System-Management im Wandel

Der IT-Markt ist in Bewegung. Die (berechtigte) Forderung nach einer stärkeren Business-Orientierung wirkt sich immer stärker aus, auch im System-Management. Dort spielen Service-Schichten und der Ansatz des Business Service Management eine immer grössere Rolle.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/19

     

Der prägende Trend der IT ist derzeit die stärkere Business-Orientierung, die sich in vielen, teils völlig unterschiedlichen Bereichen zeigt. Ob das nun service-orientierte Architekturen als Basis für eine schnellere und flexiblere Umsetzung von Business-Anforderungen sind oder aber die Unterstützung von Governance, Risk Management und Compliance oder gar Ansätze für eine bessere Verrechenbarkeit von IT-Kosten – die IT muss heute definitiv anders agieren als noch vor wenigen Jahren.


Diese veränderte Sicht wirkt sich auch auf das weite Feld des System-Managements aus. Besonders gut sichtbar wird dies einerseits bei den Ansätzen für das Business Service Management (BSM) der grösseren Anbieter sowie andererseits beim System Lifecycle Management (SLM).



Diese beiden Themen hängen ohnehin eng zusammen, da ITIL (IT Infrastructure Library) als prägender Ansatz und CMDB (Configuration Management Databases) als zentrales Architekturelement bei beiden mittlerweile eine wichtige Rolle spielen. BSM hat dabei allerdings die Gesamtsicht auf das Infrastruktur-Management (und manchmal auch darüber hinaus), während das System Lifecycle Management sich diesen Ansätzen prinzipiell eher aus der konkreten Umsetzung von Anforderungen heraus annähert.


Es ist daher auch nicht überraschend, dass es in beiden Bereichen eine Reihe interessanter Entwicklungen gibt – gerade auch bei dem bisher doch meist sehr technisch geprägten System Life­cycle Management.
Neben ITIL gewinnt auch die Norm ISO 20000 immer mehr an Bedeutung als übergelagertes Rahmenwerk für IT-Prozesse und messbarer Qualitätsstandard für Prozesse im IT Service Management, die ITIL ergänzt und erweitert.


Business Service Management

Business Service Management (BSM) bezeichnet Ansätze, mit denen IT Services in definierter Weise für das Business bereitgestellt werden sollen. Dazu gehören definierte Prozesse für die Anforderung und das Management von Services und der Projekte, in denen sie erstellt werden, Prozesse für das Änderungs- und Konfigurations-Management und dergleichen mehr. Das Ziel ist eine strukturierte Vorgehensweise für die Bereitstellung von IT-Services.



Zu den führenden Anbietern in diesem Bereich zählen BMC, CA, IBM und HP. Das ist wenig überraschend, da diese Unternehmen bereits seit Jahren im Bereich des Infrastruktur-Managements führend sind. Die meisten dieser Unternehmen haben in den vergangenen Jahren über Akquisitionen ihre Fähigkeiten im Bereich eines stärker business-orientierten Managements verbessert, wie beispielsweise HP durch die Übernahme von Mercury. Zudem wurde auch die Unterstützung von CMDB-basierenden Konzepten ausgebaut.


System Lifecycle Management

Das System Lifecycle Management umfasst die Lösungen für das Management von Systemen von der Installation des Betriebssystems über die Softwareinstallation und das Patch-Management bis hin zum laufenden KonfigurationsManagement, zur Inventarisierung und zur Unterstützung bei der Migration auf neue Hardware.


In den vergangenen Jahren hat sich dieses Feld bereits wesentlich weiterentwickelt. Themen wie das Lizenz-Management, ein über die reine Inventarisierung hinausgehendes Asset Management mit der Verknüpfung auch zu betriebswirtschaftlichen Daten und das Vertrags-Management sind einige der Bausteine, die sich bei immer mehr Produkten in diesem Segment finden. Hier wird auch der Druck auf die Hersteller sichtbar, sich über die klassische administrative Sichtweise hinauszubewegen. Gleichzeitig wachsen aber auch die Forderungen nach einer besseren Integrierbarkeit solcher Lösungen in Gesamtkonzepte, wie weiter unten noch ausgeführt wird.


Federated CMDB

Bei den zu beobachtenden Trends sind Federated CMDBs sicher einer der wichtigsten. Dabei geht es darum, spezialisierte CMDBs zusammenzuführen, um übergreifende Sichtweisen zu schaffen. Spezialisierte CMDBs können beispielsweise als Weiterentwicklung der Konfigurations- und Inventardatenbanken von klassischen System-Lifecycle-Management-Produkten entstehen. Diese decken aber nur einen Teil des Gesamtfokus übergreifender BSM-Konzepte ab, dafür aber mit einer grösseren Detaillierung.


Im Konzept der Federated CMDBs können solche spezialisierten Datenbanken zusammengefasst werden, um eine – typischerweise nicht so tiefe, dafür aber breitere – Gesamtsicht zu erhalten. Damit wird gleichzeitig auch adressiert, dass der Ansatz nur einer zentralen CMDB eine Tendenz zu monolithischen, schwerfälligen Konzepten beinhaltet.



