaS-Einsatz


Wettbewerbsrelevanter Beitrag zum Business

Es ist eine Binsenwahrheit, dass die IT die Unternehmensstrategie unterstützen soll. Nur allzu oft ist der IT-Verantwortliche aber hauptsächlich mit dem Support für Benutzer und Infrastruktur beschäftigt. Mit der Option SaaS erweitert sich der Entscheidungsspielraum bei der IT-Strategie:
Mit SaaS können Aufgaben, die wenig unternehmensspezifisch sind, einfacher ausgelagert werden. Im Gegenzug kann sich die interne IT-Abteilung stärker auf die Unterstützung des Business konzentrieren.


Zwei idealisierte Beispiele sollen dies illustrieren: Eine Grossschreinerei benötigt eine Buchhaltung inklusive Lohnabrechnung usw. Diese Funktionalitäten können gut als SaaS bezogen werden, denn mit ihnen kann sich die Schreinerei wenig differenzieren. Eine Verbesserung an der CNC-Software der Holzverarbeitungsmaschinen könnte sich infolge von Zeit- oder Werkstoffersparnissen aber als Beitrag zur Verbesserung des Unternehmensgewinns erweisen.



Eine Immobilienverwaltung dagegen wird eines Tages vielleicht die gesamten Verwaltungsaufgaben mittels SaaS erledigen können. Interessanter wäre es für sie aber, mit Hilfe einer Software auf der Basis von vergangenen Erfahrungen eine Bewertung von Wohnungsbewerbern vorzunehmen. Eine IT-Lösung im Sinne einer vorgängigen Data-Mining-Analyse und einer Umsetzung der Erkenntnisse in ein Expertensystem könnte das Betriebsergebnis positiv beeinflussen.


Je mehr SaaS-Angebote verfügbar sind, desto eher kann der IT-Verantwortliche Basisfunktionalitäten als Service beziehen und sich darauf konzentrieren, einen wettbewerbsrelevanten Beitrag zum Unternehmen zu leisten.


Regelmässige Überprüfung des SaaS-Marktes

Die Auswahl eines SaaS-Anbieters folgt grundsätzlich dem gesunden Menschenverstand. Gute Referenzen und ein erfahrener Implementierungspartner sind Pluspunkte. Besonders ist bei SaaS-Anbietern darauf zu achten, dass einerseits die Mandantenfähigkeit vollständig gegeben ist, da andernfalls kaum Kostenvorteile zu erwarten sind. Andererseits ist die Anzahl Kunden oder Anwender eines SaaS-Anbieters eine wichtige Grösse, denn wie das Beispiel von Salesforce.com zeigt, sinken die Reaktionszeiten mit steigender Anzahl Anwender, da sich Skaleneffekte bei der Infrastruktur immer mehr auszahlen.



Auch wenn die Verbreitung von Software-as-a-Service derzeit weder gross ist noch schlagartig zunehmen wird, so wird diese Möglichkeit, Software zu nutzen, zunehmend an Bedeutung gewinnen. Aufgrund der Komplexität und Langfristigkeit einer IT-Strategie empfiehlt es sich, sich bereits heute mit dem Thema auseinanderzusetzen. Nach der Festlegung der Optionen, die SaaS für das eigene Unternehmen bietet, kann die regelmässige Überprüfung der SaaS-Anbieter auf dem Markt durch die IT-Abteilung vorgenommen werden. Die Entscheidung, einen Service zu nutzen oder nicht, sollte aber wieder in der versammelten Geschäftsleitung besprochen werden.




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