Festpreisprojekte im Hintertreffen

Warum externe Softwareprojekte im Aufwandverhältnis grössere Erfolgschancen haben können als Projekte zum Festpreis.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/17

     

Schnell ist entschieden: Ein Projekt soll zum Festpreis vergeben werden. Alles andere ist zu riskant, schliesslich müssen die versprochenen Budgets und der Zeitplan eingehalten werden. Ein potentieller Lieferant weiss ausserdem am besten, wie gross der Aufwand ist. Dank einem Festpreisangebot unterschiedlicher Anbieter gibt es für die Lieferanten wenig Spielraum, zu hohe Preise zu verlangen.


Haben Sie in Ihrem Unternehmen schon einmal ernsthaft in Betracht gezogen, die Entwicklung eines umfangreichen Softwareprojektes nach effektivem Aufwand zu bezahlen? Wohl kaum, denn es entspricht schlicht nicht der gängigen Praxis.



Auch wenn ein Festpreisvertrag für einen Auftraggeber attraktiv wirkt, muss gewarnt werden: Der Transfer von Termin und Budget­risiken beinhaltet viele Nachteile. Tatsächlich sprechen sogar viele gute Gründe gegen einen Festpreisvertrag. Jede Vertragsart schafft nämlich spezifische, mit­unter auch unerwünschte Anreize und regelt gleichzeitig die Verteilung der Risiken. Im Fall eines Festpreisvertrages wird primär der Anreiz geschaffen, den Termin einzuhalten, aber nicht unbedingt, ein qualitativ hochwertiges Ergebnis zu liefern.


Falsche Anreize

Der Lieferant kann nur dann einen Gewinn erwirtschaften, wenn seine Projektkosten unter dem offerierten Betrag liegen. Somit ist er während des Projekts bestrebt, den Aufwand möglichst gering zu halten. Gleichzeitig wird der Lieferant natürlich auch darauf bedacht sein, die vertraglichen Kriterien zu erfüllen, aber jede Aktivität, welche die Qualität der versprochenen Software verbessert und nicht vertraglich gefordert ist, schmälert seinen Gewinn aus dem Projekt. Er hat somit keine Anreize, qualitative Aspekte zu erfüllen, die nicht explizit vertraglich geregelt sind. Die qualitativen Aspekte der Lieferung müssen daher bei der Definition des Leistungsumfanges genau beschrieben werden.



Das wiederum ist einfacher gesagt als getan. Denn wie soll beispielsweise Wartbarkeit in einer Art und Weise definiert werden, die objektiv messbar ist und von Auftraggeber und Auftragnehmer gleichermassen akzeptiert werden kann? Was ist, wenn der Code kaum gelesen werden kann und in einem Jahr eine wichtige Änderung vorgenommen werden muss? Ein in der Praxis fast aussichtsloses Unterfangen.




Ein anderes Beispiel: So einfach die Forderung nach Performance ist – wie sollen die Performance-Anforderungen unter der Last von mehreren hundert Benutzern gemessen werden? Der Aufbau einer passenden Messanordnung kann teuer zu stehen kommen. Noch schwieriger: Wie soll die Robustheit der Applikation getestet werden?



Schnell wird in der Praxis klar, dass es nur unzureichend möglich ist, messbare externe Abnahmekriterien für qualitative Aspekte einer Software zu definieren. Viel einfacher ist es, die «innere Qualität» mittels Code Reviews zu beurteilen. Aber die sind wiederum ungeeignet als objektive Abnahmekriterien für Festpreisprojekte.



In einem Projekt nach Aufwand dagegen hat der Auftragnehmer einen Anreiz, laufend qualitativ hochwertigen Code zu liefern, wenn der Auftraggeber Code Reviews macht. Schliesslich kann der Vertrag in der Regel kurzfristig gekündigt werden, und wenn die Qualität nicht stimmt, ist rasch ein Schlussstrich gezogen. Der Lieferant hat eine feste Marge pro eingesetzte Personenstunde. Somit ist er bestrebt, möglichst lange und möglichst viel am Projekt arbeiten zu können. Die Chancen dazu sind dann am grössten, wenn er qualitativ hochwertige Arbeit abliefert.