Hier liegt auch die logische Verbindung zwischen System-Lifecycle-Management-Lösungen auf der einen Seite und dem ITIL-Ansatz auf der anderen. System Lifecycle Management liefert spezifische CMDBs, die in einem Gesamtkonzept eingebunden werden können. Das bedeutet, dass auch die Spezialisten in diesem Markt eine solche Orientierung unterstützen müssen, um langfristig eine wichtige Rolle in BSM-Gesamtkonzepten übernehmen zu können. Zudem liegt für die System-Lifecycle-Management-Anbieter auch eine Chance darin, reduzierte ITIL-Konzepte für den Mittelstand zu realisieren und dabei als Basis ihre bisherigen Produkte zu verwenden.


Anwendungsdienste: Mehr als Infrastruktur

Eine weitere interessante Entwicklung ist der Fokus von BSM-Ansätzen. ITIL bezieht sich zunächst, wie der Begriff bereits deutlich macht, auf die IT-Infrastruktur und deren Dienste. Daneben gibt es aber auch die gesamte Anwendungswelt, die in solche Konzepte einbezogen werden muss – mit definierten Prozessen für die Anforderung neuer Services, mit einem Änderungs-Management und dergleichen mehr. In einem übergreifenden Konzept für das IT-Management müssen diese Aspekte mit einbezogen werden – BSM darf nicht nur auf die IT-Infrastruktur fokussiert sein.


Abrechenbarkeit von Services

Eines der vielleicht spannendsten Themen ist die Definition von Services, ihre Abrechenbarkeit und die daraus entstehenden Möglichkeiten, die IT besser als bisher zu steuern, aber auch reale Preise für Services festzulegen und damit die IT wirtschaftlicher agieren zu lassen.


Grundsätzlich ergibt sich diese Möglichkeit zwangsläufig aus einer Service-Orientierung. Die Nutzung von Services lässt sich messen. Damit und mit definierten Prozessen für die Erstellung von Services lassen sich aber auch die Kosten und sinnvolle Preise von Services zunehmend besser festlegen.



Die logische Konsequenz daraus wird sein, dass auch eine Art «ERP for IT» entstehen wird, was bis heute fehlt. Interessant wird dabei die Frage sein, ob diese Entwicklung eher von den ERP- oder den BSM-Anbietern getrieben und welcher Ansatz sich dabei am Ende durchsetzen wird. Die Entwicklung hin zu einer wirtschaftlich orientierten Sichtweise und Steuerung der IT wird aber zwangsläufig in einem solchen System kumulieren.


Service-Schnittstellen im Lifecycle-Management

Die Service-Orientierung spielt aber auch im System Lifecycle Management eine immer wichtigere Rolle, wenn auch zunächst primär auf einer technischen Ebene. Die meisten Produkte in diesem Marktsegment sind historisch als monolithische Lösungen entstanden, mit meist relativ schwachen APIs oder anderen externen Schnittstellen. Projekte, bei denen eine Integration solcher Lösungen beispielsweise mit Service-Desk-Systemen erfolgt ist, sind daher auch relativ selten.
Inzwischen ist aber bei zunehmend mehr Herstellern wie Brainware oder Enteo eine Öffnung durch – meist als Web Service realisierte – Interfaces zu beobachten. Über diese Schnittstellen wird eine Einbindung der Anwendungen in übergeordnete Lösungen deutlich vereinfacht.


Solche Services können aber auch als Basis dienen, um beispielsweise individualisierte Benutzerschnittstellen für verschiedene Zielgruppen wie Operatoren oder den Self Service durch Benutzer zu realisieren.
Darüber hinaus sind sie auch die Basis für zwei weitere wichtige Trends: Zum einen können über diese Schnittstellen Prozesse und Workflows integriert werden, mit denen beispielsweise Genehmigungen innerhalb des System Lifecycle Managements erfolgen oder ein Software Deployment innerhalb eines übergeordneten Einkaufsprozesses abgewickelt wird. Eine sauber definierte Schnittstellenschicht schafft hier deutlich mehr Flexibilität.



Zum anderen sind die Schnittstellen auch für ein identity-driven System Lifecycle Management von Bedeutung, bei dem beispielsweise ein HR-System automatisch die Einrichtung neuer Rechner triggert oder Änderungen an der Softwarekonfiguration auf Basis von Informationen aus einem Provisioning-System oder dem Organisations-Management-Modul eines HR-Systems ausgeführt werden.


Noch im Umbruch

Beim Blick auf die genannten Entwicklungen wird deutlich, dass sich der Markt derzeit in einem Umbruch befindet. Es gibt prägende Entwicklungen wie die wachsende Bedeutung von exponierten Service-Schnittstellen und von CMDBs als Architekturelement. Die Entwicklung ist aber bei den meisten Anbietern noch am Anfang oder bestenfalls im Gange. Zudem ist beim Schritt hin zu einer stärkeren Business-Orientierung noch viel zu tun.



Mit ITIL und ISO 20000 haben sich zwar strukturierte Ansätze etabliert. Die Trennung zwischen der IT-Sichtweise auf der einen Seite und dem Business ist aber meist noch recht deutlich. Hier muss noch einiges geschehen.
Klar wird aber auch, dass es für Hersteller nicht mehr ausreicht, technisch stark zu sein. Die Ausrichtung auf Services und die Unterstützung von Konzepten wie ITIL sowie, bei den übergreifenden Ansätzen der grossen Hersteller, eine klare Business-Orientierung sind daher die Messlatte für Entscheidungen in diesem Markt.




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