Lernen will gelernt sein

In jedem Softwareprojekt wird man mit unerwarteten Problemen konfrontiert. Ursprüngliche Pläne, einmal definierte Anforderungen ändern sich häufig während des Projekts. Vorgesehene technische Lösungsansätze erweisen sich bei ihrer Umsetzung nicht selten als wenig geeignet. Dies gilt auch für Festpreisprojekte. So sind Änderungen am ursprünglich definierten Leistungsumfang unumgänglich.


Mit solchen Änderungsanträgen rechnet ein erfahrener Lieferant: In dem Moment, da er eine Offerte für eine Änderung erstellt, steht er nämlich unter keinerlei Wettbewerbsdruck mehr. Er kann bei Änderungsanträgen eine teure Offerte stellen, mit der er sein ursprünglich knapp kalkuliertes Angebot des Gesamtprojektes verteuern kann.




Bei Projekten im Aufwandverhältnis können die Prioritäten laufend und ohne solche Folge­kosten geändert werden. Aus vertraglicher Sicht spricht nichts dagegen, Erkenntnisse in das Projekt zu integrieren. Agile Projektvorgehen sind also anwendbar.


Sofort beginnen

Vertragsverhandlungen bei Festpreisprojekten ziehen sich meistens hin. Mitunter begegnet man zwar sportlichen Plänen, wonach die Verträge innert zweier Wochen unter Dach und Fach sein sollen. Die Erfahrung zeigt aber, dass dieses Ziel kaum je erreicht wird. Und legt man ausserdem Wert auf die rechtlichen Details, sind Vertragsverhandlungen, die mehrere Monate dauern, keine Seltenheit. Müssen die Verhandlungen noch dazu mit einem Lieferanten geführt werden, der nicht vor Ort ist, werden sie besonders aufwendig.



Bei Projekten im Aufwandverhältnis sind die Vertragsverhandlungen dagegen einfach. Wichtige Aspekte wie das geistige Eigentum, Haftung und Kündigungsfristen können schnell vereinbart werden. Aus vertraglicher Sicht lässt sich das Projekt ohne Verzögerung starten. Dabei spielt es noch nicht einmal eine Rolle, wenn noch nicht alle Spezifikationen bis ins letzte Detail erarbeitet worden
sind – ein Umstand der bei Festpreisprojekten als Voraussetzung gegeben sein muss.


Der dritte Weg

Besonders dramatisch kann die Situation in einem Projekt mit Festpreisvertrag werden, wenn der Auftraggeber während des Projekts feststellt, dass der Lieferant der Aufgabe nicht gewachsen ist. In einem solchen Fall hat der Auftraggeber keine Möglichkeit, aus dem Vertrag auszusteigen. Der Lieferant hat nämlich versprochen, am Endtermin zu liefern, und darüber hinaus hat er keine Verpflichtung.


Eine Lösung für viele der erwähnten Probleme ist ein Festpreisvertrag mit Zwischenlieferungen und Kündigungsrecht. Ist der Lieferant nicht in der Lage, termingerecht die geforderten Zwischenergebnisse zu liefern, hat der Auftraggeber die Möglichkeit, aus dem Projekt auszusteigen. Noch besser sind Verträge, in denen der Auftraggeber den Vertrag nach einer Zwischenlieferung ohne Begründung beenden kann. Dann steht der Lieferant nämlich auch bei Änderungsanträgen unter einem gewissen Wettbewerbsdruck.



Neue Erkenntnisse können dann für eine nächste Zwischenlieferung offeriert, geplant und umgesetzt werden. In einem Vertrag, der in nützlicher Frist beendet werden kann und in dem die Codequalität laufend vom Auftraggeber überprüft wird, hat der Lieferant zudem Anreize, in die Qualität des Codes zu investieren. Sicher, alle Parteien sind sich der Kosten, die bei einem Lieferantenwechsel anfallen, durchaus bewusst. Trotzdem ist die Drohung, das Projekt ordentlich abzubrechen, glaubwürdig.


Fazit

Wenn ein Festpreisvertrag aus bestimmten Gründen unumgänglich ist, dann sollten zumindest feste, überprüfbare und nicht zu umfangreiche Zwischenlieferungen mit einem Ausstiegsrecht vereinbart werden. Und in allen anderen Fällen ist eine Vergabe des Auftrags im Aufwandverhältnis unbedingt zu prüfen.




